Doch nicht in Verfassung: Regierung will Kopftuchverbot alleine beschließen

Doch nicht in Verfassung: Regierung will Kopftuchverbot alleine beschließen
"Kein Tauschhandel" bei Kopftuchverbot: Türkis-Blaue Absage an SPÖ.

Die Regierung wird das geplante Kopftuchverbot in Volksschulen wohl ohne die Stimmen von SPÖ und NEOS und damit nur als einfaches und nicht als Verfassungsgesetz beschließen. Vertreter von ÖVP und FPÖ lehnte am Rande des Ministerrats am Mittwoch die von den Oppositionsparteien geforderten Verhandlungen über Integrationsmaßnahmen ab.

"Wir lassen uns nicht auf einen Tauschhandel ein", sagte Regierungskoordinator und Verkehrsminister Norbert Hofer ( FPÖ). Man "lade" die Opposition aber ein, dem vorliegenden Gesetzestext zuzustimmen, so Hofer.

"Es geht nicht, um friss Vogel oder stirb"

Vizekanzler FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach davon, dass man die Oppositionsparteien "zu Gesprächen einladen werde" und er sich einen Beschluss "auf möglichst breiter Basis" wünsche. Man werde das aber nicht mit etwas anderem verknüpfen. "Es geht nicht, um friss Vogel oder stirb", sondern um den Schutz von kleinen Kindern vor einer "Frühsexualisierung", so Strache.

Auf die Frage, worüber man dann überhaupt mit der Opposition reden wolle, antwortete ÖVP-Klubobmann: "Über den Gesetzestext."

Wenig Betroffene

Wie viele Mädchen so ein Verbot überhaupt betreffen würde, ist ohnehin umstritten. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ gab schon im Frühjahr 2018 bekannt, dass in islamisch-konfessionellen Volksschulen laut internen Erhebungen knapp 15 Prozent der Mädchen ein Kopftuch tragen würden. Die Hälfte der Trägerinnen würden nur gelegentlich darauf zurückgreifen.

Österreichweite Zahlen liegen nicht vor. In Tirol geht man von rund 19 Mädchen mit islamischem Hintergrund in Volksschulen aus, die ein Kopftuch tragen, sagte Bildungslandesrätin Beate Palfrader ( ÖVP), die einem Verbot kritisch gegenüber steht, der APA. Dies sei rund ein Prozent der 1.910 Schülerinnen muslimischen Glaubens in den Tiroler Pflichtschulen. Insgesamt verzeichnet man im Bundesland derzeit 55.000 Pflichtschüler.

Video: Wiener Bürgermeister Ludwig gegen Einzelmaßnahme

Ludwig gegen Kopftuchverbot als Einzelmaßnahme

Eine genaue Statistik zu Kopftuch tragenden Mädchen in Volksschulen liege nicht vor, so Palfrader, die aktuelle Zahl würde aber ein Rundruf bei der Schulaufsicht in den Bezirken ergeben. Auch im urbanen Bereich mit einem relativ hohen Migrantenanteil, etwa im Stadtteil Pradl der Landeshauptstadt Innsbruck, komme das Kopftuch in der Volksschule nur in verschwindendem Maße vor, meinte die Landesrätin.

"Legislatives Risiko"

Unabhängig von den konkreten Zahlen, besteht bei einer einfachgesetzlichen Regelung freilich die Gefahr, dass so ein Kopftuchverbot "in hohem Maße rechtlich anfechtbar" wäre, sagt der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk gegenüber der APA

Theo Öhlinger geht zwar "eher" davon aus, dass die Regelung beim Verfassungsgerichtshof hielte, aber sicher sei das nicht. Wobei die beiden Verfassungsrechtler unterschiedliche Gründe für eine mögliche Aufhebung nennen: Für Öhlinger ist die verfassungsrechtliche Absicherung nicht deshalb geboten, weil die Religionsfreiheit betroffen wäre - denn auch die Religionen hätten sich an die allgemeinen Gesetze zu halten. Er sieht das Problem vielmehr darin, dass für einen Teil der schulrechtlichen Bestimmungen das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit vorgeschrieben ist.

 Dazu zählen Angelegenheiten, die das Verhältnis von Schule und Kirchen betreffen. Das wäre aus Öhlingers Sicht zwar beim Kopftuchverbot nicht der Fall, weil das eigentlich eine "innere Ordnungsfrage" wäre. Aber das Erfordernis der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit werde in der Praxis sehr weit ausgelegt. Wie der VfGH - würde er angerufen - diese Frage beurteilt könne man nicht vorhersagen, auch eine Aufhebung wäre durchaus denkbar.

Funk sieht hingegen sehr wohl die Frage der Religionsfreiheit berührt. Auch wenn man auf Sozialverträglichkeit abstelle stehe sehr wohl die Religion, konkret der Islam, im Hintergrund. Denn nur islamische Schülerinnen würden ein Kopftuch tragen. Aber auch wie der VfGH unter diesem Blickwinkel entscheidet, lässt sich nicht vorhersagen: Man könne auch nicht ausschließen, dass das Verbot hält - aber sicher sei das auch nicht. Somit wäre das wieder - wie etwa schon bei der Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland - eine "Grenztestung" nach dem "Prinzip des legislativen Risikos".
 

Walter Rosenkranz in der Aktuellen Stunde im Parlament

Walter Rosenkranz (FPÖ-Klubobmann)

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