Sommerschlaf? Herbert Kickl ist präsenter, als man glaubt

TAG DER ARBEIT: 1.-MAI-KUNDGEBUNG DER FPÖ / KICKL
Der Vorwurf der mangelnden medialen Präsenz stimmt für die blaue Blase so nicht.

Als der FPÖ-Chef vor wenigen Tagen die Budgetpläne der Dreierkoalition kritisierte, reagierte August Wöginger mit verblüffender Härte. „Der lange Sommerschlaf des Herbert Kickl dürfte seinem Erinnerungsvermögen nicht zuträglich gewesen sein“, höhnte der Klubchef der ÖVP. Die Botschaft, die Wöginger und weite Teile seiner Partei seit Tagen zu streuen versuchen, ist diese: Kickl war im Sommer auf Tauchstation; und: Er steht nicht einmal zu jenen Inhalten, die Anfang des Jahres bei den Koalitionsgesprächen mit der ÖVP paktiert wurden.

Spätestens seit Montagabend ist der Vorwurf, Kickl sei kaum präsent, überholt – der FPÖ-Chef war Gast im ORF-„Sommergespräch“.

Doch auch unabhängig davon ist die These vom „faulen FPÖ-Chef“ angreifbar. „Die Behauptung, Herbert Kickl sei im Sommer besonders ruhig gewesen, ist objektiv nicht haltbar“, sagt Politikanalyst Thomas Hofer zum KURIER.

Ja, Kickl sei in kritischen Medien kaum präsent. „Nach innen bedient die FPÖ aber all ihre Kanäle sehr intensiv.“ Soll heißen: Auf parteinahen oder eigenen Accounts im Internet, auf Youtube, in FPÖ-TV oder auf Instagram, bedient die stimmenstärkste Partei des Nationalrats sehr wohl ihre Sympathisanten.

„Wir gegen das System“

Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP im Winter lautet die inhaltliche Klammer, die fast alles zusammenhält: „Wir gegen das System.“ 

Und in dieses Themenfeld passt sehr viel: der Pilnacek-U-Ausschuss genauso wie die Anfrage-Lawinen vor allem an ÖVP-geführte Ministerien.

Der Umstand, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl zwar Platz 1 geschafft, den Einzug ins Kanzleramt aber verpasst hat, ist eine in der FPÖ zwar präsente, aber – noch – nicht zentrale Thematik. Noch wird Herbert Kickl intern nicht offensiv vorgeworfen, die Koalitionsbeteiligung vergeigt zu haben. „Er kann auf das abschreckende Beispiel eines Alfred Gusenbauer verweisen“, sagt Hofer. „Gusenbauer hat zwei zentrale Versprechen seines Wahlkampfes gebrochen – und musste ziemlich schnell wieder aus dem Kanzleramt abziehen.“

Sympathien

Die wohl größte Achillesferse des freiheitlichen Parteichefs bleiben wohl seine persönlichen Sympathiewerte: Mit minus 38 Punkten beim Saldo aus „Vertrauen / kein Vertrauen“ ist Herbert Kickl auch im September 2025 der mit Abstand unbeliebteste Politiker Österreichs. „Strategisch“, sagt Hofer, „könnte man sich als FPÖ dem widmen.“ Denn Amtsinhaber Christian Stocker zum Beispiel schafft bei der Frage nach dem persönlichen Vertrauen zumindest eine schwarze Null.

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