Nach Rauscher-Rauswurf: Fake-Kurse auch an der PH Steiermark?

Vor zwei Wochen wurde der Rektor der PH Niederösterreich, Erwin Rauscher (75), gefeuert und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil er Lehrveranstaltungen abgerechnet hätte, die zwar im Campus-Management-System „PH Online“ abrufbar sind, aber nie gehalten wurden. Der Vorwurf lautet, dass durch die Eintragung von Tätigkeiten im PH-Online-System, die keine Lehrveranstaltungen darstellen würden, „über einen längeren Zeitraum Zahlungen an Hochschullehrpersonen erfolgt sind, die bei gesetzeskonformer Vorgangsweise nicht oder nicht in dieser Höhe angefallen wären“. Dadurch sei ein finanzieller Schaden für die PH entstanden.
Entlohnung
Der abgesetzte Rektor Rauscher bestreitet das System dieser Fake-Lehrveranstaltungen nicht. Er begründet das Vorgehen an seiner Hochschule damit, dass damit andere Tätigkeiten wie Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung von Social-Media-Kanälen über die Betreuung von Journalen entlohnt worden seien, für die es im Rahmen der Dienstpflichten keine Möglichkeit der Abgeltung gibt. Die Arbeit sei „weit mehr wert als die Abgeltung der Lehrveranstaltungen und wären bei Zukauf bei Dritten erheblich kostspieliger“ gewesen. „Der Vorwurf eines finanziellen Schadens erscheint für mich völlig unbegründet“, erklärt Rauscher.
Zu diesem Schluss kommt auch ein interner Prüfbericht vom Juni dieses Jahres. Darin heißt es unter anderem, dass solche Fake- oder „Dummy“-Lehrveranstaltungen seit Gründung der PH fest im System verankert seien. Und dass die Abbildung von „Dummy“- Lehrveranstaltungen in PH-Online „zum Zwecke der Abgeltung von Tätigkeiten, die keine Lehrveranstaltungen darstellen, auch an anderen PHs gängige Praxis sein könnte“. Auf KURIER-Nachfrage erklärt die Pressesprecherin von Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos), dass man dies ausschließe. „Sollte es Fälle an anderen PHs geben, dann werden Prüfungen eingeleitet“.
Wenige Tage später veröffentlichte Beatrix Karl, vormalige Ministerin und seit 2018 im Rektorat der PH Steiermark tätig, in ihrer Funktion als Vorsitzende der PH-Rektorinnen- und Rektorenkonferenz eine Presseaussendung (LINK), in der sie die Taten Rauschers verurteilte. „Bei gutem Hochschulmanagement ist es ohne Weiteres möglich, dass all diese Tätigkeiten in der Dienstzeit erbracht werden, sodass ihre Abgeltung durch das Gehalt erfolgt. Einer zusätzlichen Abgeltung durch Fake-Lehrveranstaltungen bedarf es keinesfalls! Mir ist auch nicht bekannt, dass dies an einer anderen Pädagogischen Hochschule außer der PH NÖ jemals so praktiziert wurde.“
Umso verwunderlicher, dass in der Onlinemaske der PH Steiermark seit 2018 mindestens 79 Lehrveranstaltungen mit dem Zusatz „Dummy“ zu finden sind. Die Suchabfrage PH-Online Steiermark ist frei zugänglich. Hier finden Sie den Link

Rektorin Karl reagierte auf diesen Vorhalt zuerst mit den Worten: „Was? Ich weiß nicht, was das sein soll. Das muss ich mir anschauen.“
Wenig später, nach Rücksprache mit ihrem Büro, sagt sie zum KURIER: „Diese Lehrveranstaltungen sind alle nicht abrechnungsrelevant.“ Also anders als im Fall Rauschers seien die Vortragenden nicht dafür entlohnt worden.
Warum sind diese Termine dann im PH-Online aufrufbar und vermerkt? „Die werden frühzeitig angelegt, vor dem Studienjahr.“ Es gehe darum, dass so die Lehrenden an den jeweiligen Instituten vorzeitig im Rahmen der Lehreplanung schon eine Einsicht haben, welche Lehrveranstaltungen sie im Folgejahr haben werden.
Warum ist das im PH-Online vermerkt? „Die echten Lehrveranstaltungen werden dann zu einem späteren Zeitpunkt angelegt. Das sind rein interne Geschichten für uns, da fließt keine Lehrvergütung.“
Nicht öffentlich
Ob diese Lehrveranstaltungen abgerechnet wurden oder nicht, ist nicht öffentlich einsehbar, sondern nur dem Rektorat bekannt. Dennoch ist die Auskunft Karls bemerkenswert, schließlich ist in der Strafanzeige gegen Rauscher, die vom Ministerium verfasst wurde, zu lesen: „Durch die Eintragung von Tätigkeiten in PH-Online, die keine Lehrveranstaltungen darstellen, wurden die Vorgaben in den Durchführungsbestimmungen nicht eingehalten. (...) Daher stellen diese Eintragungen eine Dienstpflichtverletzung dar.“
Bei weiterer Recherche zeigte sich, dass an der PH Steiermark auch Lehrveranstaltungen mit Titeln wie „Internal Use only“ oder „internal use only Personal“ aufzufinden sind und viele weitere, wo keine Teilnehmer vermerkt sind, kein Datum der Lehrveranstaltung und/oder kein Ort der Lehrveranstaltung angeführt sind.
Rektorin Karl verteidigt dieses Vorgehen ebenso, es handle sich wie oben erwähnt um rein administrative Termine, für die kein Entgelt angefallen ist. "Dazu ist anzumerken, dass durch den Zusatz "Dummy oder Internal Use Only" klar ausgeschildert ist, dass es sich nicht um eine Lehrveranstaltung im studienrechtlichen Sinne handelt", sagt Karl zum KURIER. Diese Begriffe seien gerade deshalb so gewählt, damit für alle ersichtlich sei, dass das keine Lerhveranstaltungen seien und daher auch keine Abgeltung dahinterstecke. "Eine Dienstpflichtverletzung", so Karl weiter, "liegt hingegen dann vor, wenn Lehre eingetragen und abgegolten wird, obgleich sie nicht gehalten wurde, weil in diesem Fall für eine nicht erbrachte Leistung eine Vergütung bezogen wird."
Das Ministerium argumentiert, die Steirer würden eben das Tool „PH-Online auch als Planungs- und Organisationstool des gesamten (Studien-)Betriebes“ verwenden und zur Planung und Abwicklung zahlreicher hochschulischer Aktivitäten nützen.
Wie sehr die Nerven in der Causa Rauscher im Ministerium blank liegen, zeigt ein Vorfall bei einer Veranstaltung an der PH NÖ, bei der der Generalsekretär des Bildungsministeriums, Martin Netzer, seine Sicht der Causa Rauscher schilderte. Eine Hochschulprofessorin stellte dann in einer Wortmeldung fest, dass Rauscher immer ein umsichtiger Rektor gewesen sei, für ihn müsse jedenfalls die Unschuldsvermutung gelten. Netzer konterte scharf: „Ich bin erschüttert. Erschüttert über ihr Rechtsverständnis. Und mache mir Sorgen, wenn Personen wie Sie mit diesem Rechtsverständnis unsere Lehrerinnen und Lehrer ausbilden.“
Netzer erklärt dazu gegenüber dem KURIER, er sei emotional geworden, weil die Frau ihn mehrmals unterbrochen habe, zudem habe die Frau aus Sicht von Netzer argumentiert, dass bestimmte rechtliche Normen für Rauscher, der auch für Netzer ein „zweifellos verdienter Rektor“ sei, nicht gelten. „Dagegen bin ich ausgeritten.“
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