Kassenfusion steht – und schon bricht eine Protestwelle los

Kassenfusion steht – und schon bricht eine Protestwelle los
Sozialversicherung. Regierung löst die Hauptverbandsspitze ab. SPÖ-Länder und Arbeiterkammern üben scharfe Kritik.

Heute, Freitag, um 9 Uhr früh präsentiert die Bundesregierung eines ihrer Prestigeprojekte: die Reform der Sozialversicherungsträger.

Die Grundzüge der Reform sind seit längerem bekannt, nun ist jedoch der Gesetzestext fertig. Er wird in Begutachtung geschickt und soll im Herbst vom Parlament beschlossen werden, damit die Umsetzung der Kassenfusion 2019 starten kann. 2020 soll sie abgeschlossen sein.

Die Anzahl der Kassen wird von derzeit 21 auf fünf reduziert (siehe Grafik), der größte Brocken ist die Verschmelzung von neun Landes-Gebietskrankenkassen zu einer zentralisierten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Die Regierung will damit bis 2023 eine Milliarde im Sozialversicherungssystem einsparen.

Kassenfusion steht – und schon bricht eine Protestwelle los

Von der beabsichtigten Kassenreform sind gleich zwei heilige Kühe auf einmal berührt: der Föderalismus und die Selbstverwaltung der Versicherungen durch die Sozialpartner.

Mit den schwarzen Ländern hat sich die Bundesregierung geeinigt, „wir sind im Konsens“, sagte der Vorarlberger Landesrat Christian Bernhard im KURIER. Damit ist die parlamentarische Mehrheit für den Beschluss der Reform gesichert.

„Gepackelt“

Protest kommt jedoch von den SPÖ-Ländern: mit ihnen habe niemand geredet, der Deal sei „nur im Kreise der schwarzen Landesräte mit der Ministerin gepackelt“ worden. Die SPÖ-Länder können juristisch gegen die Reform vorgehen: entweder, indem sie den Konsultationsmechanismus auslösen, wenn sie finanziell belastet werden; oder, indem sie das Gesetz mit einem Drittel der Bundesräte vor den Verfassungsgerichtshof bringen.

Protest kommt auch von Arbeiterkammern, denn die Regierung verschiebt die Gewichte in der neuen Arbeitnehmer-Krankenkasse ÖGK zugunsten der Arbeitgeber.

Biach, Probst abgelöst

Der derzeit mächtige Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird zu einer „Koordinierungsstelle“ verschlankt. Die Hauptverbandsspitze – Präsident Alexander Biach (ÖVP) und Generaldirektor Josef Probst ( SPÖ) – wird abgelöst, deren Jobs gibt es künftig nicht mehr bzw. wird die Präsidentenfunktion zwischen den Obleuten der anderen Versicherungsträger rotieren. Die Ärztekammer protestiert gegen Biachs Ablöse: Er sei ein ausgewiesener Experte und ein konstruktiver Verhandlungspartner.

Durch die geplante Rotation wäre Wirtschaftskammer- und Nationalbank-Präsident Harald Mahrer fast zu einem dritten Präsidentenamt gekommen. Mahrer ist derzeit Obmann in der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS). Bliebe er das auch nach der Fusion mit der Bauernversicherung, würde er rotierender Präsident des neuen Dachverbands. Um eine neue Multifunktionärsdebatte einzufangen, ließ Mahrer eilig wissen, dass er in der neuen SVS keine Funktion übernehmen werde.

Die größte Umstellung betrifft die Gebietskrankenkassen in den neun Bundesländern. Sie werden zu „Landesstellen“ geschmolzen, verlieren Budget- und Personalhoheit. Auch die Verträge mit den Kassenärzten werden nicht mehr länderweise, sondern von der Bundes-ÖGK verhandelt. Ihr unkündbares Personal wird durch Pensionierungen abgebaut.

ÖGK-Sitz in Wien

Viele Aufgaben des derzeitigen Hauptverbands gehen auf die ÖGK über, etwa die Verhandlungen mit der Pharmaindustrie über die Medikamentenpreise.

Sitz der ÖGK wird entgegen ursprünglichen Plänen doch Wien sein, allerdings werden manche Landesstellen österreichweite Kompetenzzentren für gewisse Sparten, etwa für den IT-Bereich.

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