Name: Christian Deutsch. Beruf: Feindbild

SPÖ-VORSTAND: DEUTSCH
Was die "Ohr-Anekdote" über den SPÖ-Bundesgeschäftsführer erzählt und warum er viele Parteifreunde gegen sich aufbrachte.

Zugegeben: Als Parteisekretär hat man es nicht leicht, sich beliebt zu machen.

Man muss dem Chef den Rücken freihalten und die unangenehmen Arbeiten erledigen. Und Zimperlichkeit ist dabei eher hinderlich.

Insofern ist es fast schon normal, wenn der SPÖ-Bundesgeschäftsführer kein Schmusebären-Image hat. Aber der Ruf, der Christian Deutsch vorauseilt, ist eine eigene Kategorie. Deutsch ist in weiten Teilen der Partei vor allem eines: ein Feindbild.

Was tut dieser Mann, um so viel negative Emotion zu erzeugen?

Eine hervorstechende Eigenschaft des Liesingers sei, selbst keinerlei Emotion zu haben, berichten  Deutsch-Kenner. Egal, ob ein freundlicher Ratschlag, eine  Information oder Kritik geäußert werde – an Deutsch perle alles ab.  „Mit Deutsch gelingt keine normale Kommunikation, er bleibt immer ungerührt“, erzählt ein Gesprächspartner.
Dazu passt die „Ohr-Anekdote“, die in der Löwelstraße über den  61-Jährigen kursiert: Vor vielen Jahren redigierte Deutsch einen SPÖ-Text, in dem der Satz stand „Als Politiker muss man ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen haben.“ Deutsch, so erzählen frühere Mitarbeiter, passte das nicht. Er befand: „Offenes Ohr“ klinge irgendwie nach einer Krankheit.

"Offenes Ohr klingt wie Krankheit"

„Durch die lange Zeit im Apparat wirkt er abgeschliffen, ohne jegliche Emotion“, sagt ein anderer SPÖ-Politiker. Auf gut Deutsch: Er ist ein klassischer Funktionär, der – im Sinne seiner Seilschaft – funktioniert. Und die ist mächtig genug, dass er trotz objektiver Erfolglosigkeit bisher nicht abgelöst wurde.
Christian Deutsch gehört zum Freundeskreis des ehemaligen Kanzlers Werner Faymann und der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures.  Michael Ludwig ist ihm verpflichtet, denn Deutsch hat Ludwigs Aufstieg zum Bürgermeister orchestriert. Er hat die Ablöse von Michael Häupl beschleunigt und im Zweikampf gegen Andreas Schieder geholfen, für Ludwig Stimmen zu organisieren.
 „Der Christian hat Qualitäten“, sagt ein Wegbegleiter. „Er ist ein klassischer Verteidiger, den man bei 1:0 in der 80 Minute ins Match bringt, damit er mit Blutgrätschen und mauernder Defensive das Ergebnis hält.“ Die Offensive, das „kommunikativ Pro-Aktive“ sei halt nicht seine Sache – und daher auch die Nachrede.

„Wiener Partie“

In den Bundesländern ist die „Wiener Partie“, die in der Bundesparteizentrale nach Gutdünken schaltet und waltet, ohnehin ziemlich verschrien. Das geht so weit, dass manch Landesgeschäftsführer argwöhnt, die SPÖ-Wien wolle nicht, dass die Bundespartei 2024 die Nationalratswahl gewinnt. Wien wählt 2025, und  gegen eine FPÖ-ÖVP-Regierung lasse sich prächtig mobilisieren und eine Wahl gewinnen, während ein roter  Kanzler nicht als Reibebaum tauge.
Auf SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird bei diesen Ränkespielen offenkundig wenig Rücksicht genommen. Mangels eigener Hausmacht hat sie wenig mitzureden, sondern ist auf die Unterstützung der Liesinger Seilschaft angewiesen.

Störmanöver in Doskozils Wahlkampf

Besonders angespannt ist das Verhältnis zwischen Deutsch und den Burgenländern. In der Schlussphase des Landtagswahlkampfes zum Jahreswechsel 2019/20 kündigte Deutsch 27 Mitarbeiter in der Löwelstraße – mit größtmöglichem Getöse: Er stellte den Mitarbeitern  die Kündigungen wortlos per Mail zu. Flashmobs und negative Berichterstattung platzten in Doskozils Wahlkampf. Dieser verkniff sich öffentliche Kritik und machte den Gefeuerten ein Jobangebot im Burgenland.

Deutsch hat als Wahlkampfleiter die Nationalratswahl 2019  verloren und als Bundesgeschäftsführer einen Parteitag organisiert, der wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen werden musste. Trotz dieser Flops war seine Position als Bundesgeschäftsführer bislang nie gefährdet. Ein SPÖ-Kenner: „Wichtiger als der Erfolg nach außen ist dieser Gruppe der Machterhalt nach innen. Und in dieser Disziplin sind die Liesinger schwer zu schlagen.“

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