Der neue ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti hat sich zum Ziel gesetzt, die ÖVP wieder auf den ersten Platz zu führen. Bei der DNA der Partei soll nachgeschärft werden, vor allem im Bereich Wirtschaft.
Mit 35 Jahren Generalsekretär der ÖVP: Nico Marchetti will einen neuen Stil in die Politik bringen.
KURIER:Herr Marchetti, es ist doch überraschend gekommen, dass Sie Ende Februar zum Generalsekretär der ÖVP ernannt worden sind. Wie überraschend war das für Sie?
Nico Marchetti: Es war auch für mich sehr überraschend. Rückblickend macht es aber vielleicht auch wieder Sinn, weil Christian Stocker und ich kennen uns ja aus dem Parlament. Wir waren zwei Jahre lang Sitznachbarn und haben uns das schon kennen- und schätzen gelernt. So hat sich das dann ergeben. Es ist jedenfalls eine spannende Aufgabe.
Mit 35 Jahren eine so traditionelle Partei zu managen, ist schon eine harte Aufgabe. Da gibt es sicherlich viele altgediente Funktionäre, die Ihnen viele Ratschläge erteilen.
Grundsätzlich bin ich als ÖVP-Funktionär schon gestählt. Als Bezirksparteiobmann der ÖVP in Wien-Favoriten, da macht man schon einiges mit und wird vielleicht etwas robuster politisch sozialisiert. Insofern bin ich fit für den Job. Auf der anderen Seite glaube ich, dass man sich vor den Aufgaben als Generalsekretär nicht fürchten muss. Im Gegenteil. Es ist eine sehr spannende Aufgabe, weil man auf der einen Seite die Partei managen muss, auf der anderen Seite sich auch mit der eigenen Positionierung und der Abgrenzung zu anderen Parteien beschäftigen kann.
Es ist dennoch keine leichte Aufgabe, weil am Ende des Tages werden immer zwei Personen verantwortlich gemacht, wenn es in der Partei nicht läuft: der Obmann und der Generalsekretär. Noch dazu hat die ÖVP einige sehr schwierige Jahre hinter sich.
Grundsätzlich bin ich schwer motiviert, weil ich sehe die Ausgangslage auch als Chance. Ich möchte alles dafür tun, dass die ÖVP bei den nächsten Nationalratswahlen wieder auf dem Platz eins landet. Nachdem wir einige Krisen überwunden und einige Personalwechsel hinter uns haben, besteht jetzt die Möglichkeit, dass wir uns mit den Parteistrukturen, mit der Kommunikation und den grundsätzlichen Inhalten als Partei beschäftigen.
Die Rückkehr auf Platz eins halten Sie für möglich?
Ich halte auch die FPÖ für schlagbar. Ich habe das Gefühl, dass dort nicht mehr viel Neues kommt. Und Herbert Kickl hat als Person bereits seinen Zenit überschritten. Wenn wir also unsere Hausaufgaben machen, noch wettbewerbsfähiger werden, dann sehe ich sehr viel Potenzial für die ÖVP.
Sie haben die Inhalte angesprochen. Gibt es Themen, bei denen nachgeschärft werden muss?
Man muss schon ehrlich zu dem Schluss kommen, dass gerade unsere Positionierung im Bereich Wirtschaft in den vergangenen Jahren gelitten hat, weil es aus Staatsverantwortung notwendig war, Dinge zu tun, die nicht unbedingt unserer DNA entsprechen. Wir mussten in der Corona-Zeit viele Förderungen auszahlen, mussten in den Markt eingreifen, etwa bei den Energiepreisen. Beim Thema Wirtschaft können wir sicherlich wieder Profil gewinnen, mit Wolfgang Hattmannsdorfer haben wir einen sehr kompetenten Wirtschaftsminister, der da Akzente setzen wird. Die Aufgabe der Partei ist es, eine bürgerliche Handschrift in der Wirtschaftspolitik sichtbar zu machen.
So mancher Funktionär sagt, dass die DNA der ÖVP unter der Koalition mit den Grünen gelitten hat.
Diesen Vorwurf lasse ich mir gerne gefallen. Ich war ja im Parlament, habe das mitgetragen und aus erster Hand miterlebt. Das Problem mit den Grünen in der Koalition war, dass die Grünen eine Single-Issue-Partei sind. Sie sind eine reine Klimaschutzpartei. Wir hingegen sind als Partei breiter aufgestellt. Das macht die Kompromissfindung herausfordernd. Deswegen finde ich es richtig, dass wir es im neuen Arbeitsprogramm der Regierung geschafft haben, bestimmte Dinge, die einfach zu viel waren, wieder zu glätten. Etwa beim Klimabonus oder bei den Förderungen für den Heizungstausch.
Eine der Aufgaben eines Generalsekretärs ist es, öffentlich mit harten Aussagen auszurücken, wenn es Konflikte mit anderen Parteien gibt. Angesichts der fragilen Dreier-Koalition, müssen Sie da jetzt besondere Zurückhaltung üben?
Es ist eine neue Konstellation, die hatten wir so noch nie. Wir haben uns jetzt einmal das Commitment gegeben, dass wir gemeinsam vernünftig zusammenarbeiten wollen. In den ersten Wochen haben wir bewiesen, dass dieser Geist in der Koalition auch tatsächlich da ist. Am Ende des Tages wird eine Regierung immer daran gemessen, ob sie Ergebnisse geliefert hat. Dennoch wird es immer eine Abgrenzung zu den anderen Parteien geben. Aber mein Selbstverständnis als Generalsekretär ist es, dass man eine inhaltliche Abgrenzung mit Argumenten machen kann, ohne persönliche Beleidigungen und Ähnlichem. Da macht der Ton die Musik. Wir wollen da schon wieder eine Kultur in die Politik bringen.
Aufgewachsen ist Nico Marchetti (35) in Wien-Favoriten, wo er für die ÖVP politisch tätig ist. Für Aufsehen sorgte er erstmals als Bundesschulsprecher – mit dem größten Schülerstreik der Zweiten Republik gegen die Abschaffung der schulautonomen Tage. Ebenso rief er zum Boykott des PISA-Tests auf, was ihm Klagen einbrachte, die fallen gelassen wurden. In Wien war er Landesobmann der JVP und Bezirksparteiobmann in Favoriten. Seit 2017 sitzt er im Nationalrat. Seit 28. Februar 2025 ist er der Generalsekretär der ÖVP
Vor Jahren haben Sie sich ja bereits darüber beschwert, welche Kultur in den Nationalrat Einzug gefunden hat. Die war rund um die U-Ausschüsse besonders tief.
Ich glaube generell, dass sich Dinge in der Politik breitgemacht haben, die nicht sein müssen. Wir unterschätzen da auch die Bevölkerung. Die Wähler werden nicht demjenigen die Stimme oder das Vertrauen schenken, der besonders grauslich formuliert oder andere mit billigen Punkten fertigmacht. Ich glaube, dass es ein großer Wunsch in der Bevölkerung ist, dass Politik wieder gesitteter und seriöser stattfindet.
Im Duell mit der FPÖ wird das nicht so einfach möglich sein.
Es ist schon zu vernehmen, dass die FPÖ-Wählerinnen und -Wähler auch nicht unbedingt vom Verhandlungsstil und Verhandlungsmisserfolg von Herbert Kickl begeistert sind. Es gibt viele enttäuschte FPÖ-Sympathisanten, die wir mit guter Arbeit in der Regierung, guten Konzepten und inhaltlichen Ansagen wieder zurückgewinnen können. Es muss unser Anspruch sein, dass wir die FPÖ nicht nur als Herbert Kickl sehen, sondern dass wir durch Kickl hindurchschauen und die Bedürfnisse und Sorgen seiner Wähler in den Vordergrund stellen und Lösungen anbieten. Die FPÖ hat die Chance gehabt und nicht genutzt. Jetzt werden wir eben die Probleme lösen und so Vertrauen zurückgewinnen.
Zum ausführlichen KURIER TV-Talk mit ÖVP-Generalsektretär Nico Marchetti
Ihre erste Wahl, die Sie als Generalsekretär kommentieren müssen, ist die Wien-Wahl am 27. April. Was erwarten Sie sich? Die aktuellen Umfragen sprechen nicht für Ihren Spitzenkandidaten Karl Mahrer.
Die Wien-Wahl ist diesmal besonders speziell. Der SPÖ ist das Blau-Türkis-Gespenst in der Regierung abhandengekommen und sie muss sich fragen, ob sie jetzt noch genug mobilisieren kann. Die Blauen sagen, dass es mit Dominik Nepp irgendwie nicht funktioniert, Heinz Christian Strache hatte bessere Werte. Die Neos haben keinen Spitzenkandidaten mehr. Die grüne Spitzenkandidatin kennt niemand. Also sollte jeder einmal auf seine eigenen Probleme schauen. Insofern kann man auch als ÖVP ruhig zuversichtlich in die Wahl gehen.
Für einen Generalsekretär ist es am wichtigsten, dass man mit dem Bundesparteiobmann und Kanzler eine feste Achse bildet. Wie sieht es da zwischen Ihnen und Christian Stocker aus?
Das funktioniert sehr gut. Wir haben eine Sitzungsroutine, wir telefonieren regelmäßig und stimmen uns ab. Es ist immens wichtig, dass die Regierungs- und die Parteiarbeit ineinandergreifen. Christian Stocker war ja selbst einmal Generalsekretär und weiß deshalb, wie wichtig das ist.
Gerade erst in der Funktion müssen Sie schon am 29. März einen Bundesparteitag der ÖVP ausrichten. Mit welchem Gefühl gehen Sie in diese Versammlung?
Die Grundstimmung vor diesem Bundesparteitag ist durchaus eine herausfordernde, weil die vergangenen fünf Monate waren für den durchschnittlichen ÖVP-Funktionär keine leichten. Ich glaube, dass wir da die Geduld unserer Funktionäre schon ziemlich strapaziert haben. Aber jetzt ist ein gewisses Durchatmen da. Wir haben eine Regierung und stellen mit Christian Stocker den Kanzler. Auf diese nun positive Dynamik wollen wir am Parteitag noch einiges drauflegen.
Die Vorgaben sind nicht einfach. Karl Nehammer hatte beim bisher letzten Parteitag 100 Prozent der Stimmen erhalten.
In Wahrheit ist es nicht wahnsinnig relevant, ob es 91, 95 oder 100 Prozent sind. Wichtig ist vielmehr, dass eine ehrliche und auch belastbare Geschlossenheit der Partei da ist.
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