Ehemaliger Rektor kritisiert Kurz für "Steinzeit"-Sager
Der langjährige Rektor der TU Graz, Hans Sünkel, widerspricht den Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)zum Klimawandel in einem Offenen Brief in der Kleinen Zeitung. Darin heißt es etwa: "Die Klimaziele werden wir nur dann erreichen, wenn eine starke Forcierung von Technologie und Innovation Hand in Hand geht mit der Verhaltensänderung unserer Gesellschaft in Form von bewusstem Verzicht auf Verzichtbares". Und: "Als Person der Technik hat man naturgemäß ein ausgeprägtes Nahverhältnis zu Forschung und Entwicklung und somit zu Technologie und Innovation. Daher ist es für mich unbestritten, dass es massiver Anstrengungen in Technologie und Innovation braucht, um den Klimawandel in Schranken zu halten. Es ist jedoch sicher nicht der 'einzige Zugang', wie Sie das zur Klimapolitik dargestellt haben", schreibt der frühere Vorsitzende der Universitätenkonferenz.
Die Aussagen zur Klimakrise von Kurz sorgen für anhaltende Kritik. In einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten meinte er letzten Donnerstag, dass die Bekämpfung des Klimawandels ohne Verzicht, etwa auf den Individualverkehr, möglich sei und Innovation und Technologie der Weg aus der Klimakrise wäre. Irritiert hat das nicht nur den grünen Koalitionspartner. Widerspruch löste der Kanzler auch bei Österreichs führenden Klimaforschern aus. Die Aussagen von Sebastian Kurz in Bezug auf die Klimakrise würden internationalen und nationalen wissenschaftlichen Studien widersprechen. Nun kritisiert eine weitere prominente Stimme aus der Wissenschaft den Bundeskanzler.
Es gehe sehr wohl um Verzicht, und zwar auf Verzichtbares, schreibt Sünkel. Und die Liste des Verzichtbaren sei lang: Der Konsum von Lebensmitteln, die den halben Erdball umrunden, bevor sie in unseren Mägen landen, die steigende Nachfrage nach energiehungrigen SUVs, Kreuzfahrten mit den fossilen, marinen Monstern, der schnelle vorweihnachtliche Shoppingtrip nach New York, der Flug zum Golfspielen nach Südafrika oder zum Heli-Skiing nach Kanada. "Verhaltensmuster und Vergnügungen dieser Art halte ich jedenfalls für unbedacht, und vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Klimadebatte für verwerflich."
An anderer Stelle heißt es im Offenen Brief an den Kanzler: "Ein starker Schub in Richtung Technologie und Innovation: ja, selbstverständlich! Aber gleichzeitig auch ein ebenso wirksamer Verzicht auf Verzichtbares - das ist das Gebot der Stunde - klimaschonendes Verhalten fördern und gleichzeitig klimaschädigendes Verhalten durch entsprechende Rahmenbedingungen erschweren".
Der Hochschulprofessor für Vermessungswesen Sünkel stößt sich auch an der Wortwahl des Bundeskanzlers in der Klimadebatte und will eine Klarstellung: "Und Sie, Herr Bundeskanzler, bezeichnen Verzicht salopp als 'Weg zurück in die Steinzeit'. Wie bitte? Das eine tun und das andere nicht lassen, Herr Bundeskanzler, das hat unser Zugang zur Klimapolitik zu sein und nicht eine eindimensionale Fokussierung auf Technologie und Innovation. In der Hoffnung, dass dieser verbale Ausrutscher 'Weg zurück in die Steinzeit' wohl nicht geplant, sondern in der Hitze des politischen wie auch hochsommerlichen Alltags ganz einfach passiert ist, empfehle ich dringend eine Klarstellung gegenüber unserer Bevölkerung und ein gekonntes Zurück zum Bild eines zukunftsorientierten 'Green Tech'-Kanzlers", richtet Sünkel klare Worte an den Kanzler.
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