Fischer drückt Missfallen über Mandela-Entscheidung aus
Bundespräsident Heinz Fischer hat am Mittwochabend in Lübeck sein Missfallen darüber ausgedrückt, dass es mit einer Vertretung Österreichs bei den Begräbnisfeierlichkeiten in Johannesburg nicht geklappt hat. Er selber habe sich die Entscheidung sehr schwer gemacht, sagte Fischer, der beim Festakt zum hundertsten Geburtstag Willy Brandts (siehe unten) die Festrede hielt.
Eine Würdigung Nelson Mandelas baute Fischer in seine Rede über den früheren deutschen Außenminister und Bundeskanzler sowie SPD-Vorsitzenden Willy Brandt ein, die er am Mittwochabend in der Kongresshalle der Hansestadt Lübeck im Beisein des deutschen Staatsoberhaupts Joachim Gauck hielt.
"Ich bedaure, dass es im Ergebnis so herausgekommen ist", sagte Fischer im Lübecker Willy-Brandt-Haus auf die Frage von Journalisten. "Dass es mit der Vertretung solche Holprigkeiten gegeben hat, um das vorsichtig zu formulieren, hat mir nicht gefallen."
Fixe Zusage
Er selbst habe es schwer gehabt mit der Entscheidung zwischen der fixen Zusage, zum hundertsten Geburtstag Brandts die Festrede zu halten. "Aber ich konnte und wollte meine Zusage nicht zurückziehen." Seine persönliche Wertschätzung für Mandela habe er bei vielen anderen Gelegenheiten stets zum Ausdruck gebracht.
Der deutsche Bundespräsident hatte allerdings sein Land in Südafrika repräsentiert und war trotzdem rechtzeitig zum Festakt nach Lübeck gekommen. Dazu Fischer: Gauck könne über ein Regierungsflugzeug verfügen und die Abflug- und Ankunftszeiten festlegen, was ihm, Fischer, nicht möglich sei. In dem Falle wäre dies wertvoll gewesen.
Fischer sagte, er habe Verständnis dafür, dass die fehlende Präsenz Österreichs in Johannesburg kritisiert werde, "Jeder hat das Recht, auch scharfe Kritik zu üben." Für ihn persönlich sei es nicht eine Entscheidung zwischen Willy Brandt und Nelson Mandela gewesen, sondern die Entscheidung, eine fixe Zusage einzuhalten oder nicht.
Großer Tag für die Hansestadt Lübeck: Hier kam Willy Brandt am 18. Dezember 1913 zur Welt, hundert Jahre später ehrte ihn seine Heimatstadt mit der größten Geburtstagsfeier.
In der Stadthalle versammelten sich am frühen Mittwoch Abend 1500 Sozialdemokraten, Freunde und Familienangehörige, darunter seine Kinder und Enkel. Viele aktuelle und frühere Mitglieder der SPD-Spitze waren da und viele Weggefährten Brandts, darunter sein lebenslang engster Berater und Vertrauter, der heute 92-jährige Egon Bahr. Der von den Trauerfeierlichkeiten für Nelson Mandela aus Südafrika direkt eingeflogene Bundespräsident Joachim Gauck sprach ein Grußwort.
Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer hielt die Festrede. Er hatte in seinen vielen sozialdemokratischen Funktionen Brandt „seit seinen Tagen als Bürgermeister von West-Berlin gut gekannt.“ Er lobte Brandt als „einen der großen europäischen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, der einen tiefen Eindruck hinterlassen hat bei allen, die ihn kennenlernen durften.“
Brandt habe „mit seinen Facetten und Talenten niemanden kalt gelassen, ein Mensch mit Emotionen, der Emotionen weckte“, beschrieb Fischer die trotz des Friedensnobelpreises in Deutschland bis heute nicht ganz unumstrittene Figur. Aber „die Geschichte hat zu seinen Gunsten entschieden, er war ein Glück für Deutschland und Europa.“
Kreisky-Freund
Fischer erinnerte in warmen Worten an die Stationen des „linken Demokraten“ in heftigen Zeiten „mit extrem negativen und stark positiven Empfindungen“. In seinen 23 Jahren als SPD-Vorsitzender und fünf Jahren als Bundeskanzler habe sich „in Europa und Deutschland unglaublich viel ereignet“, der politische Gestaltungsraum sei damals wohl größer gewesen als heute. Und Brandt sei auch „ein Freund Österreichs und seines damaligen SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky aus frühen Emigrationszeiten“ gewesen, erinnerte Fischer bewegt.
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