Wie es nach der Wahl weitergeht

Wie es nach der Wahl weitergeht
Sobotka bleibt Nationalratspräsident. Kurz wird zuerst mit Rendi-Wagner „sondieren“.

Am heutigen Sonntag sind 6.394.201 Personen aufgerufen, einen neuen Nationalrat zu wählen. Es ist die 23. Nationalratswahl seit 1945, in den 74 Jahren seit Kriegsende haben die Österreicher durchschnittlich alle 3,2 Jahre ihr Parlament neu gewählt.

Die aktuell auslaufende Gesetzgebungsperiode dauerte allerdings nur 23 Monate, weil die türkis-blaue Regierung bereits nach 17 Monaten zerbrach. Seit Juni regiert ein Beamtenkabinett.

Dieses wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen am kommenden Dienstag seine Demissionierung anbieten. Van der Bellen wird sie annehmen und die Regierung Bierlein gleichzeitig mit der Fortführung der Geschäfte betrauen, bis es auf Basis des Wahlergebnisses eine neue Bundesregierung gibt.

Aber das wird dauern.

FPÖ akzeptiert Sobotka

Zuerst muss sich der Nationalrat binnen 30 Tagen nach der Wahl neu konstituieren. Das wird am 23. Oktober geschehen. Als stärkste Partei wird die ÖVP erneut Wolfgang Sobotka für die Position des Ersten Nationalratspräsidenten nominieren. Die Wiederwahl scheint ihm – trotz manch hitziger Gefechte im Plenarsaal – sicher.

„Wir haben immer die Kandidaten anderer Parteien akzeptiert, da wird sich nichts daran ändern“, antwortet FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl auf die KURIER-Frage, ob die FPÖ Sobotka erneut zum Nationalratspräsidenten wählt.

„Wild“ ab der 1. Minute

Zum Parlamentsstart kündigt sich ein Kuriosum an: „Wilde“, also Abgeordnete ohne Klubzugehörigkeit, sammeln sich in der Regel erst im Laufe einer Periode an. Diesmal könnte eine Mandatarin bereits ihren Antrittseid als „Wilde“ leisten: Philippa Strache. Wenn Heinz-Christian Strache demnächst aus der Partei ausgeschlossen wird, dürfte ihm die Ehefrau freiwillig ins Exil folgen, glaubt man in der FPÖ.

Philippa Strache wäre nicht die Erste, der das Kunststück gelingt, das Parlament fraktionslos zu betreten. Nach der Nationalratswahl 2013 zog auch schon Monika Lindner als „wilde Mandatarin“ ins Hohe Haus. Sie hatte sich nach nur 48 Stunden als Kandidatin auf der Liste Stronach mit dieser überworfen.

Erstes Ausloten

Parallel zur Konstituierung des Nationalrats, aber auf getrennter Schiene, läuft die Regierungsbildung. Van der Bellen wird kommende Woche mit allen Parteichefs Gespräche führen, um sich ein Bild zu machen.

Die Sondierungen, also ein vertieftes Ausloten von Koalitionsmöglichkeiten, wird ÖVP-Chef Sebastian Kurz übernehmen. Dieser Prozess wird allerdings erst übernächste Woche starten.

Kommende Woche müssen die Parteien zuerst einmal intern die Folgen aus ihrem jeweiligen Wahlergebnis klären: Tritt ein Spitzenkandidat zurück? Sieht sich eine Partei in die Opposition berufen? Ist eine Partei überhaupt handlungsfähig und somit regierungsverhandlungsfähig?

Die Spitzengremien von SPÖ und Neos tagen am Montag. Bei den Grünen kommt der Bundesvorstand erst Mitte der Woche zusammen. Die Vorstände von ÖVP und FPÖ treffen sich am Dienstag.

Die Woche darauf lädt dann – sofern das Wahlergebnis den Umfragen entspricht – der Chef der stärksten Partei, Sebastian Kurz, zu Sondierungsgesprächen. Beginnen wird Kurz mit der SPÖ als zweitstärkster Partei.

Keine Obfrau-Debatte bei SPÖ

Laut den jüngsten Entwicklungen ist davon auszugehen, dass Pamela Rendi-Wagner dem ÖVP-Chef als rote Gesprächsführerin gegenüber sitzen wird. Die SPÖ hat sich darauf eingeschworen, keine Obfrau-Debatte zu führen. Der blaue Spesenskandal könnte der SPÖ helfen, ihre Absicht auch umzusetzen.

Die SPÖ wird wohl ihren zweiten Platz behalten und trotz Verlusten den Abstand zur FPÖ merklich vergrößern. 2017 schnitt die SPÖ um nur 0,9 Prozentpunkte besser als die FPÖ ab.

Auch könnte Rendi-Wagners harsches Auftreten gegenüber Kurz den Abfluss von SPÖ-Wählern zu den Grünen etwas gebremst haben. Das ohnehin angespannte türkis-rote Gesprächsklima hat sie damit aber sicher nicht verbessert.

FPÖ mit sich beschäftigt

Die FPÖ dürfte noch lange mit dem Aufarbeiten ihrer Skandale und dem internen Schmutzwäschewaschen beschäftigt sein. Und wenn gegen Herbert Kickl kein Spesenzettel auftaucht, wird er wohl die dominante Persönlichkeit der FPÖ bleiben – und einer Neuauflage von Türkis-Blau im Wege stehen.

Eine Dreierkoalition aus ÖVP, Grün und Neos wäre nicht nur politisch ein Novum, sondern auch verfassungsrechtlich delikat. Die rot-blaue Opposition hätte nämlich eine Mehrheit im Bundesrat und könnte jedes türkis-grün-pinke Gesetz beeinspruchen. Türkis-Grün-Neos müsste dann im Nationalrat auf dem Gesetz „beharren“ und für jedes Gesetz zwei Monate mehr einplanen.

Eine weitere Finesse: Unsere „schöne Verfassung“ (VdB) sieht keine zwei Vizekanzler vor, sondern nur einen.

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