Heftige Oppositionskritik an "Maulkorb" für Statistik Austria

Heftige Oppositionskritik an "Maulkorb" für Statistik Austria
Sozialministerium strich laut Medienbericht Fragen zu Arbeitszeit und Überstunden aus Erhebung der Statistik Austria.

Die drei Oppositionsparteien sehen die Unabhängigkeit der Statistik Austria in Gefahr. Auslöser der Kritik war ein Medienbericht, wonach das FPÖ-geführte Sozialministerium Fragen zur Arbeitszufriedenheit aus einer großen amtlichen Umfrage gestrichen habe.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda kritisiert, dass "die Statistik Austria zunehmend zum Spielball für die ÖVP/FPÖ-Regierung und ihre Message Control" werde und schreibt von einem "Maulkorb" für die Behörde. Drozda fürchtet eine Ansiedlung der Statistik Austria im Kanzleramt, solche Pläne wären ein "Schritt in Richtung illiberale Demokratie".

Das Kanzleramt hat bereits am Wochenende betont, dass weder die Statistik Austria noch deren Kommunikation in das Kanzleramt übergehen soll. Diese Behauptungen seien "unwahr". Aber neben der SPÖ schenken auch die Neos dieser Versicherung wenig Glauben. Die Liste Jetzt (früher Pilz) warnt ebenfalls vor "Vereinnahmung und Bevormundung".

Brisante Überstunden-Befragung

Grund für die aktuelle Kritik ist ein Standard-Bericht. Überstunden und All-in-Verträge (darin werden Mehrleistungen pauschal abgegolten) sorgen immer wieder für Diskussionsstoff zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Laut Statistik Austria wurden im Jahr 2017 exakt 249,6 Millionen Mehr- und Überstunden in Österreich geleistet, davon waren 45,3 Millionen unbezahlt, ein Anteil von rund 18 Prozent. Diese Zahlen wurden Ende Jänner bekanntgegeben.

Brisant: Die Statistik Austria hätte heuer genau zu diesen Fragen eine umfassende Erhebung durchführen sollen - doch dazu kommt es wohl nicht. Wie der Standard berichtet, hat das Arbeits- und Sozialministerium unter FPÖ-Ressortchefin Beate Hartinger-Klein die geplante Befragung "in letzter Minute" abgedreht.

Umfrage nach neuem Arbeitszeitgesetz

Auch die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit wäre demnach Thema der Erhebung gewesen. Zur Erinnerung: 2018 führte die türkis-blaue Regierung unter massiven Protesten der Gewerkschaft eine Arbeitszeitflexibilisierung  mit der Möglichkeit eines 12-Stunden-Tages ein.

Heftige Oppositionskritik an "Maulkorb" für Statistik Austria

Gewerkschaftsproteste gegen Arbeitszeitflexibilisierung

Fünf Zusatzfragen

Bei der Befragung handelte es sich um fünf Zusatzfragen im regelmäßig stattfindenden Mikrozensus, der wichtigsten statistischen Befragung in Österreich. Dabei fragt die Statistik Austria pro Quartal rund 50.000 Menschen nach ihren persönlichen Lebensumständen, zum Beispiel werden die Wohnsituation und das Arbeitsleben abgefragt.

Die Fragen laufen in der EU nach einem einheitlichen Schema ab, Fragen sind standardisiert, Themen vorgegeben. Zudem gibt es jährlich einen Schwerpunkt. Für 2019 gibt die EU die Themen Arbeitszeit und Arbeitsorganisation vor. Zuletzt gab es im Jahr 2015 einen Schwerpunkt zu diesen Themen. Im Rahmen dessen kann jedes Land Zusatzfragen stellen, diese wurden jetzt aber offenbar gestrichen.

Zwei dieser Zusatzfragen hießen laut dem Standard

"Besteht in Ihrem Arbeitsvertrag eine Vereinbarung, dass Überstunden pauschal abgegolten werden, wie z._B. ein All-in-Vertrag oder eine Überstundenpauschale?"

"Passt Ihre Arbeitszeitgestaltung im Allgemeinen sehr gut, ziemlich gut, weniger gut oder gar nicht gut zu Ihren persönlichen Lebensumständen?"

In der Verordnung für die Umfrage, die das Sozialministerium herausgeben muss, fehlen diese und andere Fragen, heißt es in dem Bericht.

Sozialministerium: "Meinungen statt Fakten"

Das Sozialministerium begründete die Vorgehensweise wie folgt: "Bei der erwähnten Umfrage handelt es sich um Meinungen, aber nicht um notwendige Fakten für das Ministerium zum Thema Zufriedenheit mit Arbeitszeit. Daher und aus dem Grundsatz sparsamer Mittelverwendung wurde von einer Teilnahme abgesehen."

Erst kürzlich sorgten Medienberichte für Aufsehen, wonach das Bundeskanzleramt einen Totalumbau der Statistik Austria planen soll. Der Vertrag des SPÖ-nahen Direktors Konrad Pesendorfer soll nicht verlängert, die Analyseabteilung aufgelöst und die Pressestelle verkleinert werden, 

Die Regierung handelte sich damit den Vorwurf ein, in die Unabhängigkeit der Statistik Austria eingreifen zu wollen, was diese zurückwies.

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