"Korruptionspotenzial": ÖGK-Obmann rüttelt weiter am Wahlarztsystem

PK ÖGK : HUSS
Wahlärzte sollen ins ELGA und eine Mindestzahl an Stunden ordinieren, um "versorgungswirksam" zu sein.

Der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, rüttelt weiter am Wahlarztsystem. Der Privatkostenanteil betrage mittlerweile 25 Prozent, „das ist unerträglich für mich“, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Es brauche eine Reform, mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gebe es hier gute Gespräche. Weniger zufrieden mit dem Ressortchef ist Huss bezüglich der Reform des Mutter-Kind-Passes. Dessen geplanter Inhalt sei „mangelhaft“.

Wahlarztsystem reformieren

Die Wahlärzte seien international gesehen eine österreichische Besonderheit. Geschaffen 1955, habe das System 2012 Auftrieb erhalten, als die Arbeitszeit der Spitalsärzte limitiert wurde, so Huss. Wahlärzte ordinieren privat und können sich Patienten und Ordinationszeiten aussuchen. Die Patienten müssen die Wahlarztrechnungen selbst bezahlen und bekommen höchstens 80 Prozent der Rechnungssumme von der Kasse refundiert, allerdings nur, wenn es sich tatsächlich um eine Kassenleistung gehandelt hat.
Mit Rauch sei er in guten Gesprächen, dieses System zu ändern, sagte Huss, auf der Bremse stehe eher dessen Koalitionspartner ÖVP. Der ÖGK-Chef will die Wahlärzte zumindest ins ELGA-System und eine elektronische Abrechnung hineinbringen. Die Ärzte müssten auch „versorgungswirksam“ sein, also etwa eine gewisse Mindestzeit an Stunden ordinieren.

"Korruptionspotenzial"

Huss befürchtet unter Berufung auf „Transparency International“ auch „ein gewisses Korruptionspotenzial“, wenn ein hauptberuflicher Spitalsarzt zusätzlich als Wahlarzt arbeitet. Wenn jemand nebenbei noch arbeiten wolle, „dann bitte nicht in der Privatpraxis, sondern im öffentlichen Gesundheitssystem“. Anstellungen von Ärzten bei anderen Ärzten mit Kassenvertrag seien jetzt ja möglich. Dies wäre besser als die Abwanderung in eine Privatmedizin, die sich die Menschen nicht leisten könnten.

"Kassenarzt verdient am meisten"

Huss hielt auch ein Plädoyer für die Kassenstellen. Kassenärzte hätten eigentlich keine Einkommensprobleme: Mit 400.000 Euro Jahresumsatz von der ÖGK plus weitere 20 Prozent von den anderen Kassen komme ein Vertragsarzt auf netto 7.000 bis 8.000 Euro 14 Mal pro Jahr. „Unter allen Ärzten, das hat auch der Rechnungshof festgestellt, verdient der Kassenarzt am allermeisten“, sagte er: „Er muss aber auch arbeiten dafür.“

Bei Mutter-Kind-Pass "nicht alles okay"

Unzufrieden zeigte sich Huss beim Thema Mutter-Kind-Pass, hier sei „absolut nicht“ alles okay. Der Regierungsbeschluss dazu sei überraschend gekommen, die Sozialversicherung sei nicht eingebunden gewesen. „Der Inhalt des Mutter-Kind-Passes ist für mich mangelhaft“, unter anderem sei Zahnmedizin oder Ergo- und Logotherapie unverständlicherweise unberücksichtigt geblieben. Nun sei man beauftragt worden, „gefälligst“ mit den Ärzten zu verhandeln. Dabei kämen zwei Drittel der Honorare vom Bund, der sei bei den Verhandlungen aber gar nicht dabei. Gerüchteweise seien den Ärzten 17 Mio. Euro an Honorarerhöhung versprochen worden, direkt informiert worden sei man aber nicht. Huss' Fazit: „Wir fühlen uns nicht ernst genommen, wir fühlen uns vor allem nicht eingebunden.“

Kassenreform "rückabwickeln"

Kritik übte der ÖGK-Halbzeitchef (er ist immer in der zweiten Jahreshälfte Obmann, die restliche Zeit übernimmt die Arbeitgeberseite) an der unter Türkis-Blau beschlossenen Kassenreform. Dass die Selbstverwaltung ausgehebelt wurde „muss man jedenfalls rückabwickeln“, meinte er. Die Patientenmilliarde aus Verwaltungseinsparungen sei eine „Lüge“ gewesen, und von einer Leistungsvereinheitlichung über alle Träger hinweg sei man meilenweit entfernt.

Strukturelle Änderungen wünscht sich Huss auch generell in der Gesundheitsfinanzierung, Stichwort Finanzausgleich. Mehr Geld für die Länder aus der Sozialversicherung wird es seiner Ansicht nach aber nicht spielen. „Einem Nackten in die Tasche zu greifen, wird nicht funktionieren“, sagte Huss.

Kommentare