Wie ein Geschworenenprozess abläuft

Wie ein Geschworenenprozess abläuft
Männer und Frauen, alt und jung, in Hemd, Bluse oder Kapuzenpullover – sie entscheiden heute über das Schicksal eines ihnen fremden Mannes.

Männer und Frauen, alt und jung, in Hemd, Bluse oder Kapuzenpullover – unterschiedlichste Menschen sitzen auf den Holzsesseln neben der Richterbank. Sie sehen erwartungsvoll aus, aber auch angespannt. Immerhin werden sie heute über das Schicksal eines ihnen fremden Mannes bestimmen. Denn das ist ihre Aufgabe als Geschworene: Sie entscheiden, ob der Angeklagte einen Mord begangen hat. Dieser sitzt jetzt in der Mitte des Saals und das Verfahren beginnt.

Die Geschworenen werden zuerst vereidigt und lauschen danach interessiert der vorsitzenden Richterin. Als der Angeklagte seine Tat in allen Details schildert, bekommen manche feuchte Augen. Danach sagen die Zeugen aus und es gibt eine kurze Verschnaufpause bevor im Anschluss die Sachverständigen sprechen.

Ein Gerichtsmediziner beschreibt die Verletzungen des Opfers. Einzelne Geschworene halten sich angewidert die Hände vors Gesicht, bei anderen zeigt sich langsam die Müdigkeit.

➤ Mehr dazu: Wenn Durchschnittsbürger über Mord entscheiden

Wie ein Geschworenenprozess abläuft

Rundgang durch das Gerichtsgebäude in der Wiener Josefstadt in der Landesgerichtsstraße 11.

Dann kommt endlich die Mittagspause. Einige Geschworene gehen durch den Regen zum Billa. Es gibt Wurstsemmeln mit Gurkerln, gegessen wird gleich vor dem Supermarkt. Zurück vor dem Gerichtsgebäude diskutieren ein paar Geschworene rauchend darüber, ob die Verhandlung noch lange dauern wird.

Nach der Mittagspause sehen die Laienrichter erholt aus. Es wird ein langes psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten vorgetragen. Die Geschworenen verziehen keine Miene. Nach den Schlussplädoyers ziehen sich die Geschworenen zur Rechtsbelehrung und Beratung zurück.

Wie ein Geschworenenprozess abläuft

Rundgang durch das Gerichtsgebäude in der Wiener Josefstadt in der Landesgerichtsstraße 11.

Das Urteil wird zwei Stunden später verkündet. Einer der Laienrichter verliest es: Der Angeklagte wird wegen Mordes verurteilt. Die Geschworenen haben ihre Aufgabe erfüllt. Sie bekommen von der Richterin eine Zeitbestätigung und dürfen nach einem langen Tag das Gericht verlassen.

"Es war heftig"

Der Prozess hat die Laienrichter unterschiedlich stark belastet. "Es war heftig", sagt eine Geschworene. "Ich fand es recht unspektakulär", erklärt ein anderer schulterzuckend. Ein weiterer Geschworener fühlte sich als Laienrichter nicht ganz wohl: "Es war unangenehm, dass ich über einen anderen Menschen richten musste." Einige von ihnen seien überfordert gewesen, weil sie davor noch nie mit Straftaten zu tun hatten. Sie alle waren zum ersten Mal als Laienrichter bei Gericht.

Auf die Frage, wie sie es finden, dass Laien über Mord entscheiden, schüttelt eine ältere Geschworene nur den Kopf. Eine andere relativiert: "Man hilft den Richtern ja nur, über die Strafhöhe zu entscheiden." Ein weiterer Geschworener findet die Laiengerichtsbarkeit gut, "weil so die Richter nicht alleine entscheiden müssen". Für ihn gehöre es zur Demokratie dazu, dass Bürger bei großen Gerichtsprozessen mitentscheiden. Dass das Verfahren den ganzen Tag gedauert hat, stört ihn nicht: "So lange hätte ich normalerweise auch gearbeitet."

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