Durchgriffsrecht: Verhandlungen im Gang
Das Thema der Unterbringung von Asylwerbern hat auch am Wochenende die innenpolitische Diskussion bestimmt. Während das Innenministerium von den Ländern die Erfüllung der vereinbarten Quote bei der Schaffung von Quartier-Plätzen einforderte, kam postwendend Kritik von Länder-Vertretern am Bund. Eine Einigung auf ein Durchgriffsrecht des Bundes dürfte frühestens nächste Woche fallen. Nachdem am Freitag der äußerst kritische Bericht von Amnesty International zum Flüchtlingslager Traiskirchen (mit dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen) vorgelegt wurde, reagierte man im Innenministerium mit dem Hinweis auf die Säumigkeit der Länder bei der Errichtung von Unterkünften. Das vereinbarte Quoten-System funktioniere nicht, außerdem werde der Bund auf Gemeindeebene von einzelnen Verantwortungsträgern bei der Quartier-Schaffung "sabotiert", sagte Peter Webinger, Leiter der für Asyl und Migration zuständigen Abteilung im Innenressort, am Freitagabend in der "ZiB 2" des ORF.
Es handle sich um eine "Unterbringungskrise" - und diese könne nur gelöst werden, wenn die Länder ihren Verpflichtungen nachkommen, gab er zu verstehen. Dass die Lage in Traiskirchen prekär ist, räumte er ein - und erhofft sich angesichts der schlechten Unterbringungs-Situation politisches Handeln: "Wir sind eigentlich dankbar dafür, dass diese Bilder die Verantwortungsträger in diesem Land vielleicht einmal wachrütteln." Verantwortung aufseiten des Innenressorts schob Webinger weg: "Die Lösung wäre darin, wenn die Länder die Quote erfüllen, dann gibt es die Situation nicht".
Hickhack
Die Länder setzten sich tags darauf in Person des oö. Landeshauptmanns Josef Pühringer und dessen steirischen Amtskollegen Hermann Schützenhöfer (beide ÖVP) zur Wehr: Die Länder würden sich Tag und Nacht bemühen, Flüchtlingsunterkünfte aufzutreiben und seien dabei erfolgreich, sagte Pühringer. Das Innenministerium sei hingegen "gar nicht in der Lage", jene freien Plätze, die die Länder anbieten, zuzuteilen.
Dieser Vorwurf wurde seitens des Innenministeriums wiederum zurückgewiesen: Es sei schlicht nicht möglich, am gleichen Tag, an dem ein Quartier frei wird, dieses auch zu besetzen, sagte Innenministeriums-Sprecher Karl-Heinz Grundböck am Samstag. Als notwendig erachtet man im Innenressort daher den raschen Beschluss eines "Durchgriffsrechtes" des Bundes, damit dieser in den Gemeinden selbst Unterkünfte errichten kann - auch gegen den Willen von Ländern und Gemeinden. Wann und ob dieses Gesetz auf Schiene gebracht wird, war am Wochenende noch unklar - die Regierung braucht dazu eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, weil es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt (und damit die Zustimmung der Grünen). Nach einer Verhandlungsrunde auf parlamentarischer Ebene am Freitag soll das Thema am Montag weiterverhandelt werden.
Schieder guten Mutes
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder gab sich am Montag im Ö1-Morgenjournal optimistisch, dass es mit den Grünen bald zu einer Übereinkunft kommen werde. Die Gespräche seien am Wochenende gut verlaufen. Am Widerstand der SPÖ-geführten Länder liege es jedenfalls nicht, so Schieder. Es sei eigentlich nur mehr ein Punkt offen, der - seitens der ÖVP - noch geklärt werden muss, so Schieder.
Die Österreicher lehnen ein solches "Durchgriffsrecht" mehrheitlich ab, wie das Ergebnis einer vom Nachrichtenmagazin "profil" in Auftrag gegebenen Umfrage des Instituts Unique research belegt. Demnach sprachen sich 62 Prozent der Befragten gegen diesen Plan aus, 36 Prozent sind dafür.
Mobile Ärzteteams
Eine Einigung gab es zwischen der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" und dem Innenministerium: Die NGO kann künftig - in Abstimmung mit dem Ressort - im Lager Traiskirchen unterwegs sein, "um akute medizinische Bedürfnisse rasch erkennen und darauf reagieren zu können", wie es nach einer Gesprächsrunde am Freitag aus dem Innenministerium hieß. Auch werden nun mobile Ärzteteams zur Betreuung der Flüchtlinge im Einsatz sein. Vorerst stellt das Innenressort selbst Amtsärzte bereit. In den kommenden Tagen sollen diese von Medizinern der Hilfsorganisation selbst ergänzt werden.
Schönborn mahnt
Mit mahnenden Worten meldete sich am Wochenende Kardinal Christoph Schönborn zu Wort: Die Flüchtlingskrise sei heute "dramatischer als die Situation beim Bosnienkrieg 1991-95 oder beim Ungarnaufstand 1956", sagte er am Samstag beim Festgottesdienst zu Mariä Himmelfahrt. "Es ist eine Völkerwanderung. Wir alle sind ratlos - Politiker, Kirchen, Religionsgemeinschaften. Aber es ist eine Schande, wenn wir uns dieser Not nicht stellen." Er rief dazu auf, dass die Zusammenarbeit aller verbessert werden müsse, die Kooperation müsse über Partei- und Gebietskörperschaftsgrenzen hinweg erfolgen. "Es ist möglich", so Schönborn.
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