Die entzauberten Minister

Manchmal kann Martin Polaschek nicht anders und fällt wieder zurück in seine alte Rolle. Am Mittwoch zum Beispiel: Er sitzt im Audienzsaal des Ministeriums und erklärt im kleinen Kreis, was er gegen die Wissenschaftsskepsis tun will. Der frühere Uni-Rektor holt derart aus, dass es ihm selbst auffällt: "Da ist jetzt mit mir der Universitätslehrer durchgegangen", sagt Polaschek.
Der Moment ist bezeichnend. Denn tatsächlich ist der Steirer auch nach vier Monaten nicht wirklich im Job angekommen. Er hat kein scharfes Profil. Einstündige Fernsehauftritte lässt er ohne Ansagen verstreichen. Und beim einzig relevanten Sympathie-Ranking für Politiker, dem OGM-Vertrauensindex, ist Polaschek mit minus sechs Punkten schon überraschend deutlich ins Minus gerutscht.
Das Schicksal teilt er mit Johannes Rauch. Auch der Vorarlberger ist erst kurz im Amt; und auch er hat – noch dazu als erfahrener Landesrat – mit inferioren Imagewerten zu kämpfen.
Wie kann das sein? Existiert es wirklich, das viel zitierte glatte Wiener Polit-Parkett?
Einer, der die verschiedenen Ebenen der Politik gut kennt, ist Alois Stöger. Der Oberösterreicher war Gesundheits- und Infrastrukturminister und arbeitet heute wieder in Oberösterreich und als Nationalratsabgeordneter.
Für Stöger ist klar, dass Geschwindigkeit und Druck in Wien viel höher sind als in den Ländern. "Der Wechsel in einen Ministerjob wird grundsätzlich unterschätzt. Von Quereinsteigern besonders, aber auch von Landespolitikern", sagt Stöger.

Ein Faktor, warum man als Minister leichter "ausrutsche", sei die mediale Landschaft. "In Oberösterreich musst du fünf bis zehn Journalisten kennen. In Wien vervielfacht sich das und wird durch internationale Medien ergänzt. Du musst immer beobachten und wirst beobachtet. Sieben Tage die Woche."

Das ist ein Gefühl, das auch Juliane Bogner-Strauß kennt. Die frühere Frauenministerin ist heute Landesrätin in der Steiermark.
Dass das Tempo in Wien höher ist, steht für sie außer Zweifel. Hinzu komme das Distanz-Problem: "Egal, wie viele Termine man als Ministerin macht: Als Landesrätin kommt man den Menschen näher, man ist direkter dran. Es ist ein Unterschied, ob man sich um die Anliegen von einem oder neun Millionen Menschen kümmern muss."
Distanz ist also ein Thema. Und mit der oft bemühten Vereinbarkeit von Familie und Job ist es bei pendelnden Ministern meist auch nicht weit her. Bogner-Strauß: "Unser Jüngster war sechs, als ich Ministerin wurde – das ist emotional nicht leicht. Die Familie ist der Ort, wo ich mir die Energie für das hohe Tempo hole. Fehlt das, wird’s schwierig."
Vom Bund zurück ins Land fällt der Wechsel leichter. Diesbezüglich gibt es viele Beispiele: Johanna Mikl-Leitner etwa. Als Innenministerin gründelte sie beim Vertrauensindex jahrelang immer im Minus. Kaum war sie den "schwierigsten Job der Republik" (Mikl-Leitner) los, änderte sich das – die Landeshauptfrau regiert mit absoluter Mandatsmehrheit.
Ein anderer Fall: der frühere Verteidigungs- und Innenminister Günther Platter. Im Bund von Kritikern als farblos abgeschrieben, gibt es heute nur einen Tiroler Landeshauptmann, der länger im Amt war.
Begünstigend wirkt hier, dass die Zahl der politischen Gegner am Land etwas übersichtlicher ist. Noch einmal Alois Stöger: "Als Landeshauptmann oder -rat musst du die wichtigen Bürgermeister auf deiner Seite haben, dann läuft’s. Als Minister musst du auf die Länder insgesamt, auf all deine Landesparteichefs, aber auch viele Interessenvertreter achten."
Was ist der Schluss? Finger weg von der Bundespolitik? Ex-Ministerin Bogner-Strauß verneint. Wer viel und gut kommuniziere, könne Erfolg haben: "Ich sage jetzt gerne einmal etwas Positives: Der Gesundheitsminister hat sich vor dem offiziellen Treffen mit den Gesundheitslandesräten drei Stunden Zeit genommen und geredet – so habe ich das von keinem seiner Vorgänger erlebt." Verstanden werde, wer spricht. "Und Rauch bemüht sich, das zu tun." Es ist offenbar also doch nicht alles verloren.
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