Energie-Lockdown: Wenn es Nacht wird über deiner Stadt

Energie-Lockdown: Wenn es Nacht wird über deiner Stadt
Das ganze Land spart Energie, es wird ein finsterer Winter. Wo wird das besonders sichtbar? Und wie wirken sich Energiesparen und hohe Energiekosten auf unser Leben aus? Ein Überblick

Schwarze Fassaden statt greller Werbung; dunkle Kirchen, erloschene Lichterketten, geschlossene Restaurants und Sporthallen: Es wird ein finsterer Winter. Dafür ist heuer ausnahmsweise nicht die Corona-Pandemie verantwortlich, sondern der Ukraine-Krieg. Um Österreichs Gasspeicher zu schonen, und weil grundsätzlich Energie gespart werden soll, ergreifen Städte, Gemeinden und Unternehmen ungewohnte Sparmaßnahmen. Die Wirtschaft wird dazu in gewisser Hinsicht gezwungen. Betriebe, die den Energiekostenzuschuss beantragen wollen, müssen sich an mehrere Vorgaben halten: kein Heizen im Außenbereich, keine unnötige Beleuchtung im Außen- und Innenbereich, Türen sollen geschlossen bleiben. Größere Betriebe müssen zudem Energiesparpläne vorlegen. Ob Handel, Tourismus oder Sportstättenbetreiber: KURIER-Gespräche mit Spartenvertretern zeigen, dass nicht alle mit den bisherigen Wirtschaftshilfen für Unternehmen zufrieden sind.

Die Ungewissheit ist groß. Offene Fragen: Wie stark steigen die Energiepreise wirklich? Und wie wirkt sich die Teuerung auf das Konsumverhalten der Menschen aus? Es steht zu befürchten, dass unbeleuchtete Auslagen, kürzere Öffnungszeiten auf Christkindlmärkten und die allgemeine Dunkelheit die Kauflaune der Menschen zumindest nicht befeuern.

Wie finster es in Ihrer Stadt wirklich wird, was heuer nur noch eingeschränkt möglich ist, und wie Branchenvertreter über die einzelnen Maßnahmen denken – der KURIER gibt einen ersten Überblick.

Energie-Lockdown: Wenn es Nacht wird über deiner Stadt
Energie-Lockdown: Wenn es Nacht wird über deiner Stadt

Handel

Auch der Handel  muss sich umstellen. Betriebe, die den Energiekostenzuschuss erhalten wollen, müssen von 22 Uhr bis 6 Uhr ihre Innen- und Außenbeleuchtung abdrehen. Eine geschäftsschädigende Maßnahme, meint der WKO-Spartenobmann für den Handel, Rainer Trefelik: „Ich zahle auch nicht gerne das Drei- oder Vierfache an meinen Energiehersteller, aber das nimmt dem Handel die Geschäftsgrundlage.“ Die beleuchteten Auslagen seien wichtig für die Sichtbarkeit der Geschäfte, dunkle Auslagen schlecht fürs Geschäft, sagt Trefelik. Zudem sei das Innenlicht auch eine Sicherheitsmaßnahme, etwa um Einbrecher abzuschrecken. Worauf der Handel  in Wiens Einkaufsstraßen nicht verzichten will: Weihnachtsbeleuchtung – allerdings mit LED-Lampen und nur von 15 bis 22 Uhr.

Sport

Auch das Angebot  für Sportbegeisterte schrumpft.  Nachtskifahren wird sich auf wenige Tage pro Woche  reduzieren, Seilbahnen dürften langsamer fahren, Sessellifte werden nicht mehr beheizt. In den Tennishallen werde die Temperatur  um rund ein Grad Celsius auf 16 bis 17 Grad gesenkt,  sagt Matthias Schiffer, Präsident der Plattform Österreichischer Tennis- und Racketsporthallen (ÖTR). Vor allem Traglufthallen dürften am Wochenende gar nicht mehr beheizt und geöffnet werde, sagt Schiffer. „Auch die Saunen werden nur noch zu gewissen Zeiten aufgemacht und nicht den ganzen Tag laufen.“ Schiffer schlägt Alarm: „Wenn es so weitergeht,  werden viele Betreiber zusperren.“ Hallenbetreiber könnten nur die Hälfte der Teuerung an die Kunden weitergeben, der Energiekostenzuschuss reiche nicht.

Kirchen

Mit weniger  irdischem Licht  müssen auch die christlichen Gotteshäuser auskommen. Derzeit wird der Stephansdom in Wien noch die ganze Nacht beleuchtet. Das Einsparpotenzial bei solcher „Effektbeleuchtung“ umfasse in ganz Wien gerade ein Prozent des Stromverbrauchs, heißt es aus dem Büro von Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Doch das dürfte sich noch ändern. „Ich werde nicht den Anstoß dazu geben, aber ich würde es verstehen, wenn die Außenbeleuchtung des Stephansdoms in der Nacht abgedreht wird“, sagt Dompfarrer Toni Faber. Nicht verzichten will der Stephansdom auf seinen Weihnachtsbaum. Er wird aufgestellt, die Beleuchtungsdauer aber voraussichtlich auf vier Stunden begrenzt. Die Pläne Wiens sowie anderer Städte zeigen: In Österreich dürften heuer bei allen Kirchen  die Lichter ausgehen.

Verkehr

Weniger  schillernd  zeigt sich dieser Tage  auch die U-Bahn-Station Volkstheater  der Linie U3. Das Deckenmosaik  von Künstler Anton Lehmden ist kaum noch zu sehen. Die Wiener Linien haben dem Kunstwerk  das Licht ausgeschaltet. Auch die sonst mit Strahlern beleuchteten Römer-Ausgrabungen  bei der U-Bahn-Station Rochusgasse verschwinden in der Dunkelheit. Das  Fortkommen wird also düsterer – aber nicht dunkel, um die Sicherheit im Verkehr zu gewährleisten. Wien macht die ruhigen Straßen schon länger dunkler: Ab 22 Uhr wird die Beleuchtung in verkehrsschwachen Bereichen auf 75 Prozent reduziert, ab 24 Uhr auf 50 Prozent.  In Wiener Neustadt bleibt man flexibel. Hier  wird die Straßenbeleuchtung dimmbar.  Es  werden 200.000 Laternen durch dimmbare LED-Lampen ausgetauscht.

Menschen warten auf die U-Bahn an einer Station mit einem großen Wandbild.
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Aussenbeleuchtung

In Österreichs   Städten sind die Energiesparmaßnahmen jetzt schon zu sehen. Die LED-Fassade des Uniqa Towers im zweiten Wiener Gemeindebezirk wird zum Beispiel seit Ende August nicht mehr beleuchtet. Linz verzichtet in der Nacht auf beleuchtete öffentliche Gebäude, Salzburg oder Feldkirch beleuchten auch Denkmäler nicht mehr. Worauf grundsätzlich bis 31. März alle Betriebe verzichten müssen, die den Energiekostenzuschuss genehmigt bekommen haben: auf unnötige Außenbeleuchtung. Zwischen 22 und 6 Uhr bleiben somit Gebäudefassaden, Schaufenster und Werbeanlagen dunkel. Richtig deutlich dürften die Energiesparmaßnahmen dann zur Weihnachtszeit werden.  Beispiel Wien: Die Stadt und die Wirtschaftskammer Wien haben sich darauf geeinigt, dass es  heuer keine Weihnachtsbeleuchtung am Ring geben wird. Der Christkindlmarkt auf dem Rathausplatz startet zudem eine Woche später als üblich: am 19. statt am 12. November. Dauern soll er  bis 26. Dezember. Weihnachtsbeleuchtung soll es nur von 18. November bis 8. Jänner geben – von 15 bis 22 Uhr, statt bisher bis 24 Uhr. Fraglich ist auch, ob der Wiener Eistraum im Jänner stattfinden wird. Eine Entscheidung soll binnen der kommenden Wochen fallen.

Gastronomie

Auch in   der Gastronomie und Hotellerie werden sich die Energiekosten vervielfachen. Das dürfte vor allem Betriebe ohne zahlungskräftigere Kundschaft belasten. Warum? Sie können die Teuerung nicht direkt an ihre Kunden weitergeben. „Das ist ein giftiges Bonbon, das wir im Moment lutschen. Es gibt die große Befürchtung, dass die Mitte wegbricht“, sagt Gastronom und Ex-Neos-Mandatar Sepp Schellhorn. Wie spart er Energie? Kürzere Öffnungszeiten, reduzierte Speisekarten, noch genauere Kalkulation. So – und mithilfe einer neuen PV-Anlage – will auch der Vorarlberger Gastronom Josef Walch heuer   bis zu 20 Prozent Strom sparen. Die Öffnungszeiten seines Wellnessbereichs werde er nur etwas reduzieren, sagt Walch. Durch Biomasse-Anlagen sei er am Arlberg beim Heizen „autark“. Abseits der Energiekosten sei ein möglicher Komsumenten-Ausfall die größte Unsicherheit, betont Schellhorn. Im Winter-Tourismus bahne sich ein „Downsizing“ in Gastro und Hotellerie an. Heißt: Wer zum Beispiel in den Vorjahren in einem Vier-Sterne-Hotel übernachtet hat, gibt sich heuer mit drei Sternen zufrieden. Oder gleich mit der billigsten Variante: Selbstversorgung  im Apartment. Der Energiekostenzuschuss könne die höheren Kosten nicht abfedern, stattdessen gehöre endlich der Faktor Arbeit steuerlich entlastet, betont Schellhorn. „Bei den Mitarbeitern können wir nämlich gar nicht sparen.“

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