
Weitwanderer Zinggl über den Sultanstrail: "Viel ruhiger wird’s nicht"
Buchautor Martin Zinggl isst eine Topfengolatsche in Wien und spaziert über den Balkan nach Istanbul – 2.400 Kilometer.
Eine Auszeit nehmen und weitwandern – vielen Menschen kommt der Jakobsweg in den Sinn. Eine halbe Million Pilger zählte man 2024 auf dem Wanderweg. Martin Zinggl – Ethnologe, Filmemacher und Reporter – wollte weit gehen, sich aber nicht wie an der Supermarktkassa fühlen und hat den Sultanstrail gewählt. Sein Buch „Das ist kein Spaziergang“ ist im Knesebeck-Verlag erschienen. Start war am Stephansplatz, mit einer Topfengolatsche.
KURIER Talk mit Martin Zinggl
KURIER: Warum geht man zu Fuß nach Istanbul?
Martin Zinggl: Eine Gesichtslähmung hat mich ausgebremst. Da wollte ich mich bewegen, zur Ruhe kommen. Ich wusste, das erdet mich, beruhigt meine strapazierten Nerven. Darum die Idee des langen Spazierens. Natürlich poppt der Jakobsweg auf, der mir aber überlaufen schien. Ich wollte alleine sein, mich nicht um Schlafplätze streiten oder im Gänsemarsch gehen.
Deshalb der Sultanstrail?
Ich kannte den Sultanstrail zuvor auch nicht. Aber im Jahr zuvor (Anm.: 2022) sind rund vierzig Menschen den Trail gegangen. Da dachte ich mir: Na gut, sehr viel ruhiger wird’s nicht werden.

Trotz karger Landschaften im Hochsommer: Bulgarien war für Zinggl wunderschön.
©Martin ZingglUnd war es wirklich ruhig?
Auf den 2.400 Kilometern bin ich einem einzigen Wanderer begegnet: Kurz vor Budapest kam er mir entgegen. Er war aber nicht in Sprechlaune und ging einfach an mir vorbei.
Wo verläuft die Route?
Sie führt durch acht Länder, von Wien über die Slowakei nach Ungarn, streift Kroatien, quert Serbien, Bulgarien und Griechenland und endet in der Türkei.

Kann man den Sultanstrail auch umgekehrt gehen?
Der osmanische Sultan Süleyman I. ist 1529 diesen Weg in umgekehrter Richtung gegangen. Von Konstantinopel, wie Istanbul damals noch hieß, nach Wien, um die Stadt einzunehmen – Stichwort Erste Wiener Türkenbelagerung. Eine niederländische Stiftung, die „Sultans Trail Foundation“, hat das Friedensprojekt ins Leben gerufen. Es gibt ein Tagebuch von Sultan Süleymans Feldzug. Anhand der darin beschriebenen Orte hat man versucht, den Weg zu rekonstruieren.
Der Sultan hat 141 Tage gebraucht.
Diesen Rekord wollte ich brechen. Letztlich war ich 102 Tage unterwegs. Davon 77 Wandertage, der Rest waren Rasttage, die ich gebraucht habe.

In einem Teegarten in der Türkei: Die Runde hat darauf bestanden, Zinggl einzuladen.
©Martin ZingglWar ein Zelt im Rucksack?
Ich hasse zelten! Abends wollte ich nicht auch noch ein Zelt aufbauen, mir selbst ein Essen kochen müssen und das alles mitschleppen. Ich wollte eine Matratze haben und ein Dach über dem Kopf. Eine Unterkunft zu finden, war mal einfacher, mal schwieriger. Ich bin nicht wählerisch, habe genommen, was ich kriegen konnte.
Zum Beispiel ...
...habe ich in einem niederösterreichischen Keller geschlafen und am Dachboden eines slowakischen Theaters. In Ungarn in einer Jurte und in der Türkei auf einer Kommode, die war 40 Zentimeter breit und 160 Zentimer lang. Ich bin 1,89 m groß. Das war die härteste Nacht der Reise.

Das Buch Martin Zinggl ist im Knesebeck Verlag erschienen.
©Knesebeck VerlagWie oft haben Sie daran gedacht, aufzugeben?
Häufig, aber ich konnte mich immer wieder motivieren, weiterzumachen. Und manchmal haben mich andere dazu bewogen, weiterzugehen – etwa ein Balkan-Trio kurz vor der slowakischen Grenze: mit Schnaps, wärmespendendem Lagerfeuer und reichlich Zuspruch.
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