U-Ausschuss: Aufklärung oder reine Polit-Show?

Seine Aussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss brachten Ex-Kanzler Sebastian Kurz 2023 vor Gericht.
Ob die ungewöhnliche Themenwahl eine gezielte Provokation ist oder Ergebnis FPÖ-interner Unstimmigkeiten wird sich wohl nie restlos klären lassen. Jedenfalls sorgt der von der FPÖ geplante U-Ausschuss zum Thema „ÖVP-Machtmissbrauch“ bereits vor seinem Start für Kontroversen. Wollen doch die Blauen darin gleich zwei Themen beleuchten, die selbst bei wohlwollender Betrachtung nur sehr wenig miteinander zu tun haben: Die Ermittlungen in der Causa des verstorbenen Justizbeamten Christian Pilnacek und die Corona-Maßnahmen der Regierung.
Wobei nicht wenige der bisher 29 U-Ausschüsse der Zweiten Republik von ähnlichen Debatten und parteipolitischen Schlammschlachten begleitet waren. Etwa der erst im Oktober zu Ende gegangene zum „rot-blauen Machtmissbrauch“, in dem viele nichts weiter als ein parteipolitisches Manöver der ÖVP sahen.
Demgegenüber bleiben Erkenntnisgewinne und Konsequenzen aus U-Ausschüssen oft überschaubar – sieht man von spektakulären indirekten Folgen wie das Strafverfahren gegen Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wegen Falschaussage im Ibiza U-Ausschuss ab.

Peter Pilz und Heinz Christian Strache im U-Ausschuss zum Eurofighter-Kauf, deren es zwischen 2006 und 2019 drei gab.
Unerlässliches Instrument
Für den Politologen Peter Filzmaier sind U-Ausschüsse dennoch ein „sinnvolles, unerlässliches Kontrollinstrument“. Es gebe kein Wirksameres, das dem Parlament zur Verfügung stehe. Das Problem sei vielmehr die falsche Erwartungshaltung der Öffentlichkeit: „Auch wenn es Benennungen wie ,Machtmissbrauch‘ suggerieren: Sie sind keine Gerichtsverfahren, bei denen es um die Klärung strafrechtlicher Verstöße geht. Vielmehr geht es rein um die Beleuchtung von Verwaltungshandlungen der Regierung.“
Rot-blauer Machtmissbrauch: Der Ausschuss wurde auf Verlangen der ÖVP
eingesetzt und dauerte von Dezember 2023 bis Juli 2024. Inhaltlich ging es um die sachfremde Verwendung von Steuergeldern.
Cofag: Initiiert von SPÖ und FPÖ, lief er im selben Zeitraum. Untersucht wurde eine mögliche Bevorzugung ÖVP-naher Milliardäre bei der Auszahlung von Covid-Fördergeldern. Dies bestätigte sich nicht. Sehr wohl wurden aber strukturelle Ineffizienzen aufgezeigt.
ÖVP-Korruption: Er wurde von SPÖ, FPÖ und Neos gestartet und untersuchte zwischen Dezember 2021 und April 2023 unter anderem die Umfragen- und Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz und weitere ÖVP-Spitzenpolitiker.
Ibiza: Nach dem Ibiza-Skandal rund um den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde auf Verlangen von SPÖ und Neos zwischen Jänner 2020 und September 2021 die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung untersucht. Wegen einer in diesem U-Ausschuss getätigten Falschaussage musste sich Ex-Kanzler Kurz vor Gericht verantworten.
Ein weiteres Problem ortet der Politologe darin, wie U-Ausschüsse als „parteipolitische Show“ missbraucht würden. „Bis hin zu WC-Pausen, die einzelne Abgeordnete für scheinbar spontane Mini-Pressekonferenzen verwenden.“
Mit dem aktuellen FPÖ-U-Ausschuss nehmen die Debatten über eine Reform dieses Kontrollinstruments wieder an Fahrt auf. Etwa über eine Live-Übertragung der Sitzungen. „Früher war ich skeptisch, weil sie dadurch noch wohl mehr für parteipolitische Inszenierung missbraucht werden können“, so der Experte. Heute überwiegen aber für ihn die Vorteile: „Die Bürger können sich selbst ein Bild von den Sitzungen machen, ohne auf Nacherzählungen angewiesen zu sein.“
Vorsitz-Frage
Leidenschaftliche Debatten gibt es auch um den Vorsitz, der in der Hand des Nationalratspräsidenten liegt. Zuletzt war Wolfgang Sobotka (ÖVP) in dieser Funktion parteipolitische Befangenheit vorgeworfen worden. Weshalb immer wieder der Ruf laut wird, den Vorsitz Richtern zu übergeben. Filzmaier hat Bedenken: „Der U-Ausschuss ist ein Instrument der Volksvertretung. Die Übertragung des Vorsitzes an einen Richter würde die Gewaltenteilung durchbrechen. Damit würde man die Büchse der Pandora öffnen.“ Zudem würde erst recht wieder der Eindruck entstehen, beim U-Ausschuss handle es sich um einen Gerichtsprozess.
Potenzial sieht Filzmaier hingegen bei der Ladung der Auskunftspersonen: „Es sollten eigentlich jene aussagen, von denen der größte Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Das müssen nicht zwangsläufig hochrangige Politiker sein. Dennoch hat es sich zuletzt eingebürgert, vorzugsweise das Who is Who der heimischen Innenpolitik vorzuladen.“
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