ÖVP bleibt auf Distanz zur FPÖ: Taktik oder echte Abgrenzung?

ÖVP bleibt auf Distanz zur FPÖ: Taktik oder echte Abgrenzung?
Die Ansagen und Koalitionsspiele der Parteien sind reines Wahlkampfgeplänkel, sagen Experten.

Kommt es zur Neuauflage von Türkis-Blau? Wenn es nach der ÖVP geht, schaut es nicht unbedingt danach aus. Denn nach dem Ende der Koalition im Gefolge der Ibiza-Affäre wurden bereits erste Bedingungen für eine Fortführung genannt. Ex-Kanzler Sebastian Kurz machte damals den Anfang und sagte, eine Koalition könne es nur ohne Herbert Kickl als Innenminister geben. Dann reklamierte die ÖVP das Innenressort überhaupt für sich – oder deutete an, Kickl in gar keiner Regierungsfunktion mehr zu akzeptieren.

An der Linie der FPÖ, die Koalition mit den Türkisen fortzusetzen, hat dies nichts geändert. Der einzige Konter der Blauen war, man lasse sich Kickl nicht heraus schießen.

Als Scharfmacher gegen die FPÖ tritt in der ÖVP Ex-Kanzleramtsminister und Regierungskoordinator Gernot Blümel auf. Er ist der engste Vertraute von Kurz.

In der Presse formuliert er am Wochenende eine neue Bedingung für eine Neuauflage von Türkis-Blau. Blümel verlangt, dass rund um das Ibiza-Video vorher „alles lückenlos aufgeklärt werden muss“. Diesen Willen zur Aufklärung „vermisse ich nach wie vor“, sagte Blümel. Er hält Strache, aber auch Kickl vor, sich nur „in eine Opferrolle hineinzumanövrieren.“

"Mit Kickl – gegen uns"

Der Ex-Innenminister bleibt der Reibebaum. Schon Mitte Juli sagte Blümel in einem KURIER-Interview: „Die FPÖ hat sich entschieden, den Weg nicht mit uns, sondern mit Kickl zu gehen – gegen uns. Wenn dieser Weg weiter verfolgt wird, ist völlig wurst, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann einfach nicht aus.“

Was das für die künftige Regierung heißen kann, hat der KURIER Experten gefragt: Meinungsforscher Peter Hajek sagt: „Die ÖVP geht auf Distanz zur FPÖ, weil das die eigenen Wähler tun, aber auch der Bundespräsident. Nach der Wahl schaut das vielleicht ganz anders aus. Wenn die FPÖ vor die Wahl gestellt wird, Regieren ohne Kickl oder Opposition mit Kickl, wird sie sich fürs Regieren entscheiden.“

"Alle Türen offen"

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer hält die ÖVP-Aussagen für eine „gut durchdachte Strategie. Je mehr alle Türkis-Blau trommeln, desto mehr muss die ÖVP auf Distanz gehen. Sie muss sich alle Türen offen halten.“

Einzig Politiologe Peter Filzmaier kann dem Anti-FPÖ-Kurs der ÖVP etwas abgewinnen und sieht nicht nur Wahltaktik. Seine Begründung lautet: In den Bundesländern (mit Ausnahme von OÖ) gebe es keine klare Präferenz für die FPÖ, auch auf Gemeindeebene steige nach Ibiza, Casinos & Co die Skepsis gegenüber den Freiheitlichen. Außerdem sei die eigene Parteibasis unentschieden zwischen ÖVP-FPÖ bzw. ÖVP-Grün-Neos.

„Jetzt im Wahlkampf ist alles einmal Strategie“, meint hingegen Polit-Experte Thomas Hofer. Und sagt: „Die ÖVP wird sich erst am 30.9. anschauen, welche Koalitionsvariante Sinn macht, um keine Wählergruppe zu verprellen. Bis dahin gilt ein alter Sager von Erwin Pröll: Klarheit durch Mehrheit schafft Sicherheit.“

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