Sollen Privatpersonen grundsätzlich Schusswaffen besitzen? Nein, antwortete am Sonntag der frühere Vizekanzler Werner Kogler. Vor dem Hintergrund des Grazer Amoklaufs wiederholte der Bundessprecher der Grünen die Forderung nach einem Paradigmenwechsel. Freiheit bestehe in Österreich nicht darin, Waffen zu besitzen, sondern in einer Gesellschaft zu leben, in der Privatpersonen nur dann legal Waffen besitzen, wenn dafür auch plausible Gründe vorliegen - etwa, man ist Jäger oder Sportschütze.
Für den Rechtsanwalt und Waffenrechtsexperten Raoul Wagner ist diese Haltung nicht nur unplausibel, sondern sogar grundrechtswidrig. „In allen entwickelten Demokratien der Welt ist das Recht, eine Waffe zu besitzen, fest verankert.“ Der legale Waffenbesitz sei Ausdruck einer freien Gesellschaft, in der die Bürger das Recht haben sich zu wehren. „Das unterscheidet sie von der Sklaverei“, sagt Wagner zum KURIER. Bei Home Invasions und Einbrüchen sei es nachgerade geboten, dass man sein Eigenheim und sich selbst schützen dürfe. „Mein eigener Nachbar hat mit einem Warnschuss einen Einbrecher verjagt.“
Aber was ist mit dem Argument, dass man in Extrem-Situationen oft falsch reagiert? Und überhaupt: Ist es nicht immer unverhältnismäßig, wenn man möglicherweise gar nicht bewaffnete Einbrecher an- oder erschießt?
Der Waffenrechtsexperte antwortet mit dem Notwehrrecht. „Dieses ist in Österreich sehr klug und vernünftig ausgestaltet. Ich muss mich als Bedrohter nicht auf einen Kampf einlassen, dessen Ausgang völlig unklar ist.“
Das bedeute: Wer nachts im Wohnzimmer zwei Fremden gegenübersteht, darf einen drohenden Angriff sofort und endgültig abwehren. „Ich habe das Recht mich zu wehren“, sagt Wagner. Und da Einbrecher bisweilen ausnehmend brutal seien und es bei „Home Invasions“ immer wieder zum Äußersten komme, sei es im privaten Bereich rechtlich klar, dass man Angreifer im Notfall abwehren dürfe.
Bemerkenswert ist, dass Wagner bei den Voraussetzungen, wer Waffen besitzen darf, sehr wohl Änderungs- und Verbesserungsbedarf sieht.
„Im Prinzip ist es ganz einfach: Bei Menschen, bei denen klar ist, dass sie keine Waffe bedienen sollten, müssen wir genauer hinsehen und auch reagieren.“ Das unterscheide Europa auch von den USA. „Hier haben Menschen, die psychisch auffällig sind, die Chance, Hilfe zu bekommen. Das müssen wir gerade bei Fragen des Waffenbesitzes möglicherweise noch ausbauen.“
Jedenfalls plädiert Wagner dafür, dass das Bundesheer und auch die Krankenanstalten und Sozialversicherungen beim Kauf einer Waffe Auskunft darüber geben dürfen, ob der psychische Zustand eines Staatsbürgers gegen einen Waffenkauf spricht.
Wie berichtet, war der Grazer Attentäter vom Bundesheer für untauglich und damit ungeeignet erkannt worden, eine Waffe zu bedienen; wenig später hat ein privater Gutachter ihn trotzdem für den Waffenkauf freigegeben. Das müsse geändert werden, sagt Wagner. „Österreichs Datenschutz ist tödlich.“
Ob die für Waffenkäufe vorgesehenen Psycho-Testungen - wie von Kanzler Christian Stocker am Samstag angedeutet - qualitativ nicht auf der Höhe der Zeit sind, will Wagner zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten. „Seriös wäre, wenn wir uns genau ansehen, ob die hohen Qualitätsstandards, die seit 1997 in diesem Bereich gelten, im konkreten Fall auch eingehalten worden sind. Wenn ein Lkw mit einem gültigen Pickerl ein Bremsversagen erleidet und einen tödlichen Unfall verursacht, stellen wir nicht die Prüfung infrage, sondern sehen zuerst nach, ob die Begutachtung ordentlich gemacht worden ist.“ Das sei im konkreten Fall zumindest zu hinterfragen.
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