Auf den ersten Blick sieht die Stimmungslage für die Regierung gar nicht so schlecht aus. Der neuerliche Lockdown wird von einer großen Mehrheit in der Bevölkerung zwar nicht gerade begrüßt, aber angesichts der ernsten Lage immerhin für richtig erachtet.
58 Prozent der 837 von OGM im Auftrag des KURIER online befragten Personen sagen, der Lockdown für alle war „richtig“. Weitere 16 Prozent finden, ein Lockdown für Ungeimpfte allein hätte es auch getan. 22 Prozent sprechen sich gegen jede Form von Lockdown aus.
Stellt man die Frage etwas anders – nämlich ob es richtig war, dass die Regierung dem Hilferuf der Ärzte und des Pflegepersonals in den Spitälern nachkam –, so sagen mehr als 60 Prozent, es war richtig oder zumindest eher richtig. 36 Prozent sind der Gegenmeinung.
Unter den Geimpften tragen sogar 70 Prozent den Lockdown „als unumgängliche Maßnahme“ mit.
Riesige Vorwürfe
Aber jetzt kommt’s: 66 Prozent sind überzeugt davon, dass „die Regierung Warnungen ignoriert und zu spät gehandelt hat“, weitere 21 Prozent glauben das „eher“ auch. Damit machen satte 87 Prozent der Regierung Vorwürfe wegen Verzögerungen – und diese Kritik erklärt andere Resultate dieser Umfrage.
Die ÖVP liegt in der Sonntagsfrage drei Prozentpunkte hinter der SPÖ. Alexander Schallenberg würde eine Kanzler-Direktwahl gegen Pamela Rendi-Wagner verlieren.
Deutlich zeichnen sich die Ursachen für diesen Wahltrend beim Publikumsurteil über die Managementqualitäten der Politiker ab: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erhält österreichweit die meiste Zustimmung und die geringste Kritik. Auf Platz zwei liegt mit Burgenlands Hans Peter Doskozil ebenfalls ein SPÖler. Und auch Platz drei geht mit Rendi-Wagner an die SPÖ.
Die geringste Zustimmung zu ihrem Krisenmanagement haben die ÖVP-Landeshauptleute Wilfried Haslauer, Thomas Stelzer und Günther Platter. Und den schlechtesten Saldo aus zwar 24 Prozent Zustimmung, aber einem Spitzenwert von 69 Prozent Kritik erreicht Ex-Kanzler Sebastian Kurz (minus 45 %).
„Der neue Lockdown und die Impfpflicht ab Februar stehen konträr zu Äußerungen, die bis vor kurzem noch getätigt wurden. Der weitere Rückfall der ÖVP steht eindeutig in Zusammenhang mit diesem Umfallen und Brechen von Versprechen“, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.
Profiteurin ist die SPÖ. Ihr hat sowohl Ludwig einen Schub verpasst, aber auch Rendi-Wagner habe zugelegt, sagt Bachmayer.
Kein Popstar
Interessant ist auch ein genauerer Blick auf den Rückhalt der Spitzenpolitiker in ihren eigenen Parteien. Da schneidet Alexander Schallenberg angesichts der schwierigen Umstände seiner Kanzlerschaft gar nicht schlecht ab. 67 Prozent der ÖVP-Anhänger würden ihn direkt zum Kanzler wählen.
70 Prozent der SPÖ-Anhänger sagen, sie würden Rendi-Wagner direkt wählen. 76 Prozent der Blauen würden Herbert Kickl wählen. Werner Kogler kommt bei den Grünen auf nur 62 Prozent Direktwahlstimmen, und Beate Meinl-Reisinger bei Neos-Wählern auf 63 Prozent. Popstar-Qualitäten hat also derzeit keiner der Spitzenpolitiker in seiner Partei.
Auffallend ist lediglich eine besonders hohe Zustimmung zu Schallenberg und Rendi-Wagner bei den Bevölkerungsgruppen ab 50 Jahren und den Pensionisten.
Frust steigt
Zugenommen hat die Präferenz für „andere Parteien“ abseits der im Nationalrat vertretenen Parteien von zwei Prozent im Juli auf sechs Prozent im Herbst. „Etwa die Hälfte davon könnte die Impfgegner-Partei sein“, meint Bachmayer, deren gesondertes Abfragen aber das Ergebnis verzerren würde („Sonst müsste man nach Graz auch die KPÖ abfragen“). In Verbindung mit dem ebenfalls steigenden Bekenntnis zum Nicht- oder Ungültigwählen sieht Bachmayer „ein Zeichen der Frustration der Wähler“.
Ein klares Profil hat FPÖ-Chef Herbert Kickl bei der Gruppe der Ungeimpften. 59 Prozent der Impfverweigerer würden ihn direkt zum Kanzler wählen. „Bei den Ungeimpften ist Kickl König“, sagt Bachmayer. Allerdings gibt es in der Gruppe der Ungeimpften viele Unentschlossene, Weiß- bzw. Nichtwähler oder auch Anhänger einer „anderen Partei“. Die FPÖ mit Kickl kann derzeit etwa 60 Prozent der Impfgegner deklariertermaßen ausschöpfen. Andere Parlamentsparteien oder deren Repräsentanten haben im Lager der Ungeimpften überhaupt keine Chance.
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