Boston versinkt im Freudentaumel

Der World-Series-Triumph der Red Sox lässt für einige Stunden die Trauer nach dem Terror vergessen.

Boston hat 600.000 Einwohner. Sehr viele davon werden nicht schon einmal miterlebt haben, was sich am Mittwoch in der Hauptstadt des US-Bundesstaates Massachusetts abgespielt hat: Erstmals seit 1918, also erstmals seit 95 Jahren, fixierten die Baseballer der Boston Red Sox den Triumph in der World Series im vereinseigenen Fenway Park nahe des Stadtzentrums. 6:1 endete vor fast 40.000 Zuschauern die sechste und letztlich entscheidende Partie gegen die St. Louis Cardinals.

Eine ganze Stadt machte daraufhin mobil, überall wurde überschwänglich gefeiert. Trotz Konkurrenz der Footballer von den New England Patriots, der Basketballer von den Boston Celtics und der Eishockey-Spieler der Boston Bruins sind die Red-Sox-Stars noch immer die größten Lieblinge in der Ostküstenmetropole.

Für Stunden war die Trauer nach dem verheerenden Terroranschlag im April vergessen, Zehntausende feierten den achten Titelgewinn der Red Sox auf den Straßen der Ostküsten-Metropole.

Übervater

Besonders ein Star der Red Sox stand im Mittelpunkt der Feierlichkeiten: David Ortiz wurde zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt. Der 37-Jährige, der in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik zur Welt kam, wurde daraufhin von seinen Teamkollegen in Sekt gebadet. Ortiz, den in Boston viele nur „Big Papi“ nennen, ist längst eine Red-Sox-Legende: Er ist schon seit dem Jahr 2003 im Klub, war also auch schon bei den letzten beiden Titelgewinnen 2004 und 2007 dabei, bei denen die entscheidenden Siege jeweils auswärts gelangen.

„Dies ist für dich, Boston“, rief Ortiz dem Publikum zu und hielt demonstrativ die Trophäe in die Höhe. Der Red-Sox-Star sprach damit auch die Bombenanschläge vom 15. April im Zielbereich des Boston-Marathons an, bei denen drei Menschen ihr Leben verloren hatten und mehr als 260 weitere schwer verletzt worden waren. Bereits wenige Minuten nach Spielschluss versammelten sich einige hundert Fans knapp zwei Kilometer vom Stadion entfernt an der Ziellinie des Marathons und skandierten stolz „Boston Strong“.

Der Erfolg der Red Sox kam durchaus überraschend, denn eigentlich sollte in dieser Saison ein neues Team aufgebaut werden, nachdem die Red Sox in der vorigen Saison nur 69 ihrer 162 Vorrundenspiele gewonnen und die schlechteste Bilanz seit 1965 hatten. Unter dem neuen Red-Sox-Trainer John Farrell feierte die Mannschaft aber gleich 97 Siege in der Vorrunde, hatte zusammen mit Finalgegner St. Louis die beste Bilanz aller Major-League-Klubs und erreichte erstmals seit vier Jahren die Play-offs.

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