Digitalisierung in Österreich: Das Amt auf der App

Digitalisierung in Österreich: Das Amt auf der App
Wie in Estland sollen Dienstleistungen in ÖSterreich per Smartphone Standard werden

Die Regierung kündigt an, Österreich umfassend zu digitalisieren. Bildungsminister Heinz Faßmann arbeitet gerade ein Konzept für die Einführung des digitalen Klassenzimmers aus. Motto: Laptop statt Tafel & Kreide. Zu ABC und Einmaleins soll künftig auch Programmierenlernen auf den Lehrplan.

Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck hat ihre internen Vorarbeiten für eine allgemeine Digitalisierungsoffensive abgeschlossen – ab kommender Woche beginnt sie mit der Umsetzung ihrer Pläne. Dann wird ihre Arbeit auch öffentlich sichtbar werden. Als erstes will Schramböck Senioren die Scheu vor den Apps nehmen (siehe Interview).

Wie digital ist Österreich im europäischen Vergleich?

Österreich belegte Anfang der 2000er-Jahre sogar einmal den ersten Platz in eGovernance, liegt aber bei der Nutzung der digitalen Amtswege auf dem unrühmlichen drittletzten Platz in Europa. Dafür gibt es mehrere Gründe: Inzwischen sind Länder wie Estland, die ihre gesamtes Staatswesen digital aufgebaut haben, der EU beigetreten. Zweitens hat man in Österreich nach dem schwungvollen Beginn die Zügel schleifen lassen. „Wir haben viele Daten elektronisch, aber wir nutzen die Möglichkeiten nicht. Man hat zuwenig auf die Nutzerfreundlichkeit geachtet“, sagt Schramböck. Das will sie nun nachholen.

Das Funktionieren von eGovernance hängt wesentlich davon ab, wie oft der Einzelne das System benutzt. Je häufiger, umso besser. In Estland, dem digitalen Musterland, sind mit ein und derselben digitalen Signatur fast alle Dienstleistungen elektronisch möglich: der Einblick ins digitale Klassenbuch der Kinder, der Arztbesuch, der Arzneimittelkauf, jeder klassische Amtsweg – vom Pass über das Strafmandat bis zur Steuererklärung oder der Stimmabgabe bei Wahlen. Robert Krimmer, Professor für eGovernance an der Universität Tallinn: „In Österreich werden durchschnittlich zwei Amtswege im Jahr mit der digitalen Bürgerkarte erledigt. In Estland hingegen wird Informationstechnologie konsequent eingesetzt. Hier müssen die Leute das verwenden.“ Papier gibt es nur für Digitalverweigerer, und die sind die Minderheit.

In Österreich bastelt Schramböck gerade an einer extrem benutzerfreundlichen Rot-Weiß-Rot-App, die bald online gehen soll. Diese Smartphone-App kann wirklich viel – der KURIER hat eine Erstvorführung bekommen. Beispielsweise kann man, wenn man schwanger wird, das Datum eingeben, und die App macht automatisch aufmerksam, wann man dem Arbeitgeber den Karenzurlaub melden muss. Alle Amtswege, von der Geburtsurkunde bis zum Kindergeld, sind über die App möglich.

Wie digital arbeiten die Politiker selbst?

Das ist sehr unterschiedlich. Im neu renovierten Parlament wird zwar eine Vorrichtung für eine elektronische Abstimmungsanlage eingebaut, aber ob sie auch genutzt wird, ist offen. Der Widerstand dagegen ist nach wie vor groß. Elektronik bedeutet Transparenz – man kann auf Knopfdruck nachvollziehen, welcher Abgeordnete wofür abgestimmt hat und überprüfen, ob das mit einen Aussagen im Wahlkreis übereinstimmt.

Andere fürchten wiederum, dass der Gruppendruck für die Klubdisziplin nachlässt, wenn ein Abgeordneter nur mal schnell drückt anstatt im Kreis aller anderen sichtbar aufzustehen.

Anders als das Parlament ist Österreichs EU-Ratsvorsitz ein digitales Vorbild. Erstmals wird eine EU-Präsidentschaft papierlos abgewickelt – und das wird in Zukunft so bleiben.

EU-Minister Gernot Blümel hat mit dem Ratsbüro in Brüssel ein „Presidency Portal for Informal Events“ (PPI) entwickelt. Die Adressaten bekommen den Link zugeschickt, und in den Portal finden sie alle Unterlagen, Einladungen, Tagesordnungen, praktische Hinweise und Sitzungsdokumente. Der Vorteil gegenüber gedrucktem Papier: Änderungen der Teilnehmer, der Tagesordnung oder der Termine sind jederzeit und leicht möglich.

Die österreichische Präsidentschaft hat auf Arbeitsmappen, Konferenzfolder, Infobroschüren, Medienprogramme, Einladungen etc. in haptischer Form verzichtet.

„Die Reduktion des Papierverbrauchs ist enorm“, so Blümel. „Künftig wird jeder EU-Vorsitz dieses elektronische Dokumentenmanagementsystem verwenden, das wir mitgestaltet haben und als Vorreiter erstmals einsetzen“, sagt der Europa-Minister

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