Fakt ist: Laut einer Aufzeichnung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts „Sipri“ hat Österreich in den Jahren 2011 bis 2021 allein 210 militärische Großgeräte (gepanzerte Fahrzeuge, Flugzeuge, Artillerie, etc.) an rund 30 ausländische Staaten geliefert; Gewehre oder beim Militär verwendete Faustfeuerwaffen sind in dieser Statistik noch gar nicht enthalten.
Grundsätzlich müssen sich Rüstungsunternehmen bei Exporten – abhängig vom jeweiligen Waffensystem – einem Genehmigungsverfahren mit dem Außen-, Wirtschafts- oder Innenministerium stellen. Kriegsmaterial wie Panzer oder Granaten sind Sache des Innenministeriums, andere Militärgüter ressortieren beim Wirtschaftsministerium.
Genau hier ortet Herr zwei wesentliche Probleme: Das eine besteht darin, dass die Prüfung dieser Waffenexporte offenkundig nicht streng genug erfolgt. "Österreich liefert in Länder, die in Kriege verwickelt sind bzw. die die Menschenrechte nicht achten. Beides ist inakzeptabel und wider die Neutralität", sagt Herr.
Der andere Aspekt ist fehlende Transparenz: "Es ist unzumutbar, dass Bürger und Parlamentarier nicht wissen können oder dürfen, wohin und mit welcher Begründung Österreich Kriegswaffen exportiert." So gäbe es zwar eine entsprechende Auflistung der exportierenden Firmen und Waffen in den Ministerien. Diese Liste sei aber de facto geheim. "Das muss sich ändern."
Was wäre eine Lösung? Analog zur Bundesrepublik Deutschland fordert die SPÖ einen jährlichen Expertenbericht über Kriegsmaterial und Militärgüter. In dieser öffentlichen Darstellung sollte detailliert dargestellt werden, welche Rüstungsmaterialien von welchen Unternehmen an welche Staaten verkauft bzw. geliefert werden – und wie hoch die jeweilige Auftragssumme ist.
Zusätzlich solle es eine schriftliche Begründung der Ausführungsbewilligung geben, damit klar ist: Wie wird der einzelne Rüstungsexport politisch und sachlich argumentiert?
In Deutschland veröffentlicht die Regierung derartige Rüstungsexportberichte seit dem Jahr 1999. Und auch die neutrale Schweiz publiziert standardmäßig öffentliche Berichte über die Ausfuhr von Kriegsmaterial.
Die Frage der Waffen-Exporte ist für Herr eine Rückkehr zu einem alten Thema: Noch als SJ-Chefin hat sie die Frage von Waffen-Exporten hinterfragt, weil diese in ein bis heute zentrales, mindestens ebenso emotionales Thema hineinstrahlen, nämlich: die Migrationsfrage.
Der Grund ist folgender: "Wer sich mit der Frage von Flucht-Ursachen beschäftigt, muss wissen, welche Länder mit Waffenlieferungen Konflikte schüren", sagt Herr. "Und als neutraler Staat, der (in Konflikten, Anm.) eine Vermittlerrolle einnehmen könnte, muss Österreich besonders streng bei der Lieferung von Waffen sein."
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