Als Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Ende 2022 sein Veto zum Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien publik machte, war ihm klar, dass einer der schärfsten Kritiker aus den eigenen Reihen kommen wird: Othmar Karas, seit 1999 streitbarer EU-Abgeordneter der ÖVP. Vor allem dann, wenn es um die Europa-Politik seiner eigenen Partei geht.
Im kommenden Jahr 2024 hat es die ÖVP nun wieder einmal in der Hand, diesen Zustand neu zu regeln. Da steht im Mai die EU-Wahl auf der Agenda, verbunden mit der Frage, ob der Niederösterreicher auf der Kandidatenliste aufscheinen soll oder nicht. Offiziell will sich noch niemand in der Partei mit der Suche nach einer Lösung für dieses Rätsel beschäftigt haben. Inoffiziell wird von Treffen mit Othmar Karas in der Parteizentrale in Wien und auf der Politischen Akademie erzählt.
18 Mal gegen die eigene Partei
Gegen Othmar Karas – aktuell Vizepräsident des Europäischen Parlaments – werden ja nicht nur die Wortmeldungen gegen die EU-Politik der ÖVP-Regierung in die Waagschale geworfen. Es geht auch um sein Stimmverhalten im EU-Parlament. Seit dem Jahr 2020 hat es 18 (!) Abstimmungen gegeben, bei denen Othmar Karas anders entschieden hat als seine türkisen EU-Kollegen. Im heurigen Jahr waren es etwa die Punkte „Klimaneutrale Gebäude bis 2050“ und das „Null-CO2-Emissionsziel für neue Pkw und Kleintransporter ab 2035“, für die Karas gestimmt hat, die restlichen sechs EU-Abgeordneten der ÖVP aber dagegen waren.
Die Oberösterreicherin Angelika Winzig, die Delegationsleiterin der ÖVP-Fraktion im EU-Parlament, will das unterschiedliche Abstimmungsverhalten herunterspielen: „Das ist nicht besonders schockierend für uns. Wir haben weder einen Klubzwang noch einen anderen Zwang.“ Außerdem komme das auch in anderen Fraktionen vor. Wobei das nicht auf SPÖ, FPÖ und Grüne zutreffen dürfte. Dort hat es laut den Aufzeichnungen in all den Jahren ein einheitliches Stimmverhalten gegeben.
Ganz ohne Kritik dürfte diese Diskrepanz in der ÖVP-Fraktion aber doch nicht gesehen werden. So gibt es die Kritik, dass der EU-Vizepräsident sehr oft bei Fraktionsbesprechungen fehle. „Es entsteht bei uns auch der Eindruck, dass Karas dieses Stimmverhalten zur Methode gemacht hat“, heißt es gegenüber dem KURIER.
"Habe genug Optionen"
Was der Parlaments-Vizepräsident so nicht gelten lässt. „Jedes Abstimmungsverhalten muss man begründen können, und das kann ich. Ich habe meinen Kurs sehr konsequent vertreten und immer begründen können“, sagt Othmar Karas zum KURIER. Und: „Es stimmt, dass ich bei meiner Politik eine sehr klare Linie habe.“
Die Treffen in Wien hätten nichts mit der bevorstehenden EU-Wahl zu tun gehabt. Er selbst verweist darauf, dass er als Parlaments-Vizepräsident, als Präsident des Hilfswerks und als Obmann des Vereins „BürgerInnen Forum Europa“ so viel zu tun habe, dass er sich mit der Kandidatur noch nicht beschäftigt habe. Karas: „Diese Frage habe ich mir selbst noch nicht gestellt. Ich werde meine Entscheidung aber rechtzeitig bekannt geben. Optionen habe ich genug.“ Aufklären will er diese kryptische Ansage nicht. Nur: die Neos würden nicht dazu zählen. Das wird auch von der pinken Partei bestätigt.
Grundsätzlich will der EU-Politiker dennoch festhalten: „Ich bin und war immer ein Mandatar der ÖVP.“ Was seine Partei mit diesem Satz macht, ist noch nicht klar. Generalsekretär Christian Stocker: „Die Liste wird rechtzeitig erstellt und bekannt gegeben.“ Und wie sieht er das Abstimmungsverhalten von Karas im EU-Parlament? „Wir haben das zur Kenntnis genommen.“
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