„Die Neutralität verlangt, Position zu beziehen“

70 Jahre Neutralitätsgesetz – am 26. Oktober ist es so weit. Für Nationalratspräsident Walter Rosenkranz war das anstehende Jubiläum gebotener Anlass, ein Symposium abzuhalten. Immerhin sei die Neutralität ein besonderes Staatsziel, ja beinahe eine „Ikone“, wie der Freiheitliche festhielt.
Bemerkenswert an der Veranstaltung waren die Gäste. Denn diese kamen mehrheitlich aus der Schweiz, wo die Neutralität seit mehr als 200 Jahren völkerrechtlich verankert ist.
Mit Nationalratspräsidentin Maja Riniker und Joachim Adler, dem Chef der Abteilung Verteidigungspolitik im Verteidigungsministerium, waren zwei Eidgenossen am Wort, die sehr klare Einschätzungen parat hatten. So ordnet Riniker die Neutralität politisch so ein: Als Neutraler stehe man eben genau nicht im Abseits und schweigt, wenn irgendwo Unrecht passiert. „Neutralität ist eine Verpflichtung gegenüber Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Die Neutralität verlangt, Position zu beziehen.“
Das entspricht in groben Zügen ja auch der Haltung der österreichischen Bundesregierung, die – mit dem Blick auf das Neutralitätsgesetz – der Ukraine zwar keine militärische Hilfe leistet. Trotz allem aber den Angriffskrieg Russlands verurteilt und die Sanktionspakete der Europäischen Union mitträgt (was im Übrigen auch die Schweiz tut).
Schutzschild
Damit man das, was die Neutralität am Papier meint, auch in der Praxis leben kann, ist für Riniker und Adler unumgänglich, dass sich neutrale Länder robust verteidigen können. Die Neutralität an sich sei „kein automatischer Schutzschild“. Am Ende gehe es immer um militärische Absicherung.
„Zur Glaubwürdigkeit der Neutralität gehört die Verteidigungsfähigkeit“, sagt Riniker. Andernfalls könne ein Staat zum Beispiel nicht verhindern, dass benachbarte Kriegsparteien sein neutrales Staatsgebiet für ihre Zwecke nutzen.
Bei ihrem Auftritt in Wien stellten Riniker und Adler fest, dass auch die Schweiz verabsäumt habe, ihre sicherheitspolitischen Hausaufgaben zu machen.
Dem Anspruch, sich militärisch bestmöglich verteidigen zu können, werde die Eidgenossenschaft momentan „nicht ganz gerecht“.
Mulmig
In offenen Widerspruch begaben sich die Podiumsteilnehmer bei einer Detailfrage, nämlich: bei Sky Shield.
Für den in Innsbruck lehrenden Völkerrechtler Peter Hilpold ist die Initiative mit der Neutralität nur schwer vereinbar. Denn: Sky Shield sei eben mehr als nur eine Einkaufsplattform für Verteidigungssysteme; ähnlich sieht die Sache die FPÖ.
Für Joachim Adler ist die Sky Shield-Initiative freilich „problemlos“ mit der Schweizer Neutralität vereinbar. Es gehe ausschließlich um gemeinsame Beschaffung und Kooperationsfähigkeiten im Ernstfall. Zwänge gäbe es keine. „Und wenn uns mulmig wird (was die Vereinbarkeit mit der Neutralität angeht, Anm.) dann können wir jederzeit den Stecker ziehen.“
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