Jetzt doch eine Frau in OÖ-Landesregierung

Eine Frau mit dunklen Haaren und rotem Schal vor einem hellen Hintergrund.
AMS-Chefin Birgit Gerstorfer wechselt in die Politik und wird SP-Chefin und Landesrätin.

Oberösterreichs AMS-Chefin Birgit Gerstorfer wird die Führung der SPÖ Oberösterreich übernehmen und zudem Nachfolgerin des scheidenden Landesrats Reinhold Entholzer. Darauf einigte sich der Landesparteivorstand Montagvormittag in Linz mit breiter Mehrheit. Damit wird es bei den Roten in OÖ eine angedachte Doppelspitze nicht geben, die leitenden Posten bleiben in einer Hand.

Gerstorfer war bisher immer als Favoritin für die Landesregierung gehandelt worden, hatte aber wenig Interesse an der Parteiführung gezeigt. Die 52-Jährige gilt als lösungsorientiert und gut vernetzt.

Frau in Männerregierung

Nach der Landtagswahl im vergangenen Herbst gab es viel Kritik daran, dass sich die oö. Landesregierung nur aus Männern zusammengesetzt hat. Im Oktober ging eine Kampfabstimmung im ÖVP-Landesparteivorstand zu Lasten von Doris Hummer aus, die somit ihren Landesratssessel verlor. Damit bestand die Regierung ausschließlich aus Männern, was für Diskussionen sorgte.

Drei Personen posieren für ein Foto in einem Gebäude.
ABD0055_20160606 - LINZ - ÖSTERREICH: ZU APA0159 VOM 6.6.2016 - (v.l.) Sozialminister Alois Stöger, die neue oberösterreichische SPÖ-Landesrätin und SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer und AK- und ÖGB-Landeschef Johann Kalliauer am Montag, 6. Juni 2016, anlässlich einer Pressekonferenz im Rahmen des Landesparteivorstandes in Linz. - FOTO: APA/HARALD DOSTAL

Seit Ende Jänner Interimslösung

Seit dem Landesparteitag Ende Jänner war man auf der Suche nach einer neuen Führung in Oberösterreich. SP-Landesrat Reinhold Entholzer hatte nach einer umstrittenen Personalentscheidung nicht mehr für den Parteivorsitz kandidiert und in weiterer Folge auch angekündigt, sich aus der Landespolitik zurückzuziehen. Seitdem führte AK- und ÖGB-Landeschef Johann Kalliauer interimistisch die SPÖ mit dem Ziel, ein neues Team aufzustellen.

Der aus Oberösterreich stammende Sozialminister Alois Stöger würdigte am Rande der Sitzung in Linz Gerstofer: "Mit ihr geht ein neuer Impuls von der Partei aus".

Der designierte SPÖ-Bundesparteivorsitzende Bundeskanzler Christian Kern und der interimistische SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erklärten in einer Presseaussendung, mit Gerstorfer habe die Landespartei ein "starkes Zeichen für Aufbruch und Erneuerung in Oberösterreich gesetzt". Sie verwiesen auf ihre Expertise in Sachen Beschäftigung und darauf, dass mit Gerstorfer "wieder eine Frau Teil der oberösterreichischen Landesregierung ist und die oberösterreichische Landespartei eine weibliche Vorsitzende hat". Ähnlich äußerten sich die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek und SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Brunner: "Im Gegensatz zur schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich, die keine einzige Frau in die Landesregierung entsandt hat, geht die SPÖ Oberösterreich nun mit gutem Vorbild voran."

Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) zeigte sich im Pressedienst seiner Partei davon überzeugt, dass Gerstorfer an ihre neuen Funktionen als Parteivorsitzende und Landesrätin mit demselben Sachverständnis und Elan herangehen werde, wie sie es als AMS-Chefin in der Vergangenheit schon bewiesen habe. Er freue sich auf eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die großen Herausforderungen in Oberösterreich - unter anderem auch im Sozialbereich - könnten nur mit einem "Schulterschluss aller Parteien" bewältigt werden. Er bedanke sich aber auch bei Landesrat Reinhold Entholzer für seine Arbeit in den vergangenen Jahren.

Die oberösterreichischen Grünen begrüßten die Entscheidung für Gerstorfer als neue SPÖ-Vorsitzende und Landesrätin. Die Landessprecherin Maria Buchmayr freute sich, dass eine Frau diese politischen Spitzenpositionen einnimmt. Damit werde "endlich die beschämende Phase einer frauenlosen OÖ. Landesregierung beendet". Umweltlandesrat Rudi Anschober würdigte sie als "offene, kompetente und weitsichtige Persönlichkeit". Er freue sich auf eine gute Kooperation mit der neuen Soziallandesrätin und "eine engagierte gemeinsame oberösterreichische Integrationspolitik, die von Menschlichkeit geprägt ist".

FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner hofft, dass es mit Gerstorfer "zu einem Abrüsten der Worte gegenüber der FPÖ kommen wird" und "mit diesem Wechsel nunmehr im Sozialressort ein vernünftiges Haushalten und Wirtschaften Einzug hält". Insgesamt zeige die Personalentscheidung aber, "dass die Zeiten der qualifizierten Personalreserven bei den Genossen längst der Vergangenheit angehören", mit der neuen SPÖ-Chefin komme nur "die dritte Wahl zum Zug", so Schreiner.

Mit Birgit Gerstorfer (52) übernimmt nicht nur erstmals eine Frau das Ruder in der oö. SPÖ, sondern auch jemand, der nicht aus dem Parteiapparat kommt. Die bisherige Landesgeschäftsführerin des AMS vergleicht ihren Wechsel in die Politik mit dem Umsatteln von einer "festverzinslichen Staatsanleihe" auf eine "Aktie mit gewissem Risikofaktor, aber hohen Gewinnchancen".

Gerstorfer hat zwar "Wurzeln als SPÖ-Gemeinderätin" in Alkoven, legte das Amt aber bereits Ende der 1990er-Jahre zurück, als sie in der AMS-Hierarchie nach oben stieg, weil sie eine politische Funktion damit nicht für vereinbar hielt. Sie gilt als umgänglich, pragmatisch und lösungsorientiert. Kraftausdrücke und unfreundliche Worte sind nicht das Ihre, wie sie selbst sagt, man könne auch anderes vehement für seine Positionen eintreten.

Ein Teil der Landesregierung, der sie künftig als einzige Frau angehören wird, ist ihr aus ihrer bisherigen Tätigkeit bereits bekannt. Mit der FPÖ hat sie allerdings so ihre Probleme, etwa bei der Kürzung der Mindestsicherung oder bei dem "Thema mit der Ausländerfeindlichkeit" könne sie nicht mit. Die Gretchenfrage, ob man auf Bundesebene mit den Freiheitlichen koalieren dürfen solle, ließ sie an ihrem ersten Tag aber noch offen.

Ihr Wechsel in die Landesregierung galt seit Längerem als wahrscheinlich. Für den Parteivorsitz kursierten aber eher andere Namen. Als zweite Wahl fühlt sie sich trotz langer Diskussionen und einiger Kandidaten, die den Job offenbar ausgeschlagen haben, aber nicht: "Das ist eine Frage des Zeitpunkts. Zu einem anderen Zeitpunkt war ich die zweite Wahl, heute bin ich die erste Wahl."

Beruflich startete die künftige rote Frontfrau und Soziallandesrätin erst nach der Karenz richtig durch: Sie arbeitete sich von einer Teilzeit-Stelle als Sekretärin des Eferdinger AMS-Leiters hoch bis zur Landesgeschäftsführerin des oö. Arbeitsmarktservices. Diese Position hat sie seit 2010 inne. Nebenbei absolvierte sie den Masterlehrgang Professional Master of Management und Leadership an der Johannes Kepler Universität, den sie 2013 abschloss.

Gerstorfer ist verheiratet, Mutter zweier erwachsener Töchter und dreifache Großmutter. Sie lebt in Alkoven (Bezirk Eferding) Privat entspannt sie bei der Gartenarbeit oder beim Kochen, wobei sie gerne experimentiert. Sie spielt leidenschaftlich Tennis und ist seit 40 Jahren Mitglied im Tennisverein Alkoven, wo sie auch im Vorstand sitzt. Sie liebt es zu reisen und engagiert sich im Soroptimist Club Eferding.

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