Martin Winkler: "Man hat die Arbeitnehmer verloren"

Martin Winkler,  SPÖ  OÖ
Der neue oberösterreichische Landesparteiobmann über die Herausforderungen der SPÖ, seinen Wechsel in die Politik und sein Verhältnis zu Andreas Babler und Hans Peter Doskozil.

Beim Landesparteitag der SPÖ Oberösterreich wird heute, Samstag, Landesrat Martin Winkler als neuer SPÖ-Landesparteiobmann bestätigt. Er will sich im Bundesland vor allem mit der FPÖ matchen. Und die SPÖ auf die Themen Leistung, Respekt und Sicherheit trimmen.

KURIER: Herr Winkler, Sie wurden bereits von den Mitgliedern mit rund 96 Prozent zum neuen Landesparteivorsitzen der SPÖ Oberösterreich gewählt. Sie gelten als sehr erfolgreicher Unternehmer, warum tut man sich es dann an, in die Landespolitik zu gehen?

Martin Winkler: Weil man in der Politik etwas bewegen will und man das Gefühl hat, dass es von Nutzen ist, mit seinem Erfahrungshintergrund in Oberösterreich etwas beizutragen.

Aber Ihr Profil passt irgendwie nicht zur SPÖ. Sie waren zuletzt im Treasury Management tätig, also ein Unternehmensberater im Finanzbereich.

Ich glaube, dass ich sehr gut zum Profil einer sozialdemokratischen Partei passe. Die Themen Leistung, Respekt, Sicherheit, das sind drei Begriffe, mit denen ich mich identifizieren kann. Das sind auch jene Begriffe, mit denen bereits Bruno Kreisky politisch tätig war. Bei seinem ersten Wahlkampf sprach er von Leistung, Aufstieg und Sicherheit. Das sind Dinge, mit denen vielleicht die Sozialdemokratie einige Jahrzehnte nicht mehr so stark identifiziert wurde, aber es sind ursozialdemokratische Themen. Die sind aktuell auch in Oberösterreich nachgefragt. Weshalb ich glaube, dass ich da ein interessanter Kandidat für die Wählerinnen und Wähler bin.

Da muss man für einen Unternehmensberater sofort die Gretchenfrage anhängen: Vermögens- und Erbschaftssteuer, wie stehen Sie dazu? Sind solche Steuern notwendig?

Sie stehen nicht im Regierungsprogramm, aber wir sind uns alle darüber im Klaren, dass Erben keine Leistung ist. Das ist mehr eine Geburtslotterie, ob man von seinen Eltern etwas vererbt bekommt. Da es keine Leistung ist, glaube ich, dass es ganz logisch ist, dass man dafür an den Staat etwas abgeben sollte. Leistung ist für uns das, was wir alle Tag für Tag als Beitrag für eine gute Entwicklung in unsere Wirtschaft und Gesellschaft einbringen. Ich und viele andere Unternehmer sind für eine vernünftige Erbschaftssteuer, das ist jetzt keine riesige Überraschung. Das Thema Vermögenssteuer ist etwas herausfordernder. Wir müssen natürlich unternehmerisches Vermögen sichern, erhalten und auch über Generationen weitergeben können. Andererseits braucht der Staat auch einen Beitrag von den größeren Vermögen. Das muss in einer vernünftigen Form geregelt werden. Aber das ist in den nächsten Jahren in Österreich ohnehin kein Thema.

Als Unternehmensberater sieht man sich die Firmen an und erstellt Diagnosen. Was haben Sie gesehen, als Sie sich die SPÖ Oberösterreich angeschaut haben? Immerhin ist diese bei der Landtagswahl 2021 unter die 20-Prozent-Marke gerutscht, das kann nicht der Anspruch sein.

Es gibt schon einiges zu tun. Die Sozialdemokratie ist ja nicht nur in Österreich unter Druck gekommen, sondern auch in anderen Ländern. Es gibt zwei große Themen: Das eine ist die wirtschaftliche Zukunftserzählung, die verloren gegangen ist. Das andere ist, dass man die Arbeitnehmer verloren hat. Das ist eine ganze große Herausforderung. Ich arbeite an einem Wirtschaftsprogramm, an einem Plan für Oberösterreich. Es braucht die positive Zukunftsperspektive, und die kommt aus dem Wirtschaftsbereich. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss wieder ein Vertrauen vermittelt werden, dass sie das Gefühl bekommen, die SPÖ ist die Partei ihrer Interessen, ihres kulturellen Ausdrucks und ihres Heimatgefühls.

Wie wollen Sie das angehen?

Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man als Unternehmensberater trainieren muss, ist das Zuhören. Das hat sehr viel mit Respekt zu tun, wie ich ihn verstehe. Ich mache derzeit sehr viele Haus- und Betriebsbesuche und höre den Menschen zu. Da lernt man, was die Menschen in Oberösterreich beschäftigt. Dieses Zuhören, dieses nach Hause Kommen, bei der Türe Anläuten, sich Vorstellen und mit den Menschen Sprechen, wird sehr gut angenommen. Wenn ich alle 438 Gemeinden in Oberösterreich besucht habe, wird das einen richtigen Winkler-Effekt geben.

Ob es einen Winkler-Effekt gegeben hat, wird man bei der nächsten Landtagswahl 2027 sehen. Wenn man sich die derzeitigen Umfragen ansieht, legt eigentlich nur die FPÖ zu, und die ÖVP hat noch immer den ersten Platz.

Wir haben in Oberösterreich die Situation, dass die Vorherrschaft der ÖVP stark in Frage gestellt ist. Die ÖVP dürfte ihren eigenen Umfragen nicht mehr glauben, dass sie rund um den Parteitag der SPÖ eine Kampagne mit dem Landeshauptmann platziert. Man will die Kommunikation unserer Themen vom Parteitag mit Geld zudecken. Und die FPÖ verfolgt natürlich die Strategie, sich nicht auf den ersten Platz zu begeben, sondern im Windschatten der ÖVP an der Führungsrolle zu arbeiten. In Wirklichkeit liegt die FPÖ aktuell stabil, außerhalb der Schwankungsbreite, vor der ÖVP. Das weiß natürlich die ÖVP und wird deswegen nervös. Würde sie sonst mehrere 100.000 Euro in eine Kampagne investieren?

Wie sehen Sie da Ihre Positionierung und die der SPÖ im bevorstehenden Wahlkampf?

Wir führen die Hauptauseinandersetzung mit der FPÖ, weil wir ihr bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wieder den ersten Rang abnehmen wollen. Das ist entscheidend, um zulegen zu können. Beim Thema Sicherheit sind wir das bessere Angebot. Mit Angstmacherei entsteht keine Sicherheit. Ich als Wirtschaftsmann werde natürlich ein möglichst breites Publikum ansprechen. Das wird auch die ÖVP Stimmen kosten.

In einem Interview haben Sie da für Aufregung gesorgt, weil Sie grundsätzlich eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließen wollen.

Die FPÖ ist in der politischen Auseinandersetzung unser wesentlicher Gegner. Da gibt es viele Themen. Etwa dass die FPÖ in Richtung Orbánistan liebäugelt. In Oberösterreich will aber niemand einen Demokratieabbau wie unter Orbán. Oder dass die Freiheitlichen einen rechtsextremen Kern haben, also die berühmten Einzelfälle der FPÖ, die eigentlich eine endlose Serie sind.

Da müssten Sie doch eigentlich sagen, mit denen koalieren wir sicherlich nicht.

Schauen Sie, man ist in der Politik, um bei Wahlen möglichst gut abzuschneiden. Am Ende sind immer die Wählerinnen und Wähler am Wort. Und dann ist man in der Demokratie aufgerufen, mit dem Wahlergebnis umzugehen. Wir haben in Oberösterreich eine Proporzregierung. Ich sitze also schon jetzt mit der FPÖ in der Landesregierung. Präferieren werde ich eine Koalition mit der FPÖ nicht, wir streben das nicht an. Aber ich werde die FPÖ nicht ausschließen. Das kann ich gar nicht, weil ich mit ihr ohnehin in der Proporzregierung bin.

Und wie ist Ihre Gesprächsbasis mit ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer?

Wir haben eine sehr gute Gesprächsbasis. Für uns ist auch die ÖVP ein viel leichterer Partner. Meine Hand an den Landeshauptmann ist in vielen Fragen ausgestreckt.

Martin Winkler,  SPÖ  OÖ

Kommen wir zur Bundespolitik. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Dreierregierung?

Der Antritt der SPÖ in der Bundesregierung war überraschend gut. Man muss Andreas Babler zur Auswahl seiner Ministerinnen und Minister gratulieren. Es ist kein Zufall, dass der Finanzminister der beliebteste Minister ist. Was die Herausforderungen anbelangt, wird man erst in den kommenden Monaten sehen, wie es funktioniert. Die Dreierkoalition muss jetzt liefern. Was unser Team anbelangt, habe ich ein gutes Gefühl, dass man sich entsprechend einbringen wird.

Und wie sieht es innerhalb der SPÖ aus nach der Auseinandersetzung zwischen Andreas Babler und Hans Peter Doskozil 2023? Sie waren in der Landesholding von Doskozil im Aufsichtsrat tätig. Auf welcher Seite stehen Sie da?

Ich habe die komfortable Lage, dass mir sowohl Andreas Babler als auch Hans Peter Doskozil gratuliert haben und mich bei dem, was ich in Oberösterreich mache, unterstützen. Es ist wirklich gut, dass ich 30 Jahre nicht in der Politik tätig war. Ich habe keine Zugehörigkeiten in die eine oder andere Richtung, die mich belasten. Insofern habe ich mit allen ein gutes Verhältnis, und das pflege ich auch.

Der große Unterschied zwischen Ihrem jetzigen Beruf und der Unternehmensberatung davor ist, dass man in der Politik nicht so leicht zu einem Ziel kommt. Und meist ist es nach vielen Gesprächen auch nicht das Ergebnis, das man eigentlich wollte. Wie sehen Sie das?

Politik ist die Umsetzung des Machbaren. Und wenn man die falsche Vorstellung hat, erlebt man rasch eine Realitätsbremse, weil Dinge lange dauern, weil es das Bohren von harten Brettern ist. Aber da war und bin ich nicht naiv. Ich habe mir das alles sehr realistisch vorgestellt, da benötigt man einen langen Atem. Ich habe in den kommenden zehn Jahren nichts anderes vor und werde mich da intensiv in Oberösterreich einbringen.

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