Steiermark: Angst vor nächster Regenfront

Johann Kupfner steht in dem, was einmal seine Garage war. Und schaufelt Schlamm. "Schaun’s", sagt der Steirer und zeigt hinter das Haus, aus dem Soldaten jetzt Fuhre um Fuhre Dreck räumen. "Da ist ein Schuppen gestanden und das Carport vom Nachbarn. Alles weg. Und wenn jetzt wieder was kommt, dann sind wir die ersten, die es trifft."
Und es könnte tatsächlich wieder "was kommen" nach St. Lorenzen. Am Montag brannte zwar die Sonne auf den verwüsteten Ortsteil von Trieben. Doch für Dienstag ist schon wieder Regen angekündigt. "Natürlich hat man da Angst", sagt Kupfner. Nachbar Günther Schweinberger stimmt zu. "Wir sind zwar eh alle evakuiert. Aber trotzdem, wenn die nächste Welle kommt, trifft’s uns sofort."
Seit St. Lorenzen am Samstag von einer Mure teilweise überrollt wurde, schauen die Betroffenen besorgt auf den Wetterbericht: 240 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Montagnachmittag durften 140 Bewohner des Ortsteiles Schwarzenbach wieder zurück solange es nicht erneut regnet. Denn Bezirkshauptmann Josef Dick kann keine Entwarnung geben. Im Gegenteil: Hänge sind in Bewegung, ein schwer zugänglicher Bachlauf ist noch verlegt. Bevor neuer Regen kommt, sollte er frei gemacht sein, um neuerliche Verklausungen zu verhindern. "Aber die Stellen, in denen das Holz entfernt werden muss, müssen auch erst einmal gesichert sein", sagt Dick. "Wir arbeiten hier ja auch mit Freiwilligen, die können wir nicht planlos reinbringen."
Derweil rücken Pioniere aus Melk an, insgesamt 500 Soldaten sind in St. Lorenzen im Einsatz. Wachtmeister Gabriele Kasper ist bereits seit Samstag im Ort und hilft beim Ausräumen und
Wegschmeißen unbrauchbar gewordener Einrichtung. "Man ist schon sehr betroffen, vor allem, wenn man die Leute hier sieht. Die haben ja alles verloren."
Heinz Gabler etwa: Traktoren, Autos, landwirtschaftliches Gerät – alles weg. 4000 Euro bekommt er von der Versicherung, berichtet Armin Torgler, Schwiegersohn in spe. "Wir haben alles versichert gehabt. Aber man hat uns gesagt, das ist kein Elementarereignis, sondern eine Katastrophe – und da steigt die Versicherung aus."
Versagen
Neben der Dankbarkeit wegen der raschen Hilfe regt sich auch Ärger über vermeintliches Versagen der Behörden. „Jahrzehntelang sagen wir, hier besteht Gefahr. Aber auf uns hat keiner gehört“, behauptet Heinz Gabler. Immer habe es geheißen, Lorenzen sei nicht gefährdet, bestätigt auch Gerhard Siebenbrunner.
Bei der zuständigen Wildbachverbauung versucht man zu relativieren. „Emotional kann ich die Kritik verstehen“, sagt Robert Riemelmoser vom
Landwirtschaftsministerium. „Aber der Lorenzenbach wird seit 1957 ausgebaut, insgesamt sind 16 Millionen Euro in Trieben investiert worden. Wenn unsere Verbauung nicht so gut gewesen wäre, dann wäre ganz Lorenzen weg.“ Einige betroffene Häuser stünden zudem in roten Zonen, also in ausgewiesenen Gefahrengebieten.
Lorenzen ist gesperrt, Polizisten bewachen die Zufahrt. „Auch wegen des Katastrophentourismus“, merkt Bezirkshauptmann Dick an. „Am Wochenende sind Leute gekommen und haben einfach nur geschaut“ – und fotografiert.
Montagabend musste die Phyrnautobahn zwischen Kalwang und Treglwang wegen Felssturzgefahr gesperrt werden. Ein 15 Kubikmeter großer Steinbrocken soll am Dienstag gesprengt werden. Die Autobahn bleibt voraussichtlich bis Nachmittag gesperrt.
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