Es liegt in der Natur der Sache, dass Rami als Rechtsanwalt in der Öffentlichkeit parteiisch auftritt.
Genau das „beißt“ sich mit seiner Rolle als Höchstrichter. Diese wären im Selbstverständnis des VfGH in der Öffentlichkeit mit maximaler Zurückhaltung verbunden. „Dabei ist der VfGH allerdings auf die natürliche Einsichtsfähigkeit der Einzelnen angewiesen“, sagt Bezemek – und genau hier hakt es.
Denn was die Zurückhaltung angeht, sieht VfGH-Präsident Grabenwarter bei seinem Kollegen offensichtlich noch Luft nach oben. Zur Kleinen Zeitung sagte er, man habe „mehrfach versucht, den Kollegen Rami zu mehr öffentlicher Zurückhaltung in der Ausübung des Anwaltsberufs zu bewegen“. Er hegt die Hoffnung, „dass dies nicht ohne Wirkung bleiben wird“.
Zur Rechtslage ist zu sagen: Rein grundsätzlich dürfen Universitätsprofessoren, Rechtsanwälte und Richter weiter ihren Beruf ausüben, wenn sie als Richter in den VfGH berufen werden.
Die Problematik dieses „Doppeljobs“ trifft längst nicht nur Michael Rami.
Auch die Arbeitsrechtsexpertin Sieglinde Gahleitner oder der Rechtsanwalt Christoph Herbst gehören als Richter dem VfGH an und arbeiten weiter in ihren angestammten Berufen.
Rechtsanwalt Werner Suppan ist nicht nur VfGH-Ersatzmitglied, sondern vertritt beispielsweise auch mehrere ÖVP-Politiker in Causen, die – etwa im Zuge des U-Ausschusses – schon vor dem VfGH gelandet sind oder künftig noch dort landen könnten.
Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hätte kein Problem damit, die Nebentätigkeiten von Verfassungsrichtern zu hinterfragen. Und auch Oppositionsparteien wie die Neos sprechen sich für eine „ergebnis-offene Debatte“ aus. Immerhin seien die Aufgaben des Höchstgerichts nicht mit denen zu vergleichen, die die Institution in den 1920ern hatte.
Einer der Gründe, warum die Nebentätigkeit von VfGH-Richtern bislang oft angesprochen aber nicht geändert wurde, ist der, dass eine Reform bzw. ein Verbot der Zweitjobs eine ganze Fülle an weiteren Rechtsfragen aufwerfen würde.
Dazu gehört beispielsweise das Thema der Gutachter-Tätigkeit: Derzeit ist es nicht nur möglich, sondern durchaus Praxis, dass VfGH-Richter zu grund- und verfassungsrechtlichen Fragen bezahlte Gutachten verfassen.
Soll man ihnen auch diese Gutachter-Tätigkeit verbieten? Und was ist mit der Lehrtätigkeit an Unis? In Deutschland dürfen Verfassungsrichter immerhin an Hochschulen unterrichten. Und noch eine Frage stellt sich: Was ist mit der Arbeitsweise? Zur Erklärung: Derzeit tagt der VfGH in „Sessionen“. Das bedeutet: Der Verfassungsgerichtshof trifft sich nur vier Mal im Jahr für die Dauer von jeweils dreieinhalb Wochen. Ohne Nebentätigkeiten könnten die VfGH-Richter einfach in Permanenz tagen – aber sollen sie das?
Verfassungsexperte Christoph Bezemek mahnt zu einer umfassenden, aber maßvollen Debatte. „Man darf nicht übersehen: Prinzipiell funktioniert die Verfassungsgerichtsbarkeit sehr gut und genießt hohes Ansehen. Das sollte man nicht gefährden.“
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