Warum Facebook Eskalation belohnt und FPÖ-Chef Kickl davon profitiert

FPÖ PARTEITAG: KICKL
Durch eine EU-Verordnung sollte politische Werbung strenger reguliert werden, Facebook drehte sie gleich ganz ab. Belohnt wird vom Algorithmus nun, wer besonders eskaliert.

Europas Mühlen mahlen langsam – aber sie mahlen. Und das nicht immer gut. 

Dafür muss man in der Geschichte ein bisschen zurückgehen: 2018 wurde enthüllt, dass die Firma Cambridge-Analytica einen massiven Datenmissbrauch begangen hatte, bei dem die britische Politikberatungsfirma unrechtmäßig persönliche Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern sammelte und für politische Zwecke missbrauchte.

Konkret wurden psychografische Profile von Wählern erstellt, diese Profile wurden dann für Microtargeting im politischen Wahlkampf genutzt – unter anderem soll davon die Präsidentschaftskampagne von Donald Trump im Jahr 2016 als auch die Leave-EU-Kampagne in Großbritannien profitiert haben. Beide waren bekanntlich überraschend erfolgreich.

"User" im Visier

Dieses System, über Nutzer von Social Media Plattformen Profile zu erstellen, wurde durch die EU-Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung (TTPA) nun beendet. Die Plattformen müssen, wenn jemand politische Werbung schalten will, sehr transparent und penibelst die Werbeaktivitäten auf ihren Plattformen dokumentieren – andernfalls drohen drakonische Geldstrafen, einige Prozent des weltweiten Umsatzes.

Und wegen der Gefahr von Milliardenstrafen zogen Tech-Giganten wie Meta – die Mutterfirma von Facebook und Instagram – die Reißleine und schalteten die politische Werbung für die EU einfach ab. Jetzt können keine politischen Werbungen mehr auf Meta-Plattformen geschaltet werden.

Dabei war bezahlte Werbung auf Facebook und Instagram jahrelang eine der schärfsten Waffen im Arsenal politischer Parteien. Insbesondere die FPÖ perfektionierte dieses System und gab traditionell am meisten Geld dafür aus.

Wollte eine Partei zum Beispiel gezielt eine Frau ab 60 Jahren auf dem Land erreichen, konnten demografische Merkmale wie Alter, Geschlecht und Wohnort im Werbeanzeigenmanager von Facebook exakt definiert werden. Zusätzlich konnten Interessen hinterlegt werden, etwa ob öfters Postings über Ausländerkriminalität oder Sozialbetrug geklickt wurden.

Algorithmus belohnt reißerische Inhalte

Die effektivste Methode waren jedoch die sogenannten „Lookalike Audiences“, erklärt Yussi Pick, Experte für digitale politische Kampagnen: Eine Partei konnte Facebook eine Liste ihrer bestehenden Anhänger übermitteln, und der Algorithmus suchte nach Tausenden anderen Nutzern mit statistisch ähnlichen Profilen. Diesen „digitalen Zwillingen“ wurde dann eine maßgeschneiderte Botschaft in ihre Timeline gespült, abgerechnet wurde pro tausend Einblendungen.

Und jetzt? Verliert die FPÖ ohne Werbemöglichkeiten an Einfluss?

„Ganz im Gegenteil“, sagt Campaigning-Experte Pick. „Es stimmt zwar, dass rechtspopulistische bis rechtsextremistische Parteien diese Werbemöglichkeit schon immer am meisten genutzt haben. Aber das brauchen sie jetzt gar nicht mehr, weil nun der normale Facebook-Algorithmus greift. Und dieser befeuert vor allem Content, der rechtspopulistische oder rechtsextreme Inhalte hat.“

Wie das? „Der Algorithmus belohnt alles, was zu Interaktionen auf der Seite führt, also Likes oder Kommentare oder das Teilen von Postings. Und das betrifft vor allem solche Themen, die besonders reißerisch, emotional oder kontroversiell sind“, erklärt der Politik-Stratege.

Dazu kommt noch die Tatsache, dass die Freiheitlichen offensichtlich am besten herausgefunden haben, wie man Fans in den Sozialen Medien lukriert: Parteichef Herbert Kickl alleine hat 313.000 Follower, die FPÖ 214.000. Das sind in etwa so viele „Fans“, wie alle anderen Parlamentsparteien zusammen haben, die SPÖ mit 131.000 Follower liegt noch am zweitbesten (siehe Kasten oben).

Somit hat die gut gemeinte EU-Regulierung zu einem paradoxen Ergebnis geführt: Der politische Wettbewerb hat sich von einem halbwegs nachverfolgbaren System bezahlter Anzeigen vollständig in die „Black Box“ undurchsichtiger Algorithmen verlagert. Die Einflussnahme wird dadurch künftig subtiler und schwerer zu kontrollieren.

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