Heinz-Christian Strache: "Nähern uns unaufhaltsam einer Aufklärung“
Seit seinem Rücktritt von allen politischen Funktionen am 18. Mai meldet sich Heinz-Christian Strache nur noch via Facebook zu Wort. Der Ex-FPÖ-Chef antwortete auf Fragen des KURIER schriftlich.
KURIER: Ist das Vernichten von Daten wie in der „Operation Reißwolf“ Ihrer Meinung nach gängige Praxis oder ein Ausnahmefall?
Heinz-Christian Strache: Dass der Social-Media-Beauftragte des Bundeskanzleramtes im Auftrag von Blümel und Kurz fünf Festplatten kurz nach dem Aufspielen des illegal produzierten Ibiza-Videos schreddert, ist sicher keine gängige und schon gar keine normale Praxis. Er wird dies sicher nicht ohne Wissen seiner Chefs gemacht haben. Was hat das ÖVP-Bundeskanzleramt zu vertuschen? Wieso die Nervosität, die Lügen und Falschangaben des Mitarbeiters? Warum putzt das Bundeskanzleramt sich jetzt beim Mitarbeiter ab?
Wie haben Sie das Vizekanzleramt bei Amtsantritt vorgefunden?
Es war leer und fast völlig ausgeräumt. Wir haben Monate gebraucht, um eine funktionsfähige IT- und Bürostruktur zu schaffen, damit die volle Arbeitsfähigkeit gewährleistet war.
Was geben Sie gegenwärtig als Berufsbezeichnung an, wenn Sie danach gefragt werden, Herr Strache?
Ich werde danach nicht gefragt. Ihnen beantworte ich das aber gern: Ich bin nach wie vor mit ganzem Herzen Politiker, bin ordentliches freiheitliches Mitglied meiner Partei und werde diese insbesondere in den kommenden Wochen und Monaten nach besten Kräften unterstützen. Zurzeit bin ich allerdings seit langer Zeit einmal wieder nur Privatmann und als solcher mit meiner Familie auf Urlaub.
Wie gestaltet sich derzeit ein durchschnittlicher Wochentag?
Ich verbringe viel Zeit mit Anwälten und Mitarbeitern einer Task-Force, die nach wie vor die Hintergründe und Umstände der Erstellung des Ibiza-Videos und dessen Vermittlung an die Medien aufklären. Wir gewinnen hier täglich neue Erkenntnisse, kommen in kleinen Schritten voran, nähern uns aber – da bin ich mir sicher – unaufhaltsam dem Ziel einer Aufklärung.
Sie betonen stets, die Ermittlungen abwarten zu wollen, ehe Sie eine dezidierte Entscheidung über Ihre politische Karriere treffen. Da sowohl die WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) ermittelt als auch Sie Strafanzeigen erstattet haben: Welche Ermittlungsergebnisse müssen für Sie bis wann vorliegen, damit Sie bei der Wien-Wahl kandidieren?
Rechts- und gesetzeskonformes Handeln haben stets mein politisches Wirken bestimmt. Hiervon machen auch meine lediglich verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen, die als „Ibiza-Video“ verbreitet wurden, keine Ausnahme. So habe ich in dem Teil des Videos, den man der Öffentlichkeit vorenthalten hat, wiederholt und betont das Erfordernis nach unbedingter Rechts- und Gesetzeskonformität geäußert. Ich will daher die völlige Aufklärung der Hintergründe und meine Rehabilitation sicherstellen. Noch sind wir nicht so weit.
Warum ist Ihnen als „einfaches Parteimitglied“ Ihr Facebook-Account so wichtig?
Dieser Facebook-Account ist der direkte Kontakt zu meinen treuen Unterstützern und Wählern und all denjenigen, die an meinen politischen Standpunkten und mir als politischem Menschen Interesse haben. Diese Kontaktmöglichkeit ist keine Einbahnstraße. Ich erreiche damit nicht nur meine Anhänger, sondern diese insbesondere auch mich. Das gibt man nicht so einfach auf oder weg. Egal, wie meine weitere Zukunft aussieht, bleibe ich ein politischer Mensch, der seine Meinung sagen wird.
Mehrere namhafte Anwälte wurden von Ihnen mit der Causa betraut. Sie haben alle politischen Mandate zurückgelegt, auf Gehaltsfortzahlungen auch als Vizekanzler verzichtet: Wovon leben Sie gegenwärtig?
Zurzeit bestreite ich meinen Lebensunterhalt aus privaten Rücklagen.
Es gibt das Ondit, Sie hätten einen Beratervertrag über rund 10.000 Euro von der Wiener FPÖ respektive bekämen Sie Sachleistungen wie ein Auto zur Verfügung gestellt. Stimmt das?
Es gibt viele interessante berufliche Angebote, welche ich prüfe. Einen Beratervertrag mit der FPÖ gibt es zurzeit nicht. Aufgrund einer andauernden Gefährdungslage zulasten meiner Person und Familie wurde mir ein Fahrzeug und Sicherheitsbegleitung zur Seite gestellt.
„Redlich“ ist ein von Ihnen oft benutztes Wort. Wie passt diese Eigenschaft mit dem Gesagten im Ibiza-Video zusammen?
Wie schon gesagt, habe ich wiederholt auch in diesem Gespräch auf das Erfordernis der Rechts- und Gesetzeskonformität hingewiesen, welche mir heilig ist und immer Basis meines Handelns war.
Sie sprachen im Ibiza-Video von Finanzierungen via Vereinen an Parteien am Rechnungshof vorbei. Untersuchungen in allen Parteien und ein Parteienfinanzierungsgesetz sind die Folge. Macht Sie das zufrieden oder wütend, zumal dies wohl u.a. ein Grund für Ihren Rücktritt war?
Ich finde es gut, dass das Thema Transparenz einen größeren Stellenwert im politischen Diskurs eingenommen hat. Ich möchte aber noch einmal ausdrücklich festhalten, dass ich immer auf die Rechts- und Gesetzeskonformität hingewiesen habe. Das werden die Ermittlungen der StA (Staatsanwaltschaft) auch bestätigen.
Ausländische Medien bezeichnen die FPÖ bisweilen als rechtsextrem. Ist das Ihrer Meinung nach zulässig?
Dies ist ein dumpfer und diffamierender Kampfbegriff gegen alles, was nicht links ist. Denn die FPÖ ist sicher nicht extrem. Wenn, hat sie nur in vielen Punkten extrem oft recht. Das gefällt machen Andersdenkenden nicht.
Herbert Kickl nennt Umweltschutz lieber „Naturschutz“, Norbert Hofer spricht seit jüngst von „Klimaschutz“ – können Sie dem einen oder anderen Begriff etwas abgewinnen , zumal Sie in einem Standard-Interview die von Menschen verursachten Klimaveränderungen bezweifelten.
Ja, Heimat- und Naturschutz ist Umweltschutz im positivsten Sinn. Hier haben wir eine große Verantwortung. Wir können unser Wasser, unsere Seen, Meere, unsere Wälder, Umwelt, Luft schützen, jedoch können wir sicher nicht Gott spielen und glauben den natürlichen Wandel des Klimas beeinflussen zu können. Ich halte nichts von der globalen industriellen Klimahysterie, wiewohl wir für verantwortungsvolle Umweltpolitik stehen.
Beobachter wie Leser wundern sich bisweilen, dass beispielsweise Norbert Hofer von Sebastian Kurz über das Ibizia-Video informiert wurde und nicht von Ihnen. Macht(e) sich die Öffentlichkeit ein falsches Bild von Ihrer Beziehung zu Hofer oder Herbert Kickl?
Ich habe Norbert Hofer, Herbert Kickl und viele andere Wegbegleiter in alle meine Entscheidungen eingebunden und davon in Kenntnis gesetzt. Norbert Hofer befand sich aber am Freitag der Videoveröffentlichung im Flugzeug nach Tirol und war nicht in Wien erreichbar. Wir konnten erst am Samstag in der Früh persönlich reden.
In welcher Form halten Sie Kontakt mit Hofer, Kickl und anderen in der Partei?
Wir sind telefonisch in Kontakt und treffen einander auch persönlich.
Haben Sie seit Mai mit Parteikollegen gebrochen?
Ich bin als einfaches Parteimitglied laufend in Kontakt mit Parteikollegen und vielen Bürgern, welche mich und die FPÖ unterstützen.
Herbert Kickl als Minister einer künftigen ÖVP-FPÖ-Regierung gilt für die ÖVP wie den Bundespräsidenten als ausgeschlossen. Woher rührt diese kategorische Ablehnung Ihrer Meinung nach? Wofür steht Kickl für Sie?
Das empfinde ich demokratiepolitisch als sehr bedenklich. Wir waren eine äußerst erfolgreiche Regierungsmannschaft, mit hohen Zustimmungswerten in der Bevölkerung. Und Herbert Kickl war sicher der beste Innenminister seit langem. Wer gewählt und legitimiert wird, entscheidet ausschließlich das Volk und nicht politische Andersdenkende und Mitbewerber. Und Herbert Kickl hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es gibt daher keinen sachlichen Ausschließungsgrund als Minister. Kickl steht für eine konsequente Umsetzung meines jahrelang als Parteichef gelebten Kurses einer sozialen Heimat- und Sicherheitspartei, welche die illegale Migration stoppt, unsere Grenzen schützt, rechtskräftig abgelehnte Asylwerber konsequent außer Landes bringt und den politischen Islam verbietet. Dafür haben uns die Bürger auch gewählt. Und diesen habe ich mich immer verpflichtet gefühlt und musste auch Kurz und die ÖVP massiv unter Druck setzen, den gefährlichen UN-Migrationspakt abzulehnen und damit Schaden von Österreich abzuwenden.
Sie werden von einigen in der Partei noch als „Chef“ bezeichnet. Was zeichnet Sie als Chef, was die Ära Strache aus?
Als erfolgreicher und längstdienender FPÖ-Parteichef nach Friedrich Peter ist und bleibt man nach so einem niederträchtigen politischen Attentat in den Herzen der Menschen. Viele Menschen erkennen, dass mir massives Unrecht angetan wurde und stehen weiter hinter mir, meinen Überzeugungen und wünschen sich auch ein politisches Comeback. Das stärkt mir unglaublich den Rücken und freut mich. Ich habe 2005 eine völlig zerstörte FPÖ mit Schulden und bei nur 3 % in den Umfragen liegend als Obmann übernommen und in nur 14, 15 Jahren die FPÖ in Wien auf das historisch beste Ergebnis von 31 % und auf Bundesebene auf 26 %, und damit in der Geschichte der FPÖ die meisten Wähler überhaupt, erfolgreich aufgebaut und zu einer von der Bevölkerung geschätzten erfolgreichen Regierungspartei geführt. Ich habe als Obmann in jeder Wahl als Spitzenkandidat prozentuell zulegen und dazu gewinnen können und habe eine nachhaltige starke und finanziell solide FPÖ als Familie mit Zusammenhalt geschaffen und an meinen ersten Stellvertreter und Freund Norbert Hofer übergeben. Ich vertraue ihm voll und bin davon überzeugt, dass er seine Aufgabe und Verantwortung exzellent meistern wird.
Den 17. Mai, den Tag des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos, bezeichneten Sie mehrfach als „politisches Attentat“ – wer kann im In- oder Ausland Interesse daran haben, Ihnen respektive der FPÖ zu schaden?
Hier gibt es viele Möglichkeiten im In- und Ausland, welche ermittelt und recherchiert werden. Es geht mir aber nicht um Spekulationen, sondern um valide Aufklärung. Mehr will ich heute hierzu nicht sagen.
Gibt es politische Weggefährten wie Mitbewerber, von denen Sie positiv überrascht sind seit dem 17. Mai?
Ja, sehr viele Weggefährten, welche ich 15 Jahre aufgebaut habe, haben mich überrascht. Nicht alle zum Positiven. Auch viele Freunde und Unterstützer, von denen ich es nicht erwartet habe, haben sich als aufrichtige und ehrliche Freunde erwiesen. In Zeiten einer Krise, welche man auch als Chance begreifen muss, sieht und erkennt man seine wahren und echten Freunde. Und wer eine Krise überwindet und die richtigen Lehren daraus zieht, kommt stärker und gefestigter denn je zurück.
Von wem sind Sie enttäuscht?
Enttäuschungen sind positive Klärungen. Sie zeigen einem die Wahrheit auf und das ist positiv und hilfreich. In Zeiten des Erfolges lernt man viele Schulterklopfer kennen, Menschen, welche in deinem Windschatten mitsegeln und von einem profitieren wollen. Jetzt erkennt man die bodenständige Ehrlichkeit und den wahren Charakter von Menschen und Wegbegleitern der letzten 15 Jahre. Und das ist gut so. Falschen Ballast wirft man ab, negative Energie lässt man nicht mehr heran. Man konzentriert sich auf das Wesentliche und wird bewusster.
Trotz 45.000 Direkt-Stimmen für Sie bei der EU-Wahl gibt es eine Vielzahl an negativen Stimmen – auch in Ihrer Partei. Die FPÖ, die Sie zu einer 26 %-Partei gemacht haben, hat nachhaltig Schaden genommen. Sie sind nicht mehr in der Regierung, Dutzende Mitarbeiter sind arbeitslos, auch namhafte Parteiaustritte soll es gegeben haben. Wofür tragen Sie als Ex-FPÖ-Chef die Verantwortung?
Die 45.000 Vorzugs- und Direktstimmen für mich bei der vergangenen EU-Wahl, auf dem letzten Platz und ohne Wahlaufruf, sind ein starkes Zeichen, dass viele Bürger diesen politischen Auftrags-Rufmord und die kriminellen Methoden dahinter zutiefst ablehnen und mich aktiv in der Politik wünschen. Nicht trotz, sondern wegen des Videos. Natürlich waren viele im ersten Augenblick schockiert und verstört, bis sie die tendenziöse Berichterstattung und das Unrecht erkannt haben. Ja, die Täter wollten mir und der FPÖ schaden, jedoch ist das nicht nachhaltig gelungen. Das politische Attentat hat sein Ziel verfehlt, denn die FPÖ hält zusammen, lässt sich nicht spalten, hat mit 17,3 % ein top EU-Wahlergebnis erreicht und wird bei der NR-Wahl die Chance haben, über 20 % an Zustimmung zu erhalten. 35 bis 40 % der Österreicher wünschen sich heute bereits meine zukünftige Rückkehr in die Politik. So ein Wahlergebnis würden sich alle anderen Parteien bei der kommenden NR-Wahl wünschen. Und es gab keine namhaften Parteiaustritte, sondern im Gegenteil ein Zusammenrücken der starken freiheitlichen Familie. Wir halten zusammen. Das ärgert unsere Mitbewerber.
Stand heute:- wird die FPÖ über 20 Prozent erlangen?
Ja, diese Chance lebt.
Ihre Frau Philippa Strache kandidiert in Wien für die Nationalratswahl. Welche Chancen räumen Sie ihr ein?
Philippa engagiert sich seit Jahren für die FPÖ, für soziale Gerechtigkeit, für mehr Sicherheit, für Familien und besonders für den Tierschutz. Ich freue mich, dass sie auf die NR-Liste gewählt wurde und sie wird sicher sowohl auf der Wiener als auch auf der Bundesliste viele Strache-Vorzugsstimmen für die FPÖ erhalten. Sie wird eine starke Stimme für den Tierschutz im Parlament.
Wie können/werden Sie Ihre Frau im Wahlkampf unterstützen?
Ich werde sie auf meiner Facebook-Seite unterstützen und sie bei diversen Wahlveranstaltungen begleiten, wenn sie mich mitnimmt.
Ein Satz, ein Gedanke zu...
... Sebastian Kurz: Hat die erfolgreiche Regierung mit dem freiheitlichen Reformmotor entgegen seiner Zusage platzen lassen, da die alte ÖVP wieder das Kommando übernommen hat. Er peilt nun irrigerweise eine Koalition zwischen ÖVP/NEOS/Grün oder ÖVP/SPÖ an, da er einen Minister Herbert Kickl kategorisch ausgeschlossen hat.
... Johann Gudenus: Ein enger jahrelanger Wegbegleiter, den ich seit 36 Jahren kenne und gefördert habe
... Matteo Salvini: Eine große Hoffnung für Europas Gegenwart und Zukunft.
... Greta Thunberg: Ein fremdgesteuertes Marketingkonzept.
... Zack Zack Zack: Wieder einmal habe ich einen neuen Spruch geprägt. Schön, wenn man etwas pusht
... Ibiza: Eine wundervolle Insel, welche mich seit meinem 15 Lebensjahr begeistert, und immer eine Reise wert ist.
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