Darabos rechnet mit Ende der Wehrpflicht

Schon 56 Jahre lang müssen männliche Österreicher einen Teil ihrer Jugend dem heimischen Heer dienen. 2014 könnte es damit vorbei sein. Verteidigungsminister Norbert Darabos kündigte am Samstag an, bei einem möglichen Aus für die Wehrpflicht rasch handeln zu wollen: "Der Umbau zu einem Berufsheer ist innerhalb eines Jahres schaffbar", erklärte er im Ö1-Journal. Stellungstermine und Einrückungen könnten damit schon 2014 der Vergangenheit angehören.
Doch noch ist es nicht so weit: Am 13. Jänner oder 20. Jänner sollen die Bürger über das weitere Schicksal der Wehrpflicht entscheiden. Stimmt die Mehrheit für ein Berufsheer, plädiert Darabos vorerst "für eine Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht." Der Vorteil: "Dafür reicht eine einfache Mehrheit im Parlament."
ÖVP-Verteidigungssprecher Oswald Klikovits kann mit den Aussagen von Darabos wenig anfangen: "Ich halte es für höchst bedenlich, die Wehrpflicht auszusetzen, ohne eine Verfassungsmehrheit herbeizuführen", meinte er zum KURIER. Erfreut zeigt er sich zumindest aufgrund von Darabos’ Schwenk bei der Fragestellung: Nun kann sich auch Darabos vorstellen, dass der Zivildienst Teil der Fragestellung ist.
Kritik an den Äußerungen von Darabos kam auch von den Grünen und der FPÖ: Heinz Christian Strache bezeichnete den Minister als "planlos", ein Berufsheer könne niemals 12.000 Mann für Katastropheneinsätze aufbieten. Auf der Welser Messe erklärte Strache, er rechne mit einer klaren Mehrheit für die Wehrpflicht.
Offene Fragen
Den Anstoss zur Volksbefragung gab Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll Sonntag vor einer Woche im KURIER-Interview. Am Tag danach vereinbarten Kanzler und Vizekanzler: 2013 sagen die Österreicher endgültig Ja oder Nein zur Wehrpflicht.
Die erste österreichweite Volksbefragung ist nicht nur eine Premiere: Sie löst auch eine Welle von Fragen aus.
Niederösterreich: Mehrheit für Wehrpflicht
Seit seinem KURIER-Interview vor einer Woche gilt Erwin Pröll als Miterfinder der Volksbefragung zur Wehrpflicht. Dem mächtigen Landeshauptmann ist der Ruf, jetzt über die Zukunft des Heeres zu entscheiden, nicht passiert. Im Gegenteil: Pröll hat mit seiner Forderung, die Wehrpflicht beizubehalten, derzeit einen klaren Rückhalt in der Bevölkerung.
Das signalisiert eine von seiner Landespartei in Niederösterreich in Auftrag gegebene Umfrage ( GFK Austria, 1000 Befragte ). Demnach waren Ende Juni 61 Prozent für die Beibehaltung der Wehrpflicht und nur 36 Prozent dagegen. Laut dieser Umfrage sind sogar SPÖ-Wähler in NÖ mehrheitlich gegen die von Minister Norbert Darabos forcierte Berufsarmee ( siehe Grafik ).
Die Stimmung im Kernland der ÖVP für die allgemeine Wehrpflicht kommt nicht von ungefähr. Rund jeder dritte Uniformträger ist in Niederösterreich stationiert. Die 14 Kasernen sind, genauso wie der größte Truppenübungsplatz in Allentsteig, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Auch für ganz Österreich sind die Militärs aus Niederösterreich ein Faktor. Die meisten Einheiten, die im Katastrophenfall zum Einsatz gelangen, sind in Niederösterreich stationiert. Derzeit stehen die Melker Pioniere in der Steiermark im Einsatz ( siehe Seite 9 ).
Gute Stimmung
Es ist daher nicht die Landesverteidigung, sondern es waren Katastrophenfälle, die dem Heer in seiner bisherigen Form zu dieser Akzeptanz verholfen hat. Nicht ein Mal standen in Niederösterreich Freiwillige der Feuerwehr und Soldaten Schulter an Schulter, um Menschen in Not unter die Arme zu greifen. Auch die Zivildiener spielen eine wichtige Rolle. 2500 junge Männer unterstützen primär die freiwilligen Rettungsdienste.
Der Kampf ums Heer wird daher in Niederösterreich ab sofort besonders heftig geführt. Aus ÖVP-Kreisen ist zu vernehmen, dass die Mobilisierung weit über die Parteigrenzen hinaus erfolgen wird.
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Hintergrund
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