"Erzkonservative Truppe": Wer Sebastian Kurz berät
Der stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung hat es gemacht, Rhetorik-Experten haben es getan, heimische Journalisten sowieso: Sie haben eine Biografie über Sebastian Kurz verfasst. Braucht die Welt also tatsächlich noch ein Buch über den Bundeskanzler?
Die Frage ist nicht so uncharmant gemeint, wie sie klingt – immerhin stellt sie Autor Klaus Knittelfelder selbst, und das gleich zu Beginn seines Erstlingswerks „Inside Türkis. Die neuen Netzwerke der Macht“.
Um es kurz zu machen: Ja, es braucht dieses Buch – und zwar mehr als manch’ andere Biografie über den „Wunderknaben“ (FAZ) im Kanzleramt.
Der Grund: Knittelfelder hat sich dem Regierungschef zwar biografisch genähert, allerdings mit einem Kunstgriff: Der Journalist erklärt Kurz und dessen Politik anhand der engsten Mitstreiter. Und im Unterschied zu anderen weiß der frühere KURIER-Redakteur sehr genau, wovon er schreibt: Er kennt die „Partie“, wie er sie nennt, seit Jahren.
311 Telefonate
Anhand kurzer, mit anekdotischen Details angereicherter Biografien werden die politischen Vertrauensmenschen des Sebastian Kurz vorgestellt und eingeordnet.
So erfährt man im Vorbeilesen, wie viele Telefonate der Sprecher des Kanzlers an einem Tag zu führen hat (311); mit wem Kurz in der Nacht zum 19. April 2011 besprochen hat, ob er Staatssekretär werden soll (darunter ein gewisser Josef Pröll); oder welcher Philosoph besonderen Einfluss auf die Gesellschaftspolitik der türkisen ÖVP-Führung hat (John Rawls).
Knittelfelder beschreibt kurzweilig eines der zentralen Erfolgsrezepte des Sebastian Kurz, nämlich: ein ausgeklügeltes Personalmanagement.
Besonders zum Tragen kommt dabei die härteste Währung in der Politik, die Loyalität. Sie ist im Team um den Kanzler über Jahre gewachsen und unverbrüchlich. Am Beispiel einzelner Protagonisten wird demonstriert, dass selbst Berater, denen der türkise Parteichef heute blind vertraut, zuvor lange und viel dafür arbeiten mussten, um sich ihren Stand zu erarbeiten.
Nicht ganz zufällig räumt der Autor mit dem Vorurteil auf, bei Kurz’ Team handle es sich um ideologiebefreite Karrieristen oder eine neue „Buberlpartie“ – das Gegenteil ist der Fall. Laut Knittelfelder handelt es sich um eine „teils erzkonservative Truppe mit politischen Hardlinern“, die im Einzelfall eine ausgeprägte Abneigung gegenüber der Sozialdemokratie verbindet.
Exemplarisch lässt sich das an der „rechten Hand“ des Kanzlers, Kabinettschef Bernhard Bonelli, nachzeichnen. Er wird als streng gläubiger Traditionalist beschrieben, den Kurz vor zwölf Jahren bei einer Fahrgemeinschaft nach Alpbach kennengelernt hat, und der Ansichten pflegt, die mitunter „in der Gesellschaft nicht mehrheitsfähig sind“.
Die zuletzt durch Interviews gehypte Chefin des Kurz-Thinktanks, Antonella Mei-Pochtler, hat Knittelfelder in der Beschreibung des engsten Kreises ausgelassen. Er wird seine Gründe haben.
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