Nach Lkw-Anschlag schlägt Israel härtere Gangart ein: Mehr Vorbeugehaft

Benjamin Netanjahu bei einer Kabinettssitzung in Israel.
Israels Regierung lässt die Muskeln spielen.

Mehrere Monate war Ruhe an der Spontan-Täter-Front gegen Israel. Doch am Sonntag hinterließ der Amok-Raser in Jerusalem eine besonders blutige Spur mit vier Toten und 15 Verletzten. Israels Kabinett kündigte noch in der Nacht zum Montag harte Gegenmaßnahmen an. Doch sind Vorbeugehaft, Hauszerstörungen und auch die anonyme Beerdigung der Täter an unbekanntem Ort nicht neu.

Ihre Wirkung ist so umstritten wie beschränkt. Auch Israel kennt kein Allheilmittel gegen den Terror. Die Sicherheitsexperten des Landes sind bei ihren Einschätzungen vorsichtiger und leiser als die Politiker.

"Wir werden das Recht gegen IS-Sympathisanten voll ausnutzen", erklärte Premier Benjamin Netanjahu. Notfalls müsse das bestehende Recht geändert werden. Wobei unklar bleibt, ob er die obligatorischen Terror-Bejubler in den digitalen Netzwerken meint oder Personen, die sich auf den einschlägigen Webseiten der Terrormiliz " Islamischer Staat" (IS) "informieren". Beide Gruppen machen sich auch nach den bestehenden Gesetzen strafbar.

Kolonialrecht

Alle vom Kabinett erwähnten Maßnahmen sind Überbleibsel aus dem Notstandsgesetz des britischen Kolonialrechts. Ihre Anwendung in Israel ist seit der Staatsgründung 1948 ständig Thema von Eingaben an das Oberste Gericht. Immer wieder äußerten die Richter ihren Unwillen an deren Anwendung. Hie und da verschärften sie die Kontrollen. Immer wieder bestätigten sie aber auch Einschränkungen individueller Rechte. In einem Staat wie Israel, der tagtäglich Terror-Angriffen ausgesetzt ist, hat auch die Justiz keine eindeutigen Antworten.

Auf ausdrückliche Anforderung des Obersten Gerichts arbeitet das Parlament seit einigen Jahren an einem neuen Notstandsgesetz, das die alten Kolonialgesetze ablösen soll. Juristen in der westlichen Welt warten gespannt auf das neue Gesetz, das im nächsten Jahr vorliegen soll. Ein Resümee aus Israels Erfahrungen, das in den USA wie in Europa aufmerksam beobachtet wird.

Keine neue Intifada

In der Vergangenheit sind in Israel schon mehrmals Anschläge verhindert worden, weil Verwandte die Polizei vor Angriffsplänen Angehöriger vorgewarnt hatten. Überhaupt ist die palästinensische Öffentlichkeit nicht darauf aus, eine neue Intifada zu unterstützen. Sie hat mit deren Wirkungslosigkeit in der Vergangenheit ihre bitteren Erfahrungen gemacht.

Der Verdacht, Premier Benjamin Netanjahu habe mit Medien-Mogul Noni Moses hinter den Kulissen ein Spielchen abgekartet, ist auch für Israels abgehärtete Öffentlichkeit ein Schock. Immer wieder hatte Netanjahu geklagt, er werde von Moses´ Zeitung Yedioth verfolgt. Nun meldete die Haaretz, die Polizei verfüge über Tonaufzeichnungen von Gesprächen zwischen Moses und Netanjahu aus dem Jahr 2009, aber auch danach, die Absprachen belegten.


Demnach habe der da zeitweise schon amtierende Premier seinem medialen Widersacher nicht gerade sittliche Angebote unterbreitet. Vor allem: Für eine sympathischere Darstellung seiner Person im Massenblatt Yedioth wollte er das ihm sklavisch ergebene Umsonst-Blättchen Hayom einschränken, das seit zehn Jahren Israels Zeitungsmarkt umkrempelt. Die Zeitung könne am Wochenende nicht erscheinen, hieß es oder sogar ganz eingestellt werden. Was dem einstigen Marktführer Yedioth wieder etwas mehr Luft auf dem enger gewordenen Anzeigenmarkt verschafft hätte.

Die Vorwürfe bestätigen Netanjahus Plan, sich mit Hilfe befreundeter Milliardäre und Gratis-Blättern Israels Medien gefügig zu machen. Sie setzen aber auch Fragezeichen hinter die Zuverlässigkeit von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit, einem langjährigen Vertrauten Netanjahus. Mandelblit ignorierte allzu lange die Tonbänder, die ihm bekannt waren.
N. Jessen, Tel Aviv

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