ÖGB, SPÖ und Armutskonferenz fordern höheres Arbeitslosengeld

ÖGB, SPÖ und Armutskonferenz fordern höheres Arbeitslosengeld
Vor Enquete: Forderung nach Erhöhung der Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent.

Im Vorfeld der heutigen Enquete von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) zur Arbeitslosenversicherung fordern SPÖ, ÖGB, Armutskonferenz und Caritas eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Grünen Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza sprechen sich für eine Anhebung der Netto-Ersatzrate von 55 auf 70 Prozent aus. Der Zuverdienst soll bestehen bleiben.

Das Arbeitslosengeld muss existenzsichernd sein, forderte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Er rechnet vor: „90 Prozent der Arbeitslosen erhalten weniger als 40 Euro am Tag und liegen damit unter der Armutsgrenze. Die Konsequenz daraus muss eine unverzügliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letztbezuges sein - und nicht Überlegungen, das Geld zu kürzen.“

"Mehr als die Hälfte der arbeitslosen Frauen haben 27 Euro pro Tag"

Muchitsch sieht insbesondere Frauen betroffen. „So erhält mehr als die Hälfte der Frauen ohne Kinder in der Arbeitslosigkeit weniger als 27 Euro pro Tag.“ Er erteilt daher eventuellen Überlegungen der Bundesregierung in Richtung eines degressiven Arbeitslosengeldes oder möglichen Plänen, die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose zu verschärfen, „eine klare Absage“.

Angesichts der stark steigenden Lebenshaltungskosten richtet er an Kocher die Frage: „Glauben Sie, dass das mit 1.000 Euro im Monat und vielleicht einer Familie, die sie durchbringen müssen, lustig ist?“ Und er meint: „Probieren Sie das mal aus.“ Deshalb fordere die SPÖ als Sofortmaßnahme gegen die Teuerung auch eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes sowie eine Verdreifachung des Familienzuschlags.

Muchitsch an Arbeitsminister: "Probieren Sie das mal aus"

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian forderte im Ö1-Morgenjournal eine Netto-Ersatzrate von 70 Prozent des vorherigen Einkommens. Derzeit liegt diese bei 55 Prozent. Über ein degressives Modell könne man mit dem Gewerkschaftsbund schon reden, sagte Katzian, „aber unter 55 Prozent absinken ist aus unserer Sicht nicht möglich und da wird es von uns auch definitiv keine Zustimmung geben“, so der Gewerkschafter am Montag im Vorfeld der parlamentarischen Enquete.

Gefordert wird ein degressives Modell von Arbeitgeberseite, etwa der Wirtschaftskammer. Ein mit der Zeit sinkendes Arbeitslosengeld soll zur schnelleren Jobsuche animieren, so die Hoffnung. Grünen Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza fordert ebenfalls eine Anhebung der Netto-Ersatzrate auf 70 Prozent. Bei einem degressiven Modell dürfe sie auch nicht unter 55 Prozent absinken.

Flächendeckende Kinderbetreuung gefordert

Im Zuge der Reform wird auch über Zuschläge, Sanktionen und die Möglichkeit des Zuverdienstes diskutiert. Arbeiterkammer und ÖGB haben gemeinsame Positionen erarbeitet, dazu zählt flächendeckende Kinderbetreuung. Der Zuverdienst soll bestehen bleiben. „Wenn die Netto-Ersatzrate höher ist, als sie bis jetzt ist, wenn also das Armutsrisiko reduziert wird, dann wird ein Zuverdienst in dem Ausmaß nicht nötig sein müssen“, sagte Koza laut Ö1-Bericht.

Die Armutskonferenz warnte in einer Aussendung davor, dass „im Schatten der Ukraine-Krise die Arbeitslosenversicherung geschwächt und gekürzt wird“. Das Arbeitslosengeld sei in Österreich zu niedrig, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe seien seit 20 Jahren nicht der Inflation angepasst worden. Ein Zuverdienst sei bei Langzeitarbeitslosen arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, da er dort die Arbeitslosigkeit verkürze. Besonders in Bauindustrie, Tourismus und Arbeitskräfteüberlassung würden Arbeitgeber Arbeitslose beim Arbeitsmarktservice (AMS) monatelang zwischenparken. Eine bloße Degression am Anfang des Arbeitslosengeldes würde diese Fehlentwicklung verstärken, so die Armutskonferenz.

Auch die Caritas hat sich im Vorfeld für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und eine treffsichere Unterstützung für Langzeitarbeitslose ausgesprochen. Auch etwaige Einschränkungen beim Zuverdienst könnten sich auf die Gruppe der langzeitbeschäftigungslosen Menschen negativ auswirken, so Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, am Montag.

Derzeit ist beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe ein uneingeschränkter Zuverdienst bis zur Geringfügigkeitsgrenze von 485,85 Euro monatlich oder 6.801,90 Euro im Jahr möglich. Wer unter der Geringfügigkeitsgrenze bleibt, steige finanziell besser aus, so der Leiter des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn. „Der Plan der Politik geht also nur zur Hälfte auf: Es gibt zwar einen Anreiz, am Arbeitsmarkt teilzunehmen und diesen nicht vollständig zu verlassen. Allerdings bietet dies vielen wiederum eine Hürde, das Arbeitsausmaß über die Geringfügigkeit hinaus abseits der Schattenwirtschaft zu erweitern.“

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