Grenzsicherung: "Zaunfrage" auf Freitag vertagt

Zwei Männer stehen an einem Rednerpult vor österreichischen und EU-Flaggen.
Die Regierung hatte über ein Konzept für die Grenzsicherung beraten. Doch einig wurde man sich nicht.

Der Ton wird rauer, eine gemeinsame Vorgehensweise scheint in weiter Ferne. Die Rede ist diesmal nicht von der Europäischen Union, sondern von der österreichischen Regierung. Heute, Mittwoch, haben SPÖ und ÖVP über das gemeinsame Konzept für die Grenzsicherung beraten, nachdem in den vergangenen Tagen immer wieder Sticheleien in beide Richtungen laut wurden. Eine Einigung in der Causa wurde angestrebt, doch beim größten Streitpunkt "Wie sollen die 'baulichen Maßnahmen' aussehen?" gab es keine Einigung.

Ob und wie an der Grenze zu Slowenien ein Zaun errichtet werden soll, konnte nicht geklärt werden. Vor die Medien traten im Anschluss an das mehrstündige Treffen im Innenministerium nicht die zuständigen Minister, sondern der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Konrad Kogler sowie Generalstabschef Othmar Commenda und verkündeten die Vertagung auf Freitag.

"Geordnete Einreisekontrolle"

Geeinigt hat man sich den Angaben zufolge darauf, wie das "Grenzmanagement" am Grenzübergang Spielfeld funktionieren soll. Laut Kogler sollen die Flüchtlinge künftig einer "geordneten Einreisekontrolle" unterzogen werden. Darüber, wie die Umgehung der Grenzkontrollen verhindert werden soll (also z.B. durch Zäune), gebe es noch offene Fragen. Diese sollen laut Kogler am Freitag geklärt werden.

Eine schematische Darstellung des geplanten Grenzmanagements in Spielfeld mit verschiedenen Bereichen und Abläufen.
Schematische Darstellung - Geplante bauliche Maßnahmen, Detailkarte Grenzübergang Spielfeld Grafik 1292-15, Format 88 x 162 mm
Eine blonde Frau spricht an einem Rednerpult.
Vekehrsministerin Doris Bures (SPÖ) will beim höchsten EU-Gericht gegen deutsche Maut klagen.
In den vergangenen Wochen wurde der Zaun zum Leitsystem, zur Grenzbefestigung und zur Gartentür. Doch bereits zuvor hatte Nationalratspräsidentin Doris Bures erklärt, dass Österreich nicht "eingzäunt" werde.

Mehr Asylanträge, als erwartet

Während also die Regierung über die "baulichen Maßnahmen" debattierte, rechnet das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen heuer mit einer höheren Zahl der Asylanträge in Österreich, als man zuletzt erwartet hat.

Noch vor kurzem waren von offizieller Seite zwischen 80.000 und 85.000 Asylanträge im Jahr 2015 erwartet worden. Man müsse die Erwartung nach oben revidieren. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es 28.000, 2013 nur 17.000 Anträge.

Dublin-Verfahren für Syrer

Eine Frau mit Brille betritt einen Raum; ein Schild weist auf das Büro des Bundeskanzlers hin.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner begrüßt die Entscheidung Deutschlands
Was indes noch bekannt wurde: Für syrische Asylwerber in Deutschland gilt seit Ende Oktober wieder das Dublin-Verfahren. Demnach kann jeder Flüchtling nur in dem EU-Land einen Asylantrag stellen, das er als erstes betreten hat.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat diese Entscheidung begrüßt, auch wenn Dublin Nachteile habe, müsse es weiterhin gelten. "Es geht darum, dass jedes EU-Mitgliedsland seiner Verantwortung nachkommt."

Deutschland hatte das Dublin-Verfahren Ende August ausgesetzt – unter anderem um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu entlasten.

25 Kilometer

Zu den baulichen Maßnahmen zurück: Wie der KURIER berichtete, sollte ein Zaun an der Grenze zu Slowenien 25 Kilometer lang sein. Spielfelds Bürgermeister Reinhold Höflechner bezeichnete "bauliche Maßnahmen" an der österreichisch-slowenischen Grenze indes für "notwendig", den kolportierten 25-Kilometer-Zaun gleichzeitig aber als zu lang, schreibt ORF Steiermark.

Slowenien baut Zaun

Slowenien hat am Mittwoch in der Früh damit begonnen, wie angekündigt, einen Zaun an der Grenze zu Kroatien zu errichten. Stacheldrahtzaun wurde von slowenischen Soldaten zunächst in der südöstlichen Grenzgemeinde Brezice sowie im Nordosten des Landes in der Gemeinde Razkrizje ausgelegt, berichteten lokale Medien (mehr dazu hier).

Bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte als Flüchtlingskoordinator umriss Ex-Raiffeisenboss Christian Konrad am Mittwoch die Anforderungen der nächsten Monate: „Das Thema wird in der nächsten Zeit nicht einfacher. Es wird eher schwieriger, auch wenn es in einigen Ländern Bestrebungen gibt, die überschwängliche Willkommenskultur wieder etwas zurückzudrängen.“

Klar sei für ihn, dass sich weder Europa noch die einzelnen Länder, die alle die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hätten, wegducken könnten. Die Frage: Können wir uns das leisten?, beantwortet Konrad geradeheraus: „Wir müssen uns das leisten, wie viele auch immer kommen.“

Konrads Plan

Für die kalte Jahreszeit sollen beheizbare Winterzelte für 15.000 bis 20.000 Menschen „als Übergangslösung“ aufgestellt werden. Und zwar überall dort, wo die Bundesländer zu wenige Quartiere für Asylwerber zur Verfügung stellen. „Alles ist besser als Menschen, die im Freien übernachten müssen.“

Für den weiteren Verlauf des Jahres 2016 brauche es dann nicht nur einen möglichst billigen Ersatz für die Winterzelte, sondern parallel dazu vor allem Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge. Laut Konrad sei absehbar, dass daher im kommenden Jahr in Summe ein zusätzlicher Wohnraumbedarf für 40.000 bis 50.000 Personen entsteht – wohlgemerkt zusätzlich zum inländischen Wohnraumbedarf.

Der Bau neuer Wohnungen und die Nutzung leer stehender Wohnungen sei daher vorrangig. Das Thema dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden, mahnte der frühere Banker. Denn neben dem Spracherwerb sei ein ordentliches Dach über dem Kopf ein ganz zentraler Faktor für die Integration, sagte Konrad.

Seit Anfang September seien 450.000 Transitflüchtlinge durch Österreich gezogen, davon hätten 20.000 in Österreich Asyl beantragt. Im Wesentlichen sei bisher aufgrund des „überwältigenden Einsatzes der vielen Freiwilligen“ alles klaglos verlaufen, dankte der Flüchtlingskoordinator den NGOs und ehrenamtlichen Helfern.

Besorgt zeigte sich Konrad hingegen über die nun aufgetauchten Fälle von Mietbetrug an Flüchtlingen oder über horrende Mietforderungen, die die Asylberechtigten – meist Mindestsicherungsbezieher – nicht leisten können.

Ungewaschene Äpfel

Auch gelte es viele bürokratische Hürden zu nehmen, vom Baurecht bis zum Vergabegesetz. In Spielfeld habe etwa ein Lebensmittelinspektor das Verteilen von steirischen Äpfeln untersagt. Begründung: Das Obst sei gespritzt und dürfe daher nur gewaschen verteilt werden. Konrad meint: „Dieses Land wird super verwaltet, darauf können wir stolz sein. Aber in einer wirklichen Notsituation sind wir aufgeschmissen.“

Trotz solcher Probleme sagt Konrad: „Unsere Gesellschaft ist stark genug, so ein Thema anzunehmen. Das mag auch für die Verantwortlichen in der Politik gelten. Wer will, der kann. Ich hoffe, sie wollen.“

Direkter kommentieren will der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung die Arbeit seiner Auftraggeber nicht. Zur Zaun-Debatte meint er diplomatisch: „Da gibt es sehr viele Wortspiele. Dass dichte Zäune keine Lösung sind, weiß jeder. Aber ein geordneter Grenzzugang ist sinnvoll und nötig. Dazwischen liegt die Lösung, aber das ist eine politische Frage.

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