Oberhauser: Politikerin mit Bodenhaftung

Eine lächelnde Frau mit Brille steht vor einem Fenster mit Zimmerpflanzen und Dekorationen.
Warum ÖGB-Vizechefin Sabine Oberhauser das frühere Frauenpensionsalter verteidigt.

Sabine Oberhauser ist eine außergewöhnliche Politikerin. Sie hat einen Beruf mit hohem Sozialprestige – Ärztin – gegen einen mit niedrigem Sozialprestige – Politikerin – getauscht. Sie hat Erfahrungen in der realen Berufswelt gesammelt und ihre Bodenhaftung in den Politiker-Job mitgenommen. Die ÖGB-Vizechefin weiß, wovon sie spricht, wenn sie – wie zuletzt bei den Regierungsverhandlungen – etwa gegen die vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters ankämpft.

Sabine Oberhauser war Spitalsärztin auf der Frühgeborenen-Station im Rudolfinerhaus. 32-Stunden-Dienste, durchwachte Nächte, unruhiger Schlaf zwischen Einsätzen am Krankenbett. „Ich war oft völlig orientierungslos, wenn ich aufgewacht bin, wusste nicht, ob ich zu Hause oder im Spital bin.“ Einmal hat sie sogar vergessen, sich umzuziehen, und ist im Spitalsgewand mit noch blutigen Händen nach Hause gefahren.

Nachtdienste zehren

Zwei Frauen sitzen in einem Büro und unterhalten sich.
Interview mit Sabine Oberhauser in der ÖGB-Zentrale in Wien am 19.12.2013.
Dabei war sie damals jung und hat Nachtdienste noch viel leichter weggesteckt. Zudem war der Zeitdruck geringer als heute. „Damals haben wir, wenn wir eine schöne Geburt hatten, mit einer Pizza gefeiert. Heute geht das nicht mehr, das Arbeitspensum, das abverlangt wird, lässt das nicht mehr zu“, meint sie.

Eine „schöne Geburt“ nannten die Ärztinnen eine komplizierte Geburt, die glücklich verlief. In den „Gott sei Dank seltenen“ Fällen, wenn ein Frühgeborenes starb, haben sich die Ärztinnen gegenseitig geholfen: „Wir haben darüber geredet und geredet und geredet.“

Als Oberhauser vor fünfzehn Jahren den Arztberuf aufgab und in die Politik ging, war ihre Mutter „entsetzt“. Die Eltern hatten das Medizinstudium der Tochter nur mit Mühe finanziert. Oberhauser: „Ich habe der Mutter gesagt, der Politiker-Beruf sei besser vereinbar mit der Erziehung meiner damals acht- und elfjährigen Töchter, weil die Nachtdienste wegfallen. Darüber lachen Mama und ich heute noch – als Politikerin bin ich noch viel weniger zu Hause, nämlich so gut wie nie.“

Aus für „Rabenmutter“

Heute wünscht sich die ÖGB-Frauenchefin und SPÖ-Abgeordnete manchmal wieder „ein geregeltes Leben wie im Spital.“ Aus den Kindern ist trotz der Absenzen der Mutter etwas geworden, Sophie (26) ist Volkswirtin, Franziska (23) Betriebswirtin.

Bis 2024, wenn das Frauenpensionsalter nach derzeitiger Rechtslage zu steigen beginnt, will die ÖGB-Frauenchefin noch einiges verwirklicht sehen. Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen müsse sich weiter schließen. Die Familienarbeit müsse noch besser zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden. Es müsse gesellschaftlich akzeptiert werden, dass Kinder früh in den Kindergarten gehen, der Begriff der „Rabenmutter“ solle tunlichst aus dem Wortschatz verschwinden. Dazu müsse in die Qualität der Kindergärten investiert werden, die Kindergruppen müssten kleiner, das Betreuungspersonal aufgestockt werden.

Und sehr viel Bewusstseinsarbeit sei zu leisten. Oberhauser: „Wir sprechen absichtlich nicht mehr von Kinderbetreuung, sondern von Kinderbildungseinrichtungen, wo Kinder viel Spaß haben und dabei lernen.“

Mitleid mit Fekter

Zur Bewusstseinsbildung gehöre auch dazu, den „Schönheitswahn“ zu bekämpfen, der älteren Frauen besonders zu schaffen macht. „In der Dienstleistung, in hippen Handelsketten und im Gastgewerbe sollen möglichst alle jung und knackig sein. Das engt den Arbeitsmarkt für ältere Frauen ein.“

Frauensolidarität macht für die rote Gewerkschafterin nicht an Parteigrenzen halt. Sie fühlte Mitleid mit Maria Fekter, als sie gesehen hat, wie Fekter beim Abschied aus dem Finanzministerium weinte.

Wenn jemand ungerecht oder schlecht behandelt wird, bringt sie das „auf die Palme“. Das sei schon in der Schule so gewesen: „Ich habe mich immer vor die Schwächeren gestellt, und ich konnte es mir leisten, weil ich Klassenbeste war.“

Herausgefordert fühlt sich die streitbare Gewerkschafterin durch Fremdenfeindlichkeit, Ego-Trips auf Kosten der (Partei-)Gemeinschaft und unzulässige Verallgemeinerungen. Oberhauser: „Ich habe der Industriellenvereinigung ich weiß nicht wie oft schon gesagt, dass Mindestsicherungsbezieher keine Schmarotzer sind, sondern dass wir das über den Lebenszyklus sehen müssen. Jeder, der studiert hat, war auch einmal ein Nettoempfänger.“

Spaß vermitteln

Zu denken gibt der Spitzengewerkschafterin, dass so viele Mädchen im jüngsten Jugendmonitor des Familienministeriums gesagt haben, sie wollen zurück an den Herd und reich heiraten. „Vielleicht“, fragt sich Oberhauser selbstkritisch, „vermitteln wir unseren Kindern zu viel den Stress und zu wenig den Spaß an der Arbeit.“

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