Schallenbergs Premiere als Kanzler bei EU-Gipfel, Angela Merkel nimmt Abschied

Austria's new Chancellor Schallenberg meets with EU Council President Michel, in Brussels
Erwartet werden harte Diskussionen über Atomkraft und Polen, zudem sind Migration und Corona Themen.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) absolviert am Donnerstag und Freitag seinen ersten EU-Gipfel in seiner neuen Funktion. Für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dürfte es dagegen nach 16-jähriger Amtszeit der Abschied von der europäischen Bühne werden. Der Gipfel befasst sich mit der Energieversorgung vor dem Hintergrund steigender Gaspreise, erwartet wird dazu auch eine Diskussion über Atomkraft. Außerdem dürfte der Konflikt mit Polen den Gipfel beschäftigen.

Die EU-Kommission hat als "Toolbox" gegen die rasant steigenden Energiepreise mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, darunter Steuern senken, ärmeren Haushalten Geld zahlen und in erneuerbare Energien investieren. Es wird erwartet, dass der Gipfel darauf Bezug nehmen wird. Investitionen in Erneurbare und Gasspeicherkapazitäten in der EU sowie in Drittstaaten wie etwa der Ukraine dürften dabei im Vordergrund stehen.

In Ratskreisen hieß es, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Regierungschefs mehrerer osteuropäische EU-Staaten, die Nuklearenergie nutzen, wollten bei dem Gipfel eine Grundsatzdebatte über die Atomenergie anzetteln. Österreich betrachte Atomkraft weiterhin weder als nachhaltig noch als sicher und werde in diesem Fall entgegenhalten, hieß es weiter. Frankreich pocht darauf, Kernkraft als grüne Energie zu klassifizieren. Paris wird dabei von Bulgarien, Finnland, Kroatien, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn unterstützt.

Hintergrund ist die Taxonomie-Verordnung der EU, die im Zuge des Klimaschutzpakets "Green Deal" Richtlinien für grüne Finanzinvestments geben soll. Österreich hat in dieser Frage ein Rechtsgutachten ausarbeiten lassen, das belegen soll, dass die Erzeugung von Atomstrom in keine der Kategorien falle, für die ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz angenommen werden könne.

Nicht offiziell auf der Tagesordnung steht der Rechtstaatlichkeits-Konflikt zwischen der EU-Kommission und Polen. Doch vor dem Hintergrund des harten Konfrontationskurses, den der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gegen die EU fährt, dürfte das Thema wohl beim Gipfel angesprochen werden. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will die milliardenschwere Corona-Hilfen für Polen solange blockieren, bis das Land bestimmte Justizreformen zurückgenommen hat.

European Parliament session in Strasbourg

Schallenberg hatte bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel vergangene Woche Unterstützung für das Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen und für das Zurückhalten von EU-Geldern gezeigt. Das jüngste Urteil des polnischen Verfassungsgerichts stellt den Vorrang von EU-Recht infrage. "Ohne den Vorrang des Europarechts zerfällt dieses Gebilde, das ist eine brandgefährliche Entwicklung", sagte Schallenberg. Zugleich sprach er sich für einen Dialog auf Augenhöhe und gegen unterschiedliche Klassen von EU-Mitgliedschaften aus. Laut einem Bericht des Magazins "Politico" hat Merkel davor gewarnt, den EU-Rechtsstaatsmechanismus zum Einfrieren von Geldern zu aktivieren, bevor es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs dazu gibt.

Weitere Schwerpunkte des Gipfels werden die Migrationspolitik - insbesondere die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze - sowie die Bekämpfung der Corona-Pandemie sein. Die Europäische Union hatte Strafmaßnahmen gegen Belarus verhängt. Im Gegenzug kündigte der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko an, Migranten auf dem Weg in die EU nicht mehr aufzuhalten. Auch die Vorbereitung der Weltklimakonferenz Anfang November in Glasgow sowie des Asien-Europa-Gipfels (ASEM) Ende November steht auf der Tagesordnung.

Im Vorfeld des Gipfels hat Schallenberg von der Leyen und Michel besucht und mehrere bilaterale Telefongespräche mit Amtskollegen, darunter Merkel und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, geführt. Am Dienstag besprach er sich in einer Videokonferenz mit Michel, dem ungarischen Premier Viktor Orban, der finnischen Premierministerin Sanna Marin und dem bulgarischen Präsidenten Rumen Radew.

Neos-EU-Abgeordnete Claudia Gamon forderte einen "Neustart" Österreichs in der Europapolitik. Unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe "unser Ansehen in der Union großen Schaden genommen", so Gamon in einer Aussendung. "Österreich sollte sich der Initiative des liberalen Mark Rutte anschließen und sich eindeutig für die europäische Werteunion einsetzen."

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