Sozialversicherung: SPÖ bringt Verfassungsklage ein

Sozialversicherung: SPÖ bringt Verfassungsklage ein
Die Eingriffe in die Selbstverwaltung sind für die Roten viel zu weitgehend, aber auch andere Punkte werden scharf kritisiert.

Die SPÖ bringt am Montag die lange erwartete Verfassungsklage gegen die Kassenreform der Bundesregierung ein. Am Freitag wurden die Details der Klage den Medien vorgestellt. Die Eingriffe in die Selbstverwaltung sind für die Roten viel zu weitgehend, aber auch andere Punkte werden scharf kritisiert und entsprechend beklagt - etwa die künftige Prüfung der SV-Beiträge durch die weisungsgebundene Finanz und nicht mehr durch die Kassen selbst. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hofft auf eine möglichst rasche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, um den Schaden für die Versicherten und das Gesundheitssystem möglichst gering zu halten.

SPÖ bringt Klage gegen die Kassenreform ein

Zum Prozedere erläuterte der frühere VfGH-Richter Rudolf Müller, dass die Regierung acht Wochen Zeit habe für eine Gegenstellungnahme an den VfGH. Theoretisch könnte damit bereits in der Juni-Session eine Entscheidung fallen, für wahrscheinlicher hält er es aber, dass dies erst im Herbst oder in der Dezember-Session geschehen werde. Das Verfahren könnte sich aber auch über mehrere Sessionen ziehen. Angekündigt wurde auch bereits eine mündliche Verhandlung. Müller geht auch davon aus, dass der SPÖ-Antrag mit anderen, bereits angekündigten Anträgen gemeinsam beraten und entschieden wird.

Widerspruch gegen Effizienzgebot?

Als Punkt, der seiner Ansicht nach verfassungswidrig ist, führte Müller an, dass die Kassenfusion dem Effizienzgebot widerspreche. Es gebe keinen Grund für die Fusion, keinen Missstand, sie bringe nichts. Betriebswirtschaftlich spreche alles dagegen, es bestehe aber die Gefahr ein gut funktionierende System zu zerschlagen.

Die vorgesehenen Eignungstest für die Versichertenvertreter, von denen Prüfungen im Sozialversicherungs- und Haushaltsrecht verlangt werden, widersprechen den demokratischen Grundsätzen, meinte der Experte. Das wäre so, als würde man von Abgeordneten eine Staatsprüfung in Verwaltungs- oder Verfassungsrecht verlangen. Die Zahl der passiv Wahlberechtigten werde damit eingeschränkt.

Für nicht verfassungskonform hält Müller auch die Parität zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern in den Gremien. In der Krankenversicherung der Unselbstständigen seien die Dienstgeber Außenstehende, sie zahlen auch nur 28,9 Prozent ein. "Auf die Idee der Parität ist noch niemand gekommen." Zudem hält es Müller für erstaunlich, dass im Überleitungsgremium und dann im ersten Halbjahr 2020 im Verwaltungsrat ein Dienstgeber den Vorsitz führt.

Eingriff in Selbstverwaltung

Verfassungswidrig ist für den Experten vor allem der Eingriff in die Selbstverwaltung. Die Ministerin könne in fast alle Geschäfte eingreifen. Der am Freitag bekannt gewordene Fall, dass in der AUVA das Ministerium als Aufsichtsbehörde die Gehaltserhöhung für OP- und Gipsassistenten nicht genehmigt hat, werde künftig Gang und Gäbe. Außerdem könnten etwa Verträge mit Ärzten aufgehoben werden. Auch die Übertragung der Beitragsprüfung an die Finanzämter sei ein Eingriff in die Selbstverwaltung und damit verfassungswidrig.

Als weiteren Punkt nannte Müller, dass der Hauptverband "zu einem U-Hackerl zusammengedreht" werde. Weil die Vertreter der sieben Millin ÖGK-Versicherten überstimmt werden können, könnten etwa leicht Selbstbehalte gegen den Willen der Dienstnehmer eingeführt werden, befürchtet die SPÖ in ihrer Klage. Schließlich hält es Müller auch für arbeitsrechtlich fraglich, ob Dienstnehmer etwa von den Krankenkassen zum Prüfdienst der Finanzämter zwangsweise versetzt werden können.

"Nicht so harmlos"

Für den früheren Verfassungsrichter ist die ganze Angelegenheit jedenfalls nicht so harmlos, wie sie manchmal dargestellt werde. Wenn die Klage nicht durchgehen sollte, hätte das wohl auch Auswirkungen auf die Selbstverwaltung in anderen Bereichen.

Rendi-Wagner warf der Bundesregierung vor, zumindest in drei großen Bereichen ihre Versprechen gebrochen zu haben. Statt der versprochenen schlankeren Strukturen werde durch die ÖGK eine zusätzliche Verwaltungsebene und damit ein "Verwaltungsmoloch" geschaffen. 48 neue gehobene Positionen gebe es zusätzlich. Statt der versprochenen gleichen Leistungen für alle gebe es künftig eine Drei-Klassen-Medizin, in der die Arbeitnehmer die schlechtesten Leistungen bekämen. Und auch die versprochene zusätzliche Patientenmilliarde werde es nach Einschätzung verschiedener Experten nicht geben. Die SPÖ-Vorsitzende hält es für "brandgefährlich", dass ein gut funktionierendes Gesundheitssystem aufs Spiel gesetzt werde.

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