Telekom-Prozess: Immer mal "Bettelbriefe"

Ein Mann in Anzug wird von einem Fotografen mit einer Spiegelreflexkamera fotografiert.
Es geht um verdeckte Parteispenden an das BZÖ 2006. Fünf weitere Zeugenbefragungen wurden beschlossen.

Der aktuelle Telekom-Prozess - Nummer "IV" - wird länger dauern, als zuerst geplant: Im Verfahren um verdeckte Parteispenden an das BZÖ im Jahr 2006 dürfte sich das für Freitag geplante Urteil verzögern. Das Gericht hat am Montag gleich zu Beginn der Prozesswoche fünf weitere Zeugenbefragungen beschlossen. Außerdem sind die für Mittwoch als Zeugin geladene Ex-Justizministerin Karin Gastinger sowie der für Montag eingeplante frühere Kabinettschef von Infrastrukturminister Hubert Gorbach verhindert. Das BZÖ hat die strittigen Gelder indessen auf einem Treuhandkonto geparkt, sagte der Bundesgeschäftsführer am Montag.

Worum es geht

Im justizintern als " Telekom IV" geführten Verfahren geht es um 960.000 Euro, die im Wahlkampf 2006 an zwei für das BZÖ tätige Werbeagenturen flossen. Gestützt auf die Aussagen des damaligen Telekom-Managers und Kronzeugen Gernot Schieszler geht die Anklage davon aus, dass die Telekom die damalige Regierungspartei BZÖ so dazu bewegen wollte, eine für den Konzern genehme Änderung der "Universaldienstverordnung" vorzunehmen.

Als erster Zeuge befragt wurde BZÖ-Bundesgeschäftsführer Michael Richter - und zwar zu den aktuellen Finanzverhältnissen der Partei. Er sagte aus, dass das BZÖ rund 940.000 Euro, die 2006 über Umwege von der Telekom Austria an das BZÖ geflossen sein sollen und aufgrund einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien nun doch nicht eingefroren wurden, auf einem Treuhandkonto geparkt hat. Im Prozess droht der Partei die Abschöpfung dieser Gelder. Den konkreten Treuhandauftrag werde man am Dienstag vorlegen, so BZÖ-Anwalt Alexander Scheer.

Assistentin spricht von "Bettelbriefen"

BZÖ-Anwalt Scheer hat außerdem einen " Bettelbrief" des ÖAAB an die Telekom Austria von Ende 2006 vorgelegt. Darin bittet der ÖVP-Arbeitnehmerbund, begzugnehmend auf ein Telefonat mit Aufsichtsratschef Peter Michaelis, um finanzielle Unterstützung. Laut der als Zeugin dazu befragten Vorstandsassistentin kamen derartige "Bettelbriefe" immer wieder vor. BZÖ-Sprecher Heimo Lepuschitz beschwerte sich indessen im Zeugenstand über die finanzielle Beeinträchtigung des laufenden Wahlkampfes durch den Prozess.

Lepuschitz sollte eigentlich Auskunft über die finanziellen Verhältnisse der Partei geben, sah sich dazu aber außerstande. "Mich interessieren Finanzen nicht, das ist nicht mein Job", verwies der Pressesprecher diesbezüglich auf den am Vormittag dazu befragten Bundesgeschäftsführer. Der hatte ausgesagt, dass die Partei zur Bedeckung allfälliger Rückzahlungen 940.000 Euro auf einem Treuhandkonto deponiert habe - was laut Lepuschitz den Wahlkampf belastet: "Das sind zwei Wochen weniger plakatieren, in einem Wahlkampf, wo es um alles geht."

Anschließend sagte die frühere Assistentin des angeklagten Telekom-Vorstands Rudolf Fischer aus. Fischer verteidigt sich im Prozess damit, dass er die von der Telekom bezahlten Rechnungen der BZÖ-Werbeagenturen 2006 zwar unterschrieben, aber an einen regulären Marketingauftrag des Konzerns geglaubt und keinen Zusammenhang mit der Partei erkannt habe.

Fischers früherer Assistentin wurde nun ein Schreiben des ÖAAB aus dem Jahr 2006 vorgelegt, in dem der VP-Arbeitnehmerbund um finanzielle Unterstützung ersuchte. Derartige "Bettelbriefe" habe es immer wieder gegeben, sagte die Zeugin - sei es, weil eine Pensionistin ihre Rechnung nicht bezahlen konnte oder weil jemand Unterstützung für eine Veranstaltung wollte. In diesem konkreten Fall wurde das Anliegen des ÖAAB zur Abwicklung an den mitangeklagten Lobbyisten Peter Hochegger weitergeleitet. Über dessen Firma Valora flossen - wie schon seit dem Korruptions-Untersuchungsausschuss bekannt - 10.000 Euro in Richtung ÖAAB.

Bestätigt hat die frühere Assistentin, dass ihr damaliger Chef in der Regel intensive und lange Arbeitstage gehabt habe. "Mein Chef ist für einen Vorstand sehr zeitig gekommen", sagte sie - und zwar zwischen halb acht und acht Uhr morgens. Nachhause gegangen sei er selten vor 18.00, 19.00 Uhr. "Das waren schon heftige Zeiten", so die Zeugin, die übrigens auch mit Peter Hochegger per Du war - denn diesen habe sie als "Lieferanten" der Telekom natürlich gekannt.

Michaelis: "Keine Zustimmung"

Ex-ÖIAG-Chef Peter Michaelis betonte, dass der Aufsichtsrat keinesfalls seine Zustimmung zu einer Zuwendung an das BZÖ gegeben hätte. Er bestätigte allerdings, dass es vom damaligen ÖAAB-Generalsekretär, dem ÖVP-Abgeordneten Werner Amon, die Bitte um Inseratenschaltungen gegeben habe. Diese habe er abgelehnt und das Anliegen an den Telekom-Vorstand weiterverwiesen.

Der Aufsichtsrat sei dem Aktienrecht und der Satzung verpflichtet, so Michaelis, der mittels Videokonferenz aus Magdeburg zugeschalten war. "Wir hätten auf der Grundlage dieses Rechtes in keinem Fall eine Zustimmung für eine Parteispende erteilt." Außerdem wäre bei einer solchen Zuwendung kein messbarer Nutzen zuordenbar gewesen, und man habe die Interessen der Aktionäre zu schützen.

Nach konkreten Unterstützungsansinnen von Politikern befragt, nannte er das bereits aus dem Korruptions-Untersuchungsausschuss bekannte ÖAAB-Ansuchen. Seine einzige Zusage sei damals gewesen, den damaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer davon zu informieren. Die Sinnhaftigkeit von Werbung in einem Parteienmedium schloss Michaelis nicht a priori aus. Es gehe dabei um einen Kundenkreis, der sicherlich auch Telekom-Dienstleistungen in Anspruch nehme und durch Einschaltungen zu erreichen sei.

Zahlungen der Telekom an den ÖVP-Arbeitnehmerbund waren im Vorjahr Thema im Korruptions-Untersuchungsausschuss gewesen. Demnach flossen 2007 über Hocheggers Valora 10.000 Euro an die AAB-Zeitung Freiheit. Laut ÖVP wurde damit eine Werbebeilage bezahlt, die im Vorjahr aber nicht vorgelegt werden konnte. Die Justiz leitete Ermittlungen gegen Amon ein.

Bekannt wurde auch ein "Bettelbrief" von 2007, in dem Amon und Ex-ÖAAB-Obmann Fritz Neugebauer an die Telekom die "höfliche Einladung" richteten, die Freiheit mit einem Druckkostenbeitrag zu unterstützen. Das Angebot in Höhe von 25.000 Euro sei "entsprechend dem Volumen der vergangenen Jahre" zusammengestellt worden, hieß es darin. Die ÖVP behauptete dagegen, daraus sei kein Geschäft entstanden.

Michaelis wurde in seiner Befragung auch auf Medienberichte bzw. eine parlamentarische Anfrage der Grünen 2006 zu einer angeblichen 500.000-Euro-Spende der Telekom im Zusammenhang mit der Novellierung der Universaldienstverordnung (Einführung einer "Payphone Access Charge") angesprochen. Er höre das zum ersten Mal, so der Ex-ÖIAG-Chef. Von angeblicher Parteienfinanzierung durch die Telekom habe er erst nach seinem Ausscheiden im Jahr 2011 erfahren, eine Erörterung im Aufsichtsrat sei ihm "nicht erinnerlich".

Sponsorings und Politiker-Einladungen durch die Telekom etwa zum Hahnenkammrennen in Kitzbühel habe es gegeben. Er selbst habe sich immer bemüht, seine Unabhängigkeit zu wahren. "Ich habe fast jeder Veranstaltung, zu der ich von der Telekom eingeladen war, eine Absage gegeben", sagte Michaelis

Hocheggers Verteidigungslinie

Beantragt wurden die fünf zusätzlichen Zeugen vom Verteidiger des mitangeklagten Lobbyisten Peter Hochegger, Karl Schön. Er erwartet sich von den Aussagen u.a. Indizien, die die Verteidigungslinie Hocheggers stützen. Laut Schieszler war es Hochegger, der rund eine Million Euro als Preis für die Änderung der Universaldienstverordnung genannt habe. Hochegger bestreitet dies und betont, gar keinen Lobbyingauftrag in Sachen Universaldienstverordnung gehabt zu haben.

Außerdem soll der frühere eTel-Geschäftsführer zu einem Vertrag mit dem früheren BZÖ-Abgeordneten Klaus Wittauer befragt werden. Die Telekom-Tochter bezahlte Wittauer auf Anweisung Schieszlers über 400.000 Euro im Rahmen eines Beratervertrags für dessen Diplomarbeit. Hocheggers Verteidiger will damit ein Naheverhältnis Wittauers zum Kronzeugen Schieszler nachweisen.

Verhindert

Nicht aussagen wird am Montag der Ex-Kabinettschef von BZÖ-Infrastrukturminister Hubert Gorbach. Er ist ebenso wegen Erkrankung verhindert, wie die für Mittwoch geladene Gastinger. Richter Michael Tolstiuk hofft, beide Befragungen nachholen zu können. Dass sich das Urteil wie geplant am Freitag ausgehen könnte, gilt als unwahrscheinlich.

Gernot Schieszler baut vor. Es sei schon möglich, dass er sich bei seinen vielen Einvernahmen ein Mal geirrt haben könnte, man sei ja keine Maschine. „Es gibt auch keine Erfolgsgarantie eines Kronzeugen. Es kann nicht alles mit Schuldsprüchen enden“, sagt sein Anwalt Stefan Prochaska. Und: „Der Kronzeuge hat sein Soll bereits erfüllt.“

Bei Peter Hochegger will sich der einstige Telekom-Controllingchef Schieszler jedoch garantiert nicht geirrt haben. Und eine Verurteilung des von ihm belasteten Lobbyisten als Drahtzieher der Telekom-Parteispende von knapp einer Million Euro an das BZÖ wäre schon erforderlich, damit sich der Kronzeugen-Deal (Straffreiheit fürs Auspacken) auch rechnet.

Dass ihn Hochegger im Prozessfinale wegen Verleumdung angezeigt hat, lässt Schieszler kalt. „Wenn Hochegger verurteilt wird, ist die Anzeige Vergangenheit. Kein Staatsanwalt wird sich dann noch damit befassen“, sagt Anwalt Prochaska.

Hochegger stützt seine Anzeige ja vor allem auf widersprüchliche Aussagen Schieszlers. Einmal bestritt er, etwas über die vom damaligen BZÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach erlassene Universaldienstverordnung (UDV) zu wissen, die der Telekom Mehreinnahmen beschert habe. Dann erklärte er auf einmal, Hochegger habe gesagt, das Zustandekommen der UDV im Telekom-Sinn koste eine Million Euro.

Für Schieszler ist das kein Widerspruch. Bei der ersten Einvernahme sei er noch Beschuldigter gewesen und habe mangels Notwendigkeit, mit der Anklagebehörde zu kooperieren, gelogen. Bei der zweiten sei Aufdeckung gefragt gewesen, weil man bereits den Kronzeugenstatus angesteuert habe.

Ob der auch hält, ob Richter Michael Tolstiuk (mit seinem Schöffensenat) Schieszler also neuerlich Glauben schenkt (in vorangegangenen Teilurteilen hat er das bereits getan) – die Lösung lässt noch auf sich warten. Beweisanträge der Verteidiger verzögern die für kommenden Freitag geplante Urteilsverkündung.

Zuvor müssen ab Montag jedenfalls noch ehemalige (Regierungs-)Politiker in den Zeugenstand. Darunter Hubert Gorbach. Gegen Gorbach wird noch wegen 268.000 Euro ermittelt, die von der Telekom an seine Sekretärin (oder über sie an ihn?) geflossen sind. Gegen Ex-Justizminister Karin Gastinger wurde das Verfahren eingestellt. Sie hat ausgesagt, in einer Sitzung erwähnt zu haben, dass die Telekom ihren Wahlkampf 2006 mit 240.000 Euro finanziere.

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