Für 35 Prozent widersprechen sich EU-Aufrüstung und Österreichs Neutralität

Schweizer Soldaten mit Masken gehen hinter einem rot-weißen Absperrband entlang.
Die EU will mit "Bereitschaft 2030" den Kontinent aufrüsten und verspricht (sich) Investments von 800 Milliarden Euro. Die Österreicher sind geteilter Meinung, ob die Republik mitmachen kann und soll.

800 Milliarden Euro ist sie schwer - die Initiative der Europäischen Kommission zur Aufrüstung Europas. 

Die Initiative "Re Arm Europe", die neuerdings unter "Readiness 2030"/"Bereitschaft 2030" firmiert, soll den Kontinent besser schützen, sicherer, abwehrbereiter machen. Österreich will an diesen Milliarden-Investitionsmöglichkeiten partizipieren. 

"Der Share für Österreich liegt bei 20 Milliarden Euro. Diesen abzuholen oder nicht, das ist eine relevante Frage", so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) jüngst in einem KURIER-Interview. 

Doch Österreich ist neutral, wie in der Verfassung festgeschrieben, und weder eine Partei noch die Bevölkerung (gemäß Umfragen) gedenkt, dies zu ändern. 

Daher muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, damit Österreich nicht nur für die Verteidigung im In- sondern auch Ausland produzieren und damit von "Bereitschaft 2030" profitieren kann. Einen ähnlichen Sonderstatus innerhalb der EU haben übrigens Irland, Malta und Zypern.

"Die freiheitlichen Wähler verteidigen die strikte Neutralität", resümiert Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer die Ergebnisse der aktuellen OGM-Umfrage für den KURIER (1.011 Wahlberechtigte/Schwankungsbreite: +/-3,1.) 

Der Aussage, dass  die Aufrüstung und damit verbunden die Rüstungsindustrie der Neutralität Österreichs entgegensteht respektive widerspricht, stimmen 62 Prozent der FPÖ-Wähler zu. So hoch ist die Zustimmung bei keiner anderen im Parlament vertretenen Partei. Bei den Grünen stimmen halb so viele Sympathisanten dieser Aussage zu (29 Prozent), bei den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sind es knapp 20, bei den Neos in Relation gar nur 10 Prozent. 

Diese Wählergruppen "neigen mehr zu einem pragmatischen Mittelweg", so Bachmayer. Insgesamt stimmen 35 Prozent aller Befragten dieser Aussage zu. 25 Prozent geben allerdings an, dass  Neutralität und Rüstungsindustrie einander nicht widersprechen.

Besonders stark vertreten ist diese Haltung in der Neos-Wählerschaft (43 Prozent), gefolgt von SPÖ (35 Prozent), ÖVP (32 Prozent) und Grünen (29 Prozent). Bei den freiheitlichen Wählern sind es nur 12 Prozent, für die Rüstungsindustrie und Neutralität einander nicht ausschließen.

Fast einer Meinung sind die Befragten aller Parteien, dass Österreich "zuerst die Neutralität zeitgemäß definieren muss, um Teil der europäischen Rüstungsindustrie sein zu können". Insgesamt geben 21 Prozent an, dieser Aussage zuzustimmen. Bei Sympathisanten der SPÖ sind es 22 Prozent, bei Neos- (21 Prozent) und ÖVP-Wählern (20 Prozent) unmerklich weniger - bei Grün-Wählern deutlich mehr (27 Prozent), bei der FPÖ-Wählerschaft deutlich weniger (15 Prozent). 

13 Prozent der von OGM Befragten sind dafür, dass Österreich vom Rüstungsboom profitieren und mehr investieren soll - allen voran die Neos (24 Prozent). Gar nichts abgewinnen können dieser Haltung freiheitliche Wähler (7 Prozent). 

Deutlich klarer ist das Votum, wenn es um die Wiederaufbauhilfe nach dem lang erhofften Kriegsende in der Ukraine geht. Wie berichtet hat die Bundesregierung hierfür eigens einen "Ukraine-Sonderkoordinator" ernannt. 

Wolfgang Anzengruber (u.a. ehemaliger Vorstand von Palfinger und Verbund) spricht bei seiner Präsentation in dem Amt im Beisein von Neos-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger von einer "komplexen Aufgabenstellung". 

Diese zu lösen trauen die Österreicherinnen und Österreicher der heimischen Wirtschaft zu. 56 Prozent sind sich sicher, dass "Österreich eine wesentlichen Rolle beim Wiederaufbau spielen wird, weil Know-how und geografische Nähe dafür sprechen". Am meisten Zutrauen gibt es seitens der Neos-Wählerschaft (80 Prozent) - am wenigsten seitens der FPÖ-Sympathisanten (35 Prozent).

"Das Vertrauen in die heimischen Betriebe und Expertise scheint jedenfalls gegeben", sagt Bachmayer. Wiewohl: 37 Prozent halten andere Nationen wie Großbritannien oder Frankreich für stärker und konkurrenzfähiger. Und zwar besonders bekennende FPÖ-Wähler (58 Prozent) sowie Wähler von ÖVP (30 Prozent) und Grünen (29 Prozent). 

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