Franz Dinghofer :Eine historisch belastete Persönlichkeit
Im Herbst 1918 ließ sich Franz Dinghofer als frisch gewählter Präsident der Provisorischen Nationalversammlung auf der Balustrade des Parlamentsgebäudes sehen – er verkündete symbolträchtig: „Deutschösterreich ist eine Republik.“ Damit stand seinem Aufstieg, nach dem Zusammenbruch der Monarchie, nichts mehr im Weg: Er wurde einer der drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung, Vizekanzler, Justizminister und damals für viele ein Symbol des republikanischen Neubeginns.
Davor war Dinghofer 1907 Linzer Bürgermeister geworden und saß ab 1911 im Reichsrat. Seine politische Haltung war geprägt von der Mitgliedschaft in der Großdeutschen Volkspartei und klar antisemitisch: Juden bezeichnet er als „die Volksgemeinschaft zersetzenden Fremdkörper“, sich selbst als Antisemiten. Wenig verwunderlich trat er für den „Auszug“ der jüdischen Bevölkerung ein.
Als 1938 die Nazis kamen, verlor Dinghofer sein Amt als Präsident des Obersten Gerichtshofs, hängte sein Fähnchen aber bald in den Wind. Archiv-Recherchen beim deutschen Bundesarchiv in Berlin von Mauthausen Komitee Österreich und Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Jahr 2019 zeigen: Der NS-Partei-Aufnahmeantrag Dinghofers stammt vom 18. April 1940, die Genehmigung zum 1. Juli 1940 die Mitgliedsnummer lautet 8.450.902. Nach dem Krieg trat Dinghofer 1953 dem VdU, der Vorgängerpartei der FPÖ, bei.
Differnziertes Bild
Neuere Forschungen bewerten Dinghofers Rolle differenziert: Er gilt als Vertreter eines bürgerlich-deutschnationalen Politikertyps, der einerseits sozial- und infrastrukturpolitische Reformen forcierte, andererseits aber durch Antisemitismus und völkische Weltanschauung zur Radikalisierung der Zwischenkriegszeit beitrug.
Seine Verstrickungen in die NS-Ideologie machen ihn zu einer historisch belasteten Persönlichkeit. Ein würdigendes Gedenken, das diese Aspekte ausspart oder verdrängt, verfehlt die notwendige kritische Erinnerungsarbeit und läuft Gefahr, Erinnerung zur Instrumentalisierung werden zu lassen.
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