Was löst die Steiermark-Wahl im Bund aus?

Steirischer SPÖ-Chef Schickhofer (rechts), ÖVP-Landeshauptmann Schützenhöfer.
Streng genommen geht es nur um ein Bundesland und um einen Landtag.
Doch wenn am Sonntag um 16 Uhr in der Steiermark die Wahllokale schließen, geht damit eine Wahl zu Ende, die auch jenseits der Landesgrenzen Relevanz hat.
955.795 Steirerinnen und Steirer entscheiden, wer in den nächsten vier Jahren ihr Bundesland führt.
Und aller Voraussicht nach werden just jene beiden Parteien deutlich zulegen, die auf Bundesebene gerade eine Koalition verhandeln, nämlich ÖVP und Grüne.
Zwischen 33 und 35 Prozent soll die Partei von Hermann Schützenhöfer schaffen – der ÖVP-Chef wird damit Landeshauptmann bleiben und die Volkspartei wieder auf Platz 1 in der Steiermark zurückführen. Zur Erinnerung: 2015 lagen SPÖ, ÖVP und FPÖ mit 29,3 28,5 und 26,8 Prozent noch ganz knapp beisammen.
Die Grünen könnten sich in der Steiermark verdoppeln und mit prognostizierten 13 Prozent deutlich zweistellig werden. Unabhängig davon, ob diese Prognosen genau so eintreten, ist eines aber mehr als wahrscheinlich: Zwei Parteien, nämlich die SPÖ und die FPÖ, werden deutlich verlieren und wälzen schon jetzt Nachwahl-Szenarien.
Wie diese aussehen, das hat der KURIER recherchiert.
Zunächst zur SPÖ: Nach dem bis dahin einmaligen Rückzug von Parteichef Franz Voves (der amtierende Landeshauptmann und SPÖ-Chef verzichtete trotz Platz 1 zugunsten der ÖVP auf den Landeshauptmann) muss Nachfolger Michael Schickhofer mit veritablen Verlusten rechnen. Laut jüngsten Prognosen wird die Sozialdemokratie in der Steiermark von 29,5 auf knapp über 20 Prozent fallen.
Parteiintern – in Wien wie in Graz – hat sich mittlerweile die 23-Prozent-Grenze als spielentscheidend etabliert. Das bedeutet: Verliert Schickhofer weniger als die SPÖ bei der Nationalratswahl und bleibt er über der 23-Prozent-Marke, wird er sich vorerst weiter an der Parteispitze der steirischen Roten halten. Wird das Minus ein größeres, gilt es in allen Flügeln allerdings als unausweichlich, dass Schickhofer das Feld räumen muss.
Selbst bei vertraulichen Gesprächen wissen die Funktionäre aus Graz keine eindeutige Antwort, wie es dann weitergeht. Doch sollte es zu einem Rücktritt Schickhofers kommen, werden Landesrat Anton Lang vielfach die besten Chancen eingeräumt.
Lang hat gute Kontakte in alle Teilorganisationen, also zur Frauen-Organisation ebenso wie zur Gewerkschaft.
Er gilt ob seines Lebensalters als jemand, der entspannt agieren kann, weil er nichts mehr werden muss. Vor allem aber kommt der Leobener aus jener Region, der in der Landespartei das größte Gewicht zugebilligt wird, nämlich der Obersteiermark.
Außenseiter-Chancen
Außenseiter-Chancen haben bei einer Führungsdebatte der langjährige SPÖ-Sozialsprecher und Bau-Holz-Gewerkschaftsboss Beppo Muchitsch sowie der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried.
Nach dem Desaster bei der Nationalratswahl Ende September gilt manchen Genossen der steirische Wahlsonntag als ein möglicher Stichtag für Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner. Aber ist dem tatsächlich so? Wackelt Rendi-Wagner, wenn Schickhofer abschmiert?
KURIER-Recherchen in Wien und Graz deuten vorerst nicht darauf hin, dass ein Wahlfiasko auch für die Bundesparteichefin unmittelbare Folgen hätte.
Dafür gibt es mehrere Gründe: Die von einflussreichen Funktionären seit geraumer Zeit und sehr offen geäußerte Skepsis in Richtung der Parteichefin ist – noch – nicht organisiert.
Anders gesagt: Die Kritiker von Rendi-Wagner wälzen zwar mehr oder weniger konkrete Nachfolge-Szenarien. Es fehlen ihnen aber ein Gravitationszentrum und ein tauglicher Nachfolgekandidat oder eine -kandidatin.
Erschwerend hinzu kommt: Christian Kerns Abgang hat die Partei in eine Schockstarre versetzt, und in dieser Situation war Rendi-Wagner die Einzige, die bereit war, die Verantwortung zu übernehmen.
Sie wegen einer verlorenen Landtagswahl nach exakt einem Jahr aus dem Amt zu jagen, wäre für viele Genossen nun ein Akt der gelebten Nicht-Solidarität. So heißt es in der Wiener Löwelstraße – aber nicht nur dort.
Gemeinsam mit der Tatsache, dass sich Rendi-Wagner den Ruf einer ehrgeizigen und leidensfähigen Frontfrau erarbeitet hat, spricht vieles dafür, dass sie selbst nach einer desaströsen Steiermark-Wahl an der Spitze bleibt.
Was könnte nun bei der FPÖ, also bei der zweiten größeren Partei, passieren, die mit großer Sicherheit mit herben Verlusten wird rechnen müssen?
Der steirische Spitzenkandidat Mario Kunasek hat sich vergleichsweise wenig vorzuwerfen: Bereits als er noch Verteidigungsminister war, stand Kunasek im Verdacht, viel mehr Zeit in der Steiermark als in Wien und beim Militär zu verbringen. Er sei ständig am Wahlkämpfen, hieß es in der FPÖ. Und das schon lange bevor das Ibiza-Video Koalition und FPÖ durcheinanderwarf.
Morgen, Sonntag, müssen die steirischen Freiheitlichen jedenfalls mit einem deutlichen Dämpfer rechnen. Und das ist nicht zuletzt der Themenlage geschuldet. Fast täglich muss die FPÖ im Bund und in der Steiermark auf Negativschlagzeilen reagieren: Nach Ibiza und der Spesen-Affäre des gefallenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache ist man in Erklärungsnot bei der Casinos-Affäre und bezüglich der in einem Osttiroler Bauernhaus gehorteten Goldbarren.
Sollten Kunasek und die FPÖ unter die 20-Prozent-Grenze fallen, haben sie immer noch die Erklärung parat, dass man bei der Landtagswahl 2015 ja 16 (!) Prozentpunkte zugelegt hat.
Für Mario Kunasek heißt das aller Voraussicht nach: Er kann in dem Job bleiben, der ihm immer mehr Spaß gemacht hat als das Minister-Dasein, nämlich: steirischer FPÖ-Boss.
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