Internationale Pressestimmen: "Eher eine Revolution"

NR-WAHL:  WAHLFEIER DER ÖVP
In den internationalen Medien wird Kurz' Sieg vor allem als Sieg über die "Rechtspopulisten von der FPÖ" gedeutet. "Kurz hat die Rechtspopulisten entzaubert", schreibt die deutsche Bild.

Internationale Medien zum Ergebnis der Nationalratwahl in Österreich:

"Corriere della Sera" (Mailand): "Mehr als eine Wahl war es eine Revolution. Sebastian Kurz räumt bei der österreichischen Wahl ab und bringt die ÖVP zum zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Der Triumph des ehemaligen und künftigen Kanzler wird von einer radikalen Veränderung der Wiener politischen Landschaft begleitet, die den Zusammenbruch der extremen Rechten, einen großen Erfolg der Grünen nach dem Modell ihrer deutschen Zwillingsbrüder und Souffleure, die Bestätigung der Krise der Sozialdemokratie, die jedoch nicht existenzielle Ausmaße wie in Deutschland annimmt, bedeutet.

Mit nur 33 Jahren kann sich Kurz sicher sein, seine zweite Regierung zu bilden, vier Monate nachdem er zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem ein Skandal im Mai seine ehemaligen rechtsextremen Verbündeten FPÖ weggerissen hat. Er wird erneut der jüngste Regierungschef der Welt sein. Aber von der Wahl seiner Koalitionspartner, die allein in seinen Händen liegt, wird abhängen, ob er in der Spur der sicheren Kontinuität Österreichs bleiben oder als Pionier neuer politischer Gleichgewichte in die Geschichte eingehen wird, indem er Österreich zu einem Versuchslabor macht."

"La Repubblica" (Rom): "Es wir einer bedeutenden Wendung bedürfen, damit Sebastian Kurz der xenophoben und EU-skeptischen Ultrarechten, mit der er bis Mai regiert hat, den Rücken kehrt und seine Arme für die Sozialdemokraten öffnet. Oder, wie es in diesen Stunden wahrscheinlicher erscheint, den Grünen. Aber wenn ihm diese akrobatische Übung gelingen sollte, wäre dieser Unterschied vor allem in Europa zu spüren. Dort hoffen viele auf einen zweiten 'Fall Conte', also eine Bestätigung des bisherigen Kanzlers aber mit einem Juniorpartner, der weniger gegen Brüssel wettert und bei den großen dringlichen Problemen Europas wie der Migrationsfrage dialogbereiter wäre. Die Entscheidung der Österreich war auf jeden Fall deutlich. (....) Der Weg für eine Kehrtwende von Kurz hin zu einer großzügigeren Politik gegenüber Migranten oder beim Stabilitätspakt dürfte lang und verschlungen werden."

"Bild" online (Berlin): "Es ist ein Triumph, den Volksparteien so in Europa kaum noch feiern können: Sebastian Kurz, der jüngste Altkanzler der Welt, wird schon bald wieder der jüngste Regierungs-Chef der Welt sein - mit einem noch besseren Ergebnis als bei der letzten Wahl! Kurz' Sieg und sein Wahlkampf zeigen, was ER kann und was in Deutschland der CDU, seiner Schwester-Partei, an der Spitze fehlt: Klare Themen-Setzung, rhetorisches Talent, wenig Fehler. (...) Und er kann jetzt etwas schaffen, was Merkel in Deutschland nicht gelungen ist: Schwarz-Grün, oder eine in Österreich "Dirndl"-Koalition genannte Zusammenarbeit mit Grünen und Liberalen (Neos). Damit wäre Kurz dann ein politisches Vorbild in ganz Europa."

"Washington Post": "Der Niedergang der Freiheitlichen Partei könnte Kurz eher dazu bringen, sich anderswo einen Koalitionspartner zu suchen, ein Schritt, der den Rechtsaußen-Parteien in Europa einen symbolischen Schlag versetzen würde. Politisch würde die FPÖ als natürlicher Verbündeter erschienen. Es gelang Kurz, das Schicksal seiner Volkspartei zu wenden und 2017 Kanzler zu werden, indem er eine harte Linie bei der Einwanderung - ein Thema das die Agenda in Österreich nach der Migrationskrise 2015 beherrschte - annahm. Kurzs Strategie wurde von der konservativen Parteien in ganz Europa, die Stimmen an die extremen Ränder verlieren, mit Interesse verfolgt. Er hatte eine harte Kurs in der Einwanderungspolitik eingenommen, rühmte sich für die Schließung der Hauptrouten für Flüchtlinge nach Europa, aber seine Regierung behielt eine proeuropäische Agenda. Aber im Sog des Ibiza-Skandal und nachdem der Klimawandel die Einwanderung als Hauptsorge der Wähler verdrängte, könnte sich Kurz laut Beobachtern auch anderswo eine Regierungspartner suchen. Kurz, der Goldjunge der Rechten, hat es unterlassen, im Wahlkampf irgendeine Koalitionsvariante auszuschließen."

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