Scharfe Kritik der Opposition an Kurz' "Achse der Willigen"

Scharfe Kritik der Opposition an Kurz' "Achse der Willigen"
Nach EU-Erklärung des Bundeskanzlers im Nationalrat erklärte Liste-Pilz-Klubobmann Rossmann, Achsenbegriff erinnere an NS-Zeit.

Die Opposition hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach seiner EU-Erklärung im Nationalrat davor gewarnt, Europa zu spalten. Einhellig kritisierten SPÖ-Klubchef Christian Kern, NEOS-Chef Matthias Strolz und der Klubobmann der Liste Pilz, Bruno Rossmann, auch dessen angekündigte "Achse der Willigen" in der Migrationspolitik.

SPÖ-Klubchef Christian Kern sieht Europa an einem "Wendepunkt" und sowohl von innen als auch von außen herausgefordert - etwa durch die expansionistische Politik Chinas und den mangelnden Respekt des US-Präsidenten Donald Trump. "Es gibt nur eine einzige Antwort, die wir 'America First' gegenüberzustellen haben und die lautet 'Europe United'", sagte Kern: "Es ist ein patriotischer Akt der Heimatliebe, Europa zu stärken." Daher solle Kurz eine "Achse der Willigen" mit Merkel, Macron und Sanches bilden und nicht mit den Orbans, forderte Kern.

Außerdem vermisst Kern eine Antwort auf die Frage, was die Regierung unter dem Schlagwort der "Subsidiarität" denn nun wirklich in nationale Kompetenz zurückholen möchte. Auf eine Anfrageserie der SPÖ habe die Regierung nämlich keine Antwort gegeben. Die großen Herausforderungen seien nicht innerhalb der Grenzen eines Landes zu bewältigen, so Kern.

NEOS-Chef Matthias Strolz beklagte, dass Europa mit den USA vorerst seinen wichtigsten Verbündeten verloren habe und gleichzeitig von Russland und China bedroht werde. Auch er appellierte an Kurz, sich innerhalb Europas andere Allianzpartner zu suchen. "Diese Achse von Salvini bis Seehofer, mit der kann man Wahlen gewinnen, aber mit der kann man Europa keine Seele geben", sagte Strolz. Für die EU-Präsidentschaft erwartet er nichts Gutes: "Ich habe an den handwerklichen Fähigkeiten von Sebastian Kurz nie gezweifelt, das ist ganz großes Kino. Ich zweifle aber an seiner Vision und den Zielen. Ich halte das für seelenlose Politik, die Sie vorantreiben."

Rossmann erinnert an Hitler-Mussolini-Pakt

Liste Pilz-Klubchef Bruno Rossmann vermisst im Programm der Regierung für die EU-Präsidentschaft den Kampf gegen Steuerbetrug und für den Klimaschutz. Stattdessen spiele Kurz auf der nationalistischen Klaviatur und tue so, als könne man beim EU-Budget weniger einzahlen und gleichzeitig mehr herausbekommen: "Das ist nicht pro-europäisch, Herr Kanzler, das ist eine erbärmliche Haltung in sehr zentralen Fragen."

Außerdem warf er Kurz vor, Migrationsströme zu erfinden ("Albanien-Route") und kritisiert dessen "Achsen"-Begriff, der in fataler Weise an den Pakt zwischen Mussolini und Hitler erinnere: "Unpassender geht es nicht mehr, unterlassen Sie derartige Provokationen und sorgen Sie für gesamteuropäische Lösungen in allen Fragen." In Zwischenrufen aus dem Plenum wurde am Ende des Redebeitrags ein Ordnungsruf für Rossmann verlangt.

Hofer: Hitler-Vergleich "schamlos"

Kurz und Hofer wiesen die Kritik der Opposition im Anschluss zurück. Für die innereuropäischen Spannungen machte Kurz ausschließlich die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 verantwortlich: "Verantwortlich sind diejenigen, die damals in der Flüchtlingskrise die falschen Entscheidungen getroffen haben. Wir bringen das wieder in Ordnung." Und Hofer unterstellte Rossmann kurzerhand, den Bundeskanzler mit Adolf Hitler verglichen zu haben. Das sei "schamlos" und verharmlose die Verbrechen dieser "Bestie".

EU-Erklärung im Zeichen des Schutzes

Kurz und Hofer hatten mit ihrer EU-Erklärung die Pläne für den EU-Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte umrissen. Das "große Ziel" während des Ratsvorsitzes laute, dass Stabilität, Sicherheit und Wohlstand auch in Zukunft eine Selbstverständlichkeit in der EU ist, verwies Kurz auf das Vorsitz-Motto "Ein Europa, das schützt".

Schutz sei bei den Außengrenzen der Union wichtig, daher werde man einen "klaren Fokus" auf den Außengrenzschutz der Union legen, wiederholte Kurz einmal mehr seine Zielsetzung. Es sei für die innere Sicherheit notwendig zu wissen, "wer zuwandern darf oder nicht" und wichtig, "dass die Regierungen entscheiden, wer nach Europa kommt und nicht die Schlepper", so der Bundeskanzler. Der geplante EU-Gipfel in Salzburg im September werde sich daher dem Kampf gegen illegale Migration widmen. Wichtig sei, dass dort auch eine Stärkung der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX gelinge - sowohl in personeller Hinsicht wie auch hinsichtlich einer Ausweitung des Mandates der Agentur in Richtung aktives Ankämpfen gegen Schlepper; auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten sollte FRONTEX gewährt werden.

Wettbewerb

Schutz sei aber auch hinsichtlich der Absicherung des Wohlstandes innerhalb der EU ein wichtiges Thema, so der ÖVP-Chef. "Wir müssen alles tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben", sagte er. Es gehe um den Ausbau der digitalen Infrastruktur, der Vollendung des Binnenmarktes und der Beendigung von "Steuerungerechtigkeiten" etwa bei der Besteuerung von "Internetgiganten". Außerdem gehe es darum, Forschung und Entwicklung zu intensivieren. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Europäische Union weiterhin der Ort ist, wo Entwicklungen stattfinden."

Als dritten Punkt nannte Kurz den "Fokus auf die Nachbarschaft": Nur wenn in der Nachbarschaft Stabilität und Sicherheit bestehe, sei diese auch in der EU möglich. Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) werde einen Schwerpunkt darauf setzen, die Westbalkanstaaten näher an die EU heranzuführen. "Es ist unsere Aufgabe, diese Region bestmöglich bei der Annäherung an die EU zu unterstützen", so Kurz.

Der Kanzler appellierte an alle, im Vorsitz-Halbjahr bestmöglich zusammenzuarbeiten: "Wichtig ist, dass wir in diesem Jahr parteiübergreifend an einem Strang ziehen - zum Wohle Österreichs, zum Wohle der Europäischen Union."

Hofer vertrat Strache

Verkehrsminister Hofer, der den bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland weilenden Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache (FPÖ) vertrat, nannte vor allem den BREXIT und die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen als große Herausforderungen. Der BREXIT sei "kein Austritt aus Europa", sagte er. Nicht alle in Großbritannien seien glücklich mit dieser Entscheidung. "Es wird notwendig sein, dass wir mit Freunden aus dem United Kingdom eng zusammenarbeiten." Zum Finanzrahmen merkte Hofer an, man dürfe "bei allen Begehrlichkeiten" nicht vergessen, dass man auch hier "nach den Maßstäben der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit , der Zweckmäßigkeit" arbeiten müsse.

Hofer verwies auf auch "viele Krisen" der letzten Jahre wie die Finanzkrise oder die Migrationskrise 2015. Aber nicht nur beim Grenzschutz, sondern in allen anderen Bereichen müsse Europa "Sicherheit geben", sagte auch Hofer. Etwa im Bereich des Sozialen, der Fahrzeugsicherheit - und auch der digitalen Sicherheit. Gleichzeitig plädierte Hofer für eine Eindämmung der Bürokratie: "Unser Motto lautet aber auch: 'Weniger, aber effizienter'."

 

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