Chefjurist: "Mir fehlten Zeit und Informationen"

Die Finanzprokuratur ist die Anwaltskanzlei der Republik. Deren Chef, Wolfgang Peschorn, beriet die Regierung juristisch bei der Verstaatlichung der Hypo im Dezember 2009.
Eines der Hauptargumente für die Verstaatlichung der Hypo lautet, die Landeshaftungen Kärntens wären im Fall der Bankinsolvenz sofort schlagend geworden. So steht es im Kärntner Landesholdinggesetz unter Berufung auf das ABGB. So steht es im Griss-Bericht. Und so steht es in den Unterlagen, die Peschorn damals für Finanzminister Josef Pröll und Kanzler Werner Faymann erstellte. Bei Insolvenz wird die Landeshaftung „sofort schlagend“, steht darin.
Im Untersuchungsausschuss sagt Peschorn: Laut Judikatur des Obersten Gerichtshofs werden die Haftungen sofort fällig, allerdings dann nicht, wenn zwischen dem Hauptschuldner, und den Gläubigern etwas anderes vereinbart wurde.
"Miese Beratung"
Auf Abgeordnetenfragen, ob er die Verträge der Hypo mit den Gläubigern geprüft habe, sagt Peschorn: „Es fehlte die Zeit.“ Und: „Diese Verträge hat uns die Bank nicht vorgelegt.“ TS-Abgeordneter Robert Lugar: „Sie haben also entschieden, etwas in die Unterlagen für die Verhandler zu schreiben, was sie nicht geprüft haben?“ Peschorn: „Man kann nicht alle Fragen abschließend beantworten. Wir haben einem Genüge getan: Wir haben die Verhandler aufmerksam gemacht, wo die Risiken sind.“ Lugar: „Das ist eine miese Beratung. Sie suggerieren, dass die Haftungen sofort schlagend werden, ohne es zu wissen.“ Peschorn: „Nehmen Sie die miese Beratung zurück!“ Lugar: „Ich sehe nicht, warum.“
Aus der Befragung geht hervor, dass der Zeitpunkt des Schlagendwerdens der Landeshaftungen bis heute nicht ausrecherchiert ist.
Die zentrale Bedeutung dieser Rechtsfrage: Die Politik sagt, sie fühlte sich wegen des sofortigen Schlagend-werdens von damals 19 Milliarden Landeshaftungen in den Verhandlungen mit den Bayern erpressbar. Wenn aber die Haftungen nur sukzessive schlagend würden, wären zwischen Jänner 2010 und März 2015 (Beginn des Zahlungsmoratoriums), also in einer Zeitspanne von fünf Jahren, nur acht Milliarden fällig geworden (elf Milliarden sind bekanntlich immer noch offen).
Rolle der Nationalbank
Hier geht es um jene Milliarden, über die sich Österreich mit Bayern kürzlich verglichen hat. 2009 steckten rund fünf Milliarden Bayern-geld in der Hypo. Peschorn sagt, es sei damals geprüft worden, ob Österreich dieses Geld als Eigenkapital deklarieren und in der Hypo einbehalten könne. Ergebnis der Prüfung: Die rechtlichen Voraussetzungen fehlten. Die Bank hätte im Jahr 2008, als die Bayern das Geld in die Hypo hineinsteckten, ökonomisch an der Kippe stehen müssen (zahlungsunfähig etc). Da die Nationalbank die Hypo jedoch als „not distressed“ (nicht Not leidend) befundet hatte, griff das Eigenkapitalgesetz nicht.
Dass Österreich im Abtausch für 300 Millionen Cash auf eine Gewährleistung verzichtete, verteidigt Peschorn. Die Nationalbank habe am 7. Dezember 2009 mitgeteilt, die Hypo sei mit 1,5 bis 2,1 Milliarden sanierbar. Mit den 300 Millionen sei der Bayernbeitrag auf 850 Millionen gestiegen – angesichts des von der Nationalbank genannten Kapitalbedarfs „eine durchaus vertretbare Summe“, so Peschorn.
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