Nur zweimal Umsteigen, schon ist man in Glasgow

Nur zweimal Umsteigen, schon ist man in Glasgow
21 Stunden mit dem Zug nach Glasgow gegen drei Stunden Flug. Wäre toll gewesen, hätte es wenigstens Internet gegeben.

Zum Schluss war die Aufregung kurz groß – war die ganze, lange Reise sinnlos?

Wir reisen extra mit dem Zug von Wien unter dem britischen Kanal hindurch und hinauf Richtung Schottland nach Glasgow, mit Umsteigen in Brüssel und London, von Bett zu Hotelbett in gut 28 Stunden. Wegen dem Klima und dem Besuch der Klimaschutzkonferenz nicht mit dem Flugzeug. Nur um dann fürchten zu müssen, dass Zug #3 mit einer Diesellok angetrieben wird?

Wird er nicht. Auch die dritte Lokomotive zieht von der Oberleitung Strom. Wir fragen besser nicht, woher der kommt, England hat ja viel Atomkraft. Naja.

Eine Zugreise zwingt zur Entschleunigung. Überhaupt, wenn sie so lange ist und mit einer Fahrt mit dem Schlafwagen beginnt. Das kann sich seltsam anfühlen, vom Vollgas des Redaktionsalltags zum Vollstopp, sobald das Schlafabteil bezogen ist.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg war ja mit vielen Regierungschefs schon am Eröffnungstag bei der Klimakonferenz gewesen, Schallenberg flog allerdings mit dem Flugzeug für seinen dreiminütigen Auftritt (auch der US-Präsident bekam nicht mehr Zeit) am Rednerpult.

Wie eine Gefängniszelle

Wer es nicht kennt: So ein Einzelschlafabteil hat etwa fünf, vielleicht sechs Quadratmeter, mit einem Waschbecken und Klappbetten, die ausreichend bequem sind. Am Bett liegend wirkt es ein wenig wie eine Gefängniszelle aus einem US-Film, nur die Aussicht ist besser.

Über die Fahrt durch die Nacht lässt sich nicht viel erzählen. Der Zugbegleiter verspricht, um sieben Uhr morgens mit Kaffee und Kipferl aufzuwarten. Tatsächlich passiert bis 7:30 Uhr nichts, aus gutem Grund, sagt er dann: Der Zug hat über Nacht, irgendwo zwischen Schärding und Aachen, zwei Stunden Verspätung aufgerissen, wegen Umleitungen, das gibt es also auch bei der Bahn. Zwei Stunden – so lange dauert der Flug Wien – Brüssel.

Mit 300 km/h unter dem Meer

Der tollste Teil der Reise war sicher jener mit dem Eurostar durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal nach London. Die Strecke ist 1A, ganz ruhig, nur weite Kurven, und der Eurostar rauscht mit fast 300 km/h unter dem Meer hindurch. Und dann London, St. Pancreas, ein wunderschöner Bahnhof mit Harry Potter-Flair. Und dann noch die Reise von London nach Glasgow, in einem von der Botschaft organisiertem Waggon. Alles soweit okay, auch wenn es ordentlich schaukelte.

Es wäre alles okay gewesen, hätten wir wenigstens Internet-Empfang gehabt und Arbeiten können. Doch den gab´s nur bis Schärding. Deutschland war ein einziges Empfangsloch. Belgien nur wenig besser. Einzig, dass man unter dem Channel kein Internet hat, ist gerade noch zu entschuldigen. Dafür rüttelt der Zug nach Glasgow mehr, als dem Arbeitenden lieb ist.

Ob es eine gute Idee ist, auch die Heimreise mit dem Zug anzutreten? 

Bernhard Gaul berichtet laufend vom Klimagipfel in Glasgow, hier geht's zu seinem Tagebuch

 

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