Irmgard Griss nimmt Abschied von der Politik
Mit gemischten Gefühlen wird sie heute, Mittwoch, gegen 23.00 Uhr ans Rednerpult im Parlament treten. Es ist ihre letzte Rede im Hohen Haus. Irmgard Griss (72) nimmt Abschied von der Politik. Wieder einmal in ihrem Leben, muss die Neos-Abgeordnete einen Schlüssel abgeben. Aber sie sei froh „diesen Schlüssel bekommen zu haben“, weil sie es ihren Horizont erweitert habe.
Ihre Politik-Bilanz fällt trotzdem durchwachsen aus. Sie „bewundere die Menschen, die sich dieser Aufgabe seriös widmen, weil es unheimlich zeitintensiv ist“. Andererseits sei der Druck sich in der Politik „sichtbar zu machen, so groß, dass differenzierte Antworten oder Betrachtungen schwer rüber zu bringen sind“, kritisiert die Ex-OGH-Präsidentin.
Dabei war es gerade ihre differenzierte Betrachtung des Hypo-Alpe-Adria-Bankenskandals, den die Juristin als Vorsitzende einer Sonderkommission aufarbeitete, der ihr zum Durchbruch verhalf. Fast über Nacht wurde Griss zum Synonym für unabhängige Aufklärung und Transparenz in einem Mega-Finanzskandal. Sie brachte erstmals Licht in das Hypo-Milliardengrab.
„Es war Hasardspiel“
Ab diesem Zeitpunkt gab es buchstäblich ein „G’riss um Griss“. Fast jede Partei wollte die Juristin an Board holen. Sie war sogar als gemeinsame Hofburg-Kandidatin von SPÖ und ÖVP im Gespräch. „Ich hatte ein Mittagessen mit Reinhold Mitterlehner, wo er mich fragte, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte, aber ein konkretes Angebot bekam ich nie“.
Aber Griss ging schon immer gerne ihren eigenen Weg. „Für mich war schnell klar, dass ich als Überparteiliche kandidieren will“, erzählt sie. Damals dachte sie sich, sie habe nicht viel zu verlieren, wenn sie antritt. Wenn die Juristin heute an 2016 zurückdenkt, dann sagt sie, „war es ein Hasardspiel“. „Ich ging völlig blank in diesen Wahlkampf hinein“.
Ohne Coaching, ohne Marktforschung, ohne Medienprofi, ohne Werbeexperte, ohne Budget wagte sie sich in dieser Abenteuer. Den Wahlkampf finanzierte sie nur durch Spenden (600.000 Euro). Am Ende verfehlte die Grazerin nur knapp mit 18,9 Prozent die Stichwahl. Sie lag nur 2,4 Prozentpunkte hinter Alexander Van der Bellen.
„War wirkungslos“
Aus ihrem kostengünstigen Wahlkampf, bedauert Griss, habe keine Partei etwas gelernt. „Man muss sagen, es war wirkungslos. Dabei habe ich gezeigt, dass es mit wenigen Mittel auch geht, einen Erfolg zu erreichen“, sagt die Noch-Neos-Abgeordnete.
Im Gegenteil, die Wahlkämpfe werden immer teurer. Für die Ex-OGH-Präsidentin verkommt der Wahlkampf zu einem reinen „Schaukampf“. „Wie der Wahlkampf im Moment abläuft, ist völlig absurd.“ Vor allem die zahlreichen TV-Diskussionen seien Schuld an dieser Entwicklung. „Damit entwickelt sich die Politik zu einem Unterhaltungsprogramm“, meint Griss. Da bei jeder Sendung dieselben Fragen gestellt werden, steht die Mimik, die Gestik und Nebengleisthemen, ob Sebastian Kurz nun aus Meidling oder aus dem Waldviertel stamme, „mehr im Vordergrund als die Inhalte“.
Apropos Sebastian Kurz. Der Ex-Kanzler wollte sie 2017 überreden, für die ÖVP zu kandidieren. Insider berichten, dass er Griss fast alles – von Ministerposten bis zur Nationalratspräsidentin – angeboten habe, damit sie eine Türkise wird. Griss ließ sich vom Werben des ÖVP-Chefs nicht beeindrucken und dockte bei den Neos an.
Was werden ihre Abschiedsworte im Parlament sein? „Ich werde mich stark für eine seriöse, anständige und effizienzorientierte Politik aussprechen.“
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