"Frivole" Debatte im Nationalrat

"Frivole" Debatte im Nationalrat
Regierungsfraktionen verteidigen Maßnahmen. Sozialminister Rauch will bei Pensionserhöhung aufs Budget achten. Mehrere Ordnungsrufe am Mittwoch im Plenum.

Das neue Parlamentsjahr hat am Mittwoch trotz herbstlicher Außentemperaturen recht hitzig begonnen: Im Rahmen einer "Aktuellen Stunde" der SPÖ zu Auswirkungen der Inflation auf Pensionisten schenkten sich die Fraktionen gegenseitig ordentlich ein, was mehrere Ordnungsrufe zur Folge hatte. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kritisierte es als "frivol", zu behaupten, dass die Zahlungen der Regierung nichts nutzen. Bei der Pensionserhöhung will er auch aufs Budget achten.

NATIONALRAT: MUCHITSCH

Josef Muchitsch

Muchitsch zu VP: "Werden am Sonntag eine auf den Deckel bekommen"

Die Regierung beschließe bloß Einmalzahlungen, statt die Teuerung zu bekämpfen, warf SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch ÖVP und Grünen vor. "Ihre Politik (...) ist falsch", meinte Muchitsch, der auch ein wenig Tirol-Wahlkampf einstreute: "Sie werden am Sonntag so richtig eine auf den Deckel bekommen, und das haben Sie sich auch verdient mit der Politik, die Sie betreiben." Auch im Zusammenhang mit den Pensionisten unterstellte Muchitsch der Regierung, die Krisengewinner zu beschützen, statt den Menschen zu helfen. Aus SPÖ-Sicht müsste die Berechnung für die gesetzliche Pensionserhöhung geändert werden, indem die Inflationsrate von Jänner bis Dezember herangezogen wird (derzeit August bis Juli), was heuer voraussichtlich 8,4 Prozent wären - "das ist notwendig und das ist leistbar".

Sozialminister spricht über "vollkommenene Illusion"

Sozialminister Rauch gab sich ob der harschen roten Kritik erzürnt. Es sei aufgrund der internationalen Faktoren eine "vollkommene Illusion" zu glauben, die österreichische Regierung allein könne es schaffen, Inflation und Teuerung zu bekämpfen. Nur von Einmalzahlungen zu reden, "halte ich für etwas frivol", meinte Rauch außerdem, und "noch frivoler" sei es, zu behaupten, dass diese einer Alleinerzieherin oder einem Pensionisten nichts nutzen. "In welcher Welt leben Sie?", fragte Rauch die SPÖ. Die Beträge ermöglichten es, die Rechnungen zu zahlen, "das ist Soforthilfe". Zudem würden Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe künftig wertangepasst - was kein roter Sozialminister zusammengebracht habe, vergaß Rauch nicht zu erwähnen.

Die Erhöhung der Pensionen müsse natürlich in einer Höhe stattfinden, die die Inflation abgelte. Gesetzlich wären das 5,8 Prozent, die Forderung der Pensionisten sei bekanntlich höher, und die Gespräche seien im Laufen, meinte Rauch. Heute am frühen Nachmittag findet die zweite Verhandlungsrunde dazu statt. Einmal mehr ließ der Minister durchblicken, dass die Steigerung für kleine Pensionen höher ausfallen dürfte. Acht bis zehn Prozent Erhöhung würden allerdings strukturell im Budget 4,5 Milliarden Euro ausmachen, und es sei auch Verantwortung der Regierung, auf den Haushalt zu achten.

Wöginger nennt Wiens Bürgermeister " Sheriff von Nottingham"

"Die Pensionistinnen und Pensionisten können sich auf diese Bundesregierung verlassen", sprang ÖVP-Klubobmann August Wöginger dem Minister bei. Unter roten Bundeskanzlern sei die Anpassung der Pensionen nicht so üppig gewesen, unterstrich er. Wöginger verwies auch genüsslich auf das rot regierte Wien und die dortigen Gebührenerhöhungen, für die "der Sheriff von Nottingham, der Bürgermeister Ludwig" (Michael, SPÖ, Anm.) verantwortlich sei.

Nicht minder deftig antwortete SPÖ-Mandatarin Eva Maria Holzleitner. Sie erinnerte etwa an einen Fall vergangenes Wochenende in Graz, wo ein 75-jähriger Mann zuerst seine 71-jährige Ehefrau und anschließend sich selbst erschossen haben soll - "aus Not", meinte Holzleitner. Menschen würden sich das Leben nehmen, weil die Bundesregierung nicht reagiere, warf sie der Koalition an den Kopf. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der im Zuge der Debatte gleich mehrmals Ordnungsrufe erteilte, bat dringend darum, "sich zu mäßigen", sowohl am Rednerpult als auch in den Abgeordnetenreihen.

"Frivole" Debatte im Nationalrat

Beate Meinl-Reisinger

Mit FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ging es trotzdem laut und angriffig und in Folge auch mit Ordnungsrufen weiter. Die Sanktionen gegen Russland müssten beendet werden, denn sie schadeten nur der heimischen Bevölkerung, aber das zu sagen, sei die Regierung "zu feig". Die Einmalzahlungen "verpuffen sofort", und bei der Pensionserhöhung agiere eine "wildgewordene Jugendstaatssekretärin" gegen die "Generation, die unseren Wohlstand erarbeitet hat", wetterte Belakowitsch. "Mit Ihrer Politik machen Sie den Kontinent kaputt." "Letztklassig" sei es zu behaupten, dass es der Bevölkerung hier durch die Sanktionen schlechter gehen sollte, während täglich in der Ukraine Menschen sterben, konterte die Grüne Abgeordnete Bedrana Ribo.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger verstand wiederum nicht, warum die SPÖ nur über Pensionisten reden will, aber nicht über die Arbeitnehmer - das sei "purer Klientelismus". Aus pinker Sicht müsse man die Steuern und Lohnnebenkosten senken. Zu Beginn der Sitzung nahm Nationalratspräsident Sobotka die Angelobung des neuen ÖVP-Abgeordneten Karl Schmidhofer vor. Er folgt auf Gabriela Schwarz, die im Zuge der steirischen Regierungsumbildung Volksanwältin geworden ist.

Kommentare