Charmant und modern: Die vielen Gesichter von Tunis
Auf vielen historischen Palästen flattern rote Fahnen im Frühlingswind. Wer den Weg vom Flughafen ins Zentrum von Tunis nimmt, könnte glauben, er sei im Freilichtmuseum einer untergegangenen Welt gelandet. Erst auf den zweiten Blick wird klar: Auf den Fahnen prangen nicht Hammer und Sichel, sondern Halbmond und Stern.
Als Tourist wird man in bestem Französisch angesprochen. Die Tunesier sind zwar stolz darauf, als einzige den arabischen Frühling ohne Rückfall in Chaos und Diktatur in zarter Blüte zu halten. Sie sind aber pragmatisch genug, nicht dort mit ihrer kolonialen Vergangenheit zu brechen, wo sie nützlich ist. Denn: Arabischer Frühling mit französischem Charme, das hat was.
Tunis ist eine Stadt mit vielen Gesichtern, auch die Medina von Tunis präsentiert sich auf zwei Arten. Im jüngst renovierten Teil finden sich frisch eröffnete Riads und historisch-geschmackvoll eingerichtete Restaurants. In jenem Teil der Altstadt, der die Renovierung noch vor sich hat, erinnert der herbe Charme an Szenen aus „Casablanca“. Im legendären „Grand Hotel de France“, das seine besten Zeiten wohl hinter sich hat, logiert man für 20 Euro einfach, aber charmant. In einem der prachtvoll renovierten neuen Hotels, die oft aus zusammengelegten Häusern rund um Innenhöfe konzipiert sind, wie dem „Dar El Jeld“ muss man für eine „Classic Suite“ das achtfache veranschlagen.
Salzseen und Flamingos
Aus dem benachbarten Libyen hagelt es gerade im Stundentakt Nachrichten vom Marsch rivalisierender Truppen auf Tripolis. In den Straßen von Tunis ist davon nichts zu spüren. In den Cafés sitzen – vor dem arabischen Frühling 2010/11 noch undenkbar – auch junge Mädchen, viele davon ohne Kopftuch. Reine Männercafés gibt es zwar nach wie vor, hier finden sich aber ausschließlich ältere Semester ein.
Tunis liegt mehrfach am Wasser. Da sind zum einen die Salzseen, auf denen Heerscharen von Flamingos heimisch sind. Zum anderen die Küstenstreifen des Mittelmeers, das aufgrund der sanften Gezeiten und flachen Strände zum Baden einlädt. Die Hotelstrände sind seit der traumatischen Terrorattacke 2015 im südöstlichen Badeort Sousse bewacht.
Politisch spielen Islamisten in Tunesien aber weiterhin keine tragende Rolle. Das Land prägt nach wie vor eine unternehmer-nahe Partei, deren Wurzeln auf den früheren Alleinherrscher Ben Ali zurückgehen. Tunesien gilt neben Marokko als das politisch stabilstes Land im nördlichen Afrika.
Ein Must für jeden, der seine Sinne für gutes Essen neu eichen will, ist der Zentralmarkt von Tunis . Mit einem Angebot an Meeresfrüchten und Fisch, an ganzen Hammeln und Schnecken, an Orangen, Zitronen und seltenen Gemüsen in einer Vielfalt, die selbst Weitgereiste in Staunen versetzt.
Nicht weit vom Zentralmarkt tut sich ein weiteres Gesicht der Stadt auf – das der prachtvollen Boulevards und Geschäftstrassen. Hier geht es zu einem Wahrzeichen der Stadt, dem Uhrturm. In unmittelbarer Nähe wurden im „Hotel du Lac“ Szenen für Star Wars gedreht. Der Platz beim Uhrturm hieß einst „Platz des 7. November“, benannt nach dem Tag der regelmäßigen Wiederwahl des Langzeit-Alleinherrschers Ben Ali. Heute hört der Platz auf 14. Jänner, dem Jahrestag der Revolution, den Beginn des arabischen Frühlings.
Einladend für einen entspannten Nachmittag ist der Tunis vorgelagerte Jachthafen im Villenviertel Sidi Bou Said. Eine in blau-weiß gehaltene Villa schmiegt sich an die andere. Sehenswert: Das Museum des Baron Rudolph d'Erlanger, der in hier einst alte Instrumente gesammelt hat.
Kulturfrühling
Mit einem außerordentlichen Musikangebot lockt Tunis bereits seit Jahren im Frühjahr. Im Hafen von Karthago kommen Jazzmusiker aus der arabischen Welt und aus Europa für zehn Tage zusammen. Heuer wurde etwa in einer aufgelassenen christlichen Kirche musiziert, auf Einladung der rührigen österreichischen Botschaft gab das heimische Klavier-und-Trompete-Duo Fuss/Leichtfried sein Debüt.
Wem nach versunkenen Kulturen ist, für den lohnt sich die Fahrt nach Oudna, wo in den Vorstädten von Karthago einst zwei Millionen Menschen lebten. Das weitgehend erhaltene Amphitheater gab 16.000 Besuchern Platz. Die unterirdischen Gänge regen die Fantasie an. Aus den vergitterten Verließen nahmen Löwen und andere Wildtiere ihren Weg in die Arena.
Zurück in Tunis erweckt ein Besuch im Bardo-Museum die Ruinen vor den Toren Stadt endgültig zurück ins Leben.
Das lässt sich dann angeregt nachbesprechen im Dar Zaghouan, dem ersten nachhaltigen Restaurant des Landes – bei Lamm, in der Amphore gebratenen Wachteln oder Spießen mit Lamm, Pfefferoni und Leber.
Für Mitbringsel eignet sich ein kleiner Markt mit Waren aus den umliegenden Dörfern. Wer nach soviel Eintauchen in eine neue Welt Bedarf an klassisch touristischen Reizen hat: Auf der Bio-Farm kann man auch Kamel reiten.
Info
Anreise Mehrmals wöchentlich Direktflüge ab Wien mit Tunis-Air ab 156 €. Lufthansa fliegt Tunis mehrmals täglich via Frankfurt und München an. Tickets ab 222 € www.tunisair.com www.austrian.com
Wohnen Im renovierten Teil der Medina laden Riads wie das Dar El Jeld zum Aufenthalt ein. www.dareljeld.com
– Wer zwischen Salzsee-Strand und Meeresküste logieren will ist mit dem Regency gut beraten. www.regencytunis.com
Ausflüge und Kultur Karthago (bei Tunis): Antoniustherme, römische Villen und Punischer Hafen. Hier findet auch jährlich in der ersten Aprilhälfte ein rund zehntägiges Jazzfestival statt. jazzacarthage.com
– Tabarka: Im Sommer gibt es ein Jazzfestival in der Küstenstadt, heuer vom 20.–28.7.2019 www.tabarkajazzfestival.com
– El Jem: Das heurige Sommerfestival der Klassischen Musik (10.7.–12.8.2019) wird vom Wiener Opernballorchester eröffnet. https://festivaleljem.tn
– Thugga: Ausgrabungen aus der Punier- und Römerzeit, Tempel, Thermen und Amphitheater.
– Nationalpark Djebel Zaghouan: Tunesiens erstes nachhaltiges Hotel und Bio-Restaurant Dar Zaghouan mit www.darzaghouane.com
Auskunft www.discovertunisia.at
Kommentare